Dann bringe ich hier doch gleich mal etwas Schwung rein, indem ich meine beiden Teams vorstelle. Auf Akzente in den u.A. portugiesischen Namen nehme ich keine Rücksicht, die Trikotfarben sind bewusst gewählt: Schwarz-Weiß für das weiße Ballett von Real Madrid sowie für die schwarze Wunderelf der Ungarn. Außerdem war auch die österreichische Wunderelf der 30er schwarz-weiß. Die 60er sind geprägt vom Blau-Schwarz von "La Grande Inter". Als erstes kommt die Frühzeit (mit einem gewissen Fokus auf die 50er) dran:
Das System ist ein Zwischending zwischen dem ungarischen 3-2-1-4 und dem ebenfalls üblichen 2-3-2-3. Überhaupt gab es damals genug verrückte Taktiken
Im
Tor befindet sich
Gyula Grosics. Hier wollte ich nicht auf die Torhüter der 30er zurückgreifen, da das Torwartspiel damals noch sehr in den Kinderschuhen steckte und die Torhüter im Vergleich zu den 50ern wohl keinen Stich gesehen hätten. Daher war die Frage nur ob Grosics oder Trautmann. Grosics steht hier vor Trautmann, weil Herberger die City-Legende nie eingeladen hat. Ansonsten hätte ich mich wohl für den Norddeutschen entschieden. Der Ungar war aber ein sensationeller Schlussmann mit Riesenreflexen.
Die
Abwehr besteht wie in den 50ern üblich aus drei Mann. Dabei habe ich etwas getrickst.
Billy Wright ist eigentlich eher ein Läufer, die linke Seite in der Abwehr hat er nie wirklich gespielt. Ich habe es so gemacht, da sonst Santos hinten alleine mit Nasazzi gewesen wäre, das hätte auch nicht gepasst. Er war der größte Spieler in der Geschichte der Wolves, und der erste Spieler der Welt mit über 100 Länderspielen. Es stellte sich auch die Frage, wen ich hier sonst hätte reinnehmen sollen. Santamaria (Abwehrlegende von Real) hatte seine beste Zeit von Ende der 50er bis Anfang der 60er. Das war mir zu kurz für den gesuchten Zeitraum.
Jose Nasazzi war der Abwehrchef einer der größten Mannschaften aller Zeiten: der uruguayischen Elf der 20er und 30er, die absolut alles dominiert und gewonnen hat in ihrer Hochzeit, ehe Piola und Italien übernahmen.
Djalma Santos gilt bis heute als einer der besten brasilianischen Spieler und einer der besten Rechtsverteidiger überhaupt. Die 100 Länderspiele verfehlte er nur knapp.
Davor spielen die beiden
Läufer.
Josef Masopust könnte man auch in die 60er-Elf stellen, da er erst 1962 mit den Tschechen im WM-Finale stand und Europas Fußballer des Jahres wurde. Aber er war da schon über 30, daher steht er hier. Einer der flexibelsten Spieler der Fußballgeschichte, und ein großartiger Techniker. Einer, der alles fürs Team machte. Daneben
Jozsef Bozsik, den einige Experten für den vielleicht besten defensiven/zentralen Mittelfeldspieler überhaupt halten, zumindest aber für jemanden, der diese Position entscheidend geprägt hat. Die goldene Elf der Ungarn habe ich auf tausend Videos gesehen, auch abseits der vielen Wunder von Bern-Dokus. Bozsik hatte ein hervorragendes Auge für das Spiel und spielte überragende Pässe. Er und Hidegkuti waren der Grund, warum Ungarn den Gegner auf dem ganzen Feld dominierte.
Und nun wurde es knifflig. Denn in der Offensive bot diese Zeit systembedingt einen ganzen Haufen Kandidaten. Stanley Matthews, Tom Finney, Zizinho oder Hidegkuti sind nur einige, die den Cut im
offensiven Mittelfeld nicht geschafft haben. Und im Sturm wird es gleich noch härter. Hier stehen nun also
Fritz Walter und Raymond Kopa. Der legendäre Fritz konnte alles, seine Mitspieler in Szene setzen, das Spiel dirigieren, und traumhafte Tore schießen. Der beste Spielmacher seiner Zeit war Hidegkuti, aber Fritz Walter war außerhalb Ungarns vielleicht der beste Spieler Europas. Unzählige Topvereine boten ihm Irrsinnssummen, aber er blieb in der Pfalz. Neben ihm spielt Raymond Kopa. Einer von vielen, die mit dem weißen Ballett Europa regierten. Kopa ist vielleicht der drittbeste Spieler, den Frankreich jemals hatte, nach Platini und Zidane. Ein Slalomdribbler und Passvirtuose, einfach nicht zu stoppen wenn er in Spiellaune war. Leider stand ihm und Landsmann Just Fontaine ein gewisser Edson Arantes do Nascimento im Weg, sodass es nichts mit dem WM-Titel wurde. Aber auch so war er einer der prägenden Spieler seiner Ära.
Der
Sturm enthält eine Überraschung. Denn die 30er/40er waren voll von unglaublichen Stürmern mit noch unglaublicheren Torquoten. Natürlich wurde damals ein anderer Fußball gespielt, aber Leute wie Piola, Zarra, Nordahl oder Dixie Dean waren Helden in ihren Städten bzw. Ländern. Die großen Stars der Fußballvorzeit eben. Und um diese angemessen zu repräsentieren, habe ich mich für einen von ihnen entschieden:
Matthias Sindelar gilt als der beste Fußballer, den Österreich jemals produziert hat. Um seinen Tod ranken sich Legenden, aber sein Spiel war noch legendärer. Die Österreicher waren in dieser Zeit womöglich das beste Team der Welt, und Sindelar war ihr Star. 1934 wurde man gegen Gastgeber Italien verpfiffen, 1938 verhinderten wohlbekannte historische Umstände die Teilnahme am Turnier. So hat eine der größten Mannschaften der frühen Fußballjahre nie die Krönung erreicht. Sindelar war ein eleganter und hoch aufgeschossener Stürmer mit herrlicher Ballbehandlung. Seine offene Ablehnung des neuen Regimes kostete ihn vermutlich das Leben. Seine Nebenmänner brauchen keine Vorstellung.
Puskas und Di Stefano waren die Speerspitzen des legendären Real Madrids der 50er-Jahre. Irgendwo habe ich mal das Zitat gefunden: "Puskas (oder Pele) spielte die erste Geige. Aber di Stefano war das ganze Orchester." Diese beiden haben die Fußballwelt in ihrer Zeit aufs Äußerste dominiert. Di Stefano blieb die große Karriere in der Nationalmannschaft vergönnt, Puskas verfehlte die Krönung in Bern. Dennoch gehören beide zu den besten Fußballern, die die Welt jemals gesehen hat.
Nun die 60er-Elf:
Die taktische Formation ist ein gebräuchliches 4-3-3, das vor allem in den frühen 60ern von Brasilien oder Tschechien gespielt wurde. Auch hier waren ein, zwei Kompromisse nötig, auf die ich eingehen werde.
Im
Tor stellte sich die Frage zwischen 2 der 5 besten Torhüter aller Zeiten. Einerseits die russische Ikone
Lev Yashin, andererseits der "Banks of England". Aber an Yashin führt kein Weg vorbei. Seine Reflexe waren so gut, dass er sogar ein erstklassiger Eishockeykeeper war. Er flog beinahe von einem Pfosten zum anderen, und er nahm darüber hinaus als einer der ersten Keeper aktiv am Spiel teil. Er ist der Wegbereiter zum modernen Torwartspiel, und es hat schon seinen Grund, warum anscheinend die Hälfte aller Torwartpreise nach ihm benannt ist. Gordon Banks hat dafür die vielleicht bekannteste Parade aller Zeiten abgeliefert.
Die
Abwehr ist ein Bollwerk, wie in der Gründungszeit des Catenaccios nicht anders zu erwarten. Links macht
Karl-Heinz Schnellinger den VW: er läuft und läuft und läuft. An ihm kam keiner vorbei. Silvio Marzolini gilt als der beste Linksverteidiger dieser Zeit, aber Schnellinger wurde sowohl in Italien als auch in Deutschland in höchsten Tonen gepriesen, und das zurecht. Er war immer zuverlässig. Rechts verteidigt ein Rivale von Inter Mailand.
Tarcisio Burgnich war ein kompromissloser Verteidiger, der alles in seiner Reichweite angriff und niedermachte. Aber selbst er konnte Pele 1970 nicht stoppen. Das interessiert hier aber nicht mehr. In den 60ern bildete er das Bollwerk von Inter, zusammen mit
Giacinto Facchetti. Er gilt als einer der besten Verteidiger aller Zeiten. Facchetti konnte sowohl links als auch in der Mitte agieren. Er war auch in den 70ern noch Weltklasse, aber Inter hatte seine größte Zeit in den 60ern. Er ging auch mit nach vorne und gestaltete das Spiel aus der Abwehr heraus. Neben ihm spielt der Kapitän der Wembley-Elf,
Bobby Moore. Moore war längst nicht mit dem Talent eines Facchetti gesegnet, aber er war einer der größten Taktiker seiner Zeit. Viel laufen war nie nötig, da er Gegner und Spiel las und immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Bei West Ham spielte er mit dem ebenso legendären Geoff Hurst zusammen. Erst David Beckham konnte Moores Länderspielrekord für Feldspieler überbieten. Davor hatte schon Shilton den allgemeinen Rekord gebrochen.
Das
Mittelfeld hätte so wohl nie zusammen gespielt. Hier musste ich etwas tricksen, um eine halbwegs vernünftige Aufstellung zustande zu bekommen.
Nobby Stiles übernimmt dabei die Defensivaufgaben. Seine berühmteste Szene ist wohl der Tanz mit falschen Gebiss in der Hand nach dem WM-Triumph. Er war es, der Charlton und Best bei United den Rücken frei hielt. Ein unermüdlicher Läufer und Balleroberer, der sein eigentliches Talent weit übertraf. Die Spieler, denen er den Rücken deckt, sind
Sandro Mazzola und Bobby Charlton. Bei Mazzola musste ich mich zwischen ihm und Teamkollege Luis Suarez entscheiden. Beide hätten hier stehen können, aber ich nehme Mazzola, da er Suarez den Rang als Star von Internazionale ablief und seinerseits ein Weltstar wurde. Genauso hätte hier sein Rivale vom AC Milan, Gianni Rivera, stehen können. Beide waren die Stars der bärenstarken italienischen Mannschaft, die dann 1970 doch nicht Weltmeister wurde. Aber beide konnten nicht rein, denn Charlton muss hier stehen, da schlägt der United-Fan in mir durch. Bobby Charlton hatte einen wahnsinnig harten Schuss und ist noch immer Englands Rekordtorschütze. Doch er konnte das Spiel auch gestalten und kontrollieren. Er war die zentrale Figur im Mittelfeld von Matt Busby, und er schoss United auch zum ersten Landesmeisterpokalsieg einer englischen Mannschaft (Celtic hatte ein Jahr zuvor gewonnen).
Zu guter Letzt kommt der
Sturm an die Reihe. Und da musste ich wirklich schlucken. Das ist wohl mit die größte Menge an Talent, die man in einem Drei-Mann-Sturm versammeln kann. Weltfußballer
Pele ist von der Statur her kein klassischer Mittelstürmer, und er hat das so eigentlich auch nicht gespielt. Dennoch konnte er ebenso hervorragend dribbeln wie köpfen, und er war sehr sprunggewaltig. Pele konnte man überall in der Offensive einsetzen, weil er einfach so gut war. An seiner Seite spielen
George Best und Eusebio. Der "Belfast Boy" war ein Flügelspieler, aber er war auch Spielmacher und Torjäger, sowie Medienstar und Teenagerschwarm abseits des Feldes. Sein Talent war derart herausragend, dass ihn viele als den besten britischen Fußballer aller Zeiten ansehen, und nicht wenige ordnen ihn unter die 10-15 besten Fußballer aller Zeiten ein. Viele Sprichwörter prägte er selber, aber eines nicht: "Maradona good; Pele better; George Best." Er konnte alles am Ball, und das zeigte er auch. Leider war sein Lebensstil nicht der eines Profis, und so fiel sein Niveau viel zu früh ab. Er, Law und Chilton bildeten Uniteds unglaubliche Offensive. Anders als Gascoigne, der trotz seiner Probleme abseits des Feldes als netter Kerl galt, sagte man Best auch Arroganz nach. Mit ihm ging auch United unter und stieg sogar ab, als er, Chilton und Law den Verein verließen. Eusebio hingegen galt immer als fairer Sportsmann und angenehmer Zeitgenosse. Er war zu seiner Zeit der vielleicht torgefährlichste Spieler Europas, und schoss Benfica zum legendären 5:3-Finalsieg über Real Madrid im 62er-Landesmeisterfinale. Einzig Portugal konnte er nicht zum Titel tragen, aber er war ohne Zweifel der beste Spieler der WM 1966. Sehr gerne hätte ich hier Uwe Seeler aufgestellt, aber gegen diese drei Legenden kommt selbst der Uwe nicht an. Und in die 50er gehört er für mich nicht so ganz.