Welche Filme definierten welche Ära?


Giftpilz

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In diesem Thread soll es um Filme gehen, die besonders exemplarisch für eine gewisse Ära stehen und dabei oft einige sehr ähnlich gelagerte Filme nach sich zogen oder gar ein ganzes Genre mitbegründeten. Dabei sind natürlich die politischen und gesellschaftlichen Umstände der Zeit besonders bedeutsam, die kurz anreißen sollte.

Als Beispiel nehme ich die (Anti-)Kriegsfilme der 70er und 80er:
Bekanntlich befanden sich die USA seit Mitte der 60er im Vietnamkrieg, der in der Heimat zunehmend unpopulärer wurde. Als ersten Film, der sich (noch indirekt) zu diesem Thema äußert, wäre M*A*S*H (1970) zu nennen, der zwar im Koreakrieg spielt, aber doch recht viele (durchaus kritische) Anspielungen auf den noch aktuellen Vietnamkrieg aufweist. 1975 endete die amerikanische Beteiligung an diesem Krieg, der zunehmend als Niederlage aufgefasst wird. Dieses Trauma wird besonders in Die durch die Hölle gehen, Coming Home - Sie kehren heim (beide 1978) und natürlich in Apocalypse Now (1979) thematisiert, mit besonderer Konzentration auf den Irrsinn des Krieges und die Opfer, die mit den Folgen nicht fertig werden.
Es reihten sich vor allem im nächsten Jahrzehnt etliche ähnliche Filme ein, mit den bedeutenden Vertretern Platoon (1986, als erster Teil der Vietnamtrilogie von Oliver Stone, zu dem 1989 noch "Geboren am 4. Juli" und 1993 "Zwischen Himmel und Hölle" kamen), Full Metal Jacket, Hamburger Hill, Good Morning Vietnam (alle 1987) und Die Verdammten des Krieges (1989), jeweils mit leicht anderem Fokus auf einen Teilbereich des Vietnamkrieges.

Gewissermaßen das Bindeglied zur nächsten Kategorie ist Rambo (1982). Ist der erste Teil zwar schon eher ein Action- als ein Antikriegsfilm, thematisiert er dennoch weiter das Trauma des Krieges. Ein "neues" Genre begründet er trotzdem, denn mit fortschreitender Dauer der Reagan-Ära kommen immer mehr Filme auf, die den amerikanischen Soldaten (bzw. den US-Amerikaner überhaupt) wieder glorifizieren und als überlegenen Einzelkämpfer darstellen, der selbstverständlich für das Gute kämpft. Mit Rambo II kam 1985 der "bedeutendste" Film dieser Art ins Kino, und weitere Beispiele sind die unzähligen Chuck Norris-Filme wie Missing in Action (ab 1984), und zunehmend werden die Sowjets wieder als vorrangiges, sehr stereotypes Feindbild des Bösen inszeniert (und das genreübergreifend, siehe Rocky IV). Dabei wurden die Filme immer billiger und unsäglicher (z.B. die gesamte Der stählerne Adler-Reihe), und am absurdesten ist dabei, dass hier jeder US-Schuss sitzt und direkt tödlich ist, während Amerikaner grundsätzlich nur von einer zahlenmäßigen Übermacht bezwungen werden, um noch kurz vor ihrem Dahinscheiden dem Helden einen patriotischen Spruch zuzuhauchen, der daraufhin seinen Rachefeldzug begeht, den er selbstverständlich als "besserer Mensch", der in der Freiheit aufgewachsen ist und nicht wie eine Maschine funktioniert, gegen jeden vermeintlich noch so starken Gegner gewinnt (ich denke, man merkt spätestens jetzt, wie sehr ich diese Klischees hasse :D und wie billig hier oft das wiedergewonnene Selbstbewusstsein einer Nation nach außen getragen wird). Wer sich einmal mit der Kriegsführung der USA beschäftigt hat, kann darüber fast nur noch lachen, denn es ist vor allem die technische Überlegenheit, auf die vertraut und mit der jeder Krieg seit Vietnam durchgeführt wird, bis man es überhaupt riskiert, Bodentruppen einzusetzen.

Jetzt seid ihr dran.
 

twinpeaks

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Es wäre schade, wenn dieses interessante Thema und die Mühe, die sich Giftpilz gemacht hat, so ganz ohne Echo und Antwort blieben. Daher werde ich mich an der Thematik mal versuchen.

Nun, was eine Ära ist bzw. wie man eine solche definiert, ist natürlich auch eine schwierige und komplexe Frage. Ich versuche mal, mich da an den Grenzen entlang zu hangeln, die von den Jahrzehntwechseln gesetzt werden bzw. wurden. Außerdem ist meine Sicht (erst einmal) ziemlich eingeschränkt zugunsten US-amerikanischer-Filme.

In den 1940ern ist sicherlich v.a. das Genre des Film Noir als neu entwickeltes erwähnenswert. Allgemein wird ja da The Maltese Falcon als erste nennenswerte Ausprägung angesehen, die nicht zuletzt mit Humphrey Bogart den wohl unbestrittenen König dieser Art Filme in den 40ern (und teilweise darüber hinaus) bekannt machte. Freilich erwies sich der düstere, desillusionierte und oftmals (häufig sicher eher vage) sozialkritische Film Noir als langlebiges Genre, dessen Endpunkt vorerst zwar Touch of Evil gewesen sein mag, das aber später eine Wiedergeburt als "Neo Noir" feiern konnte.

Die 1950er-Jahre brachten dann eine Vielzahl von Science-Fiction-Filmen, die sich entweder der Invasion der Erde widmeten (The War of the Worlds, The Day the Earth Stood Still), oder sich aber der Vorstellung der leisen und heimlichen Unterwanderung widmeten, was natürlich auch politische Deutungen vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs zuließ (Invasion of the Body Snatchers, Village of the Damned). Auch die Möglichkeit einer völligen Zerstörung der Erde wurde thematisiert in Filmen wie On the Beach.

In den 60ern schien das alte Studio-System Hollywoods dann endgültig am Ende, und Gegenkultur, Hippie-Zeit und die Anfänge des New Hollywood hinterließen ihre Spuren in thematisch und stilistisch ganz unterschiedlichen Filmen wie Bonny and Clyde, Easy Rider, 2001: A Space Odyssey, The Graduate oder Spätwestern wie The Wild Bunch.

Die politischen Krisen der 1970er-Jahre (Vietnam, Watergate) spiegeln sich natürlich auch in den Filmen dieses Jahrzehnts. Giftpilz hat ja schon einige Vietnam-Filme genannt, weshalb ich mich hier auf die Politthriller beschränke, die oft auch eine recht kritische Sicht auf die US-Regierung und die Gesellschaft der Vereinigten Staaten generell transportierten: The Conversation, All the President's Men, Three Days of the Condor, The Parallax View.
Die 70er waren aber auch das große Jahrzehnt des New Hollywood, wobei viele Filme bereits genannt wurden. Erwähnen muss man freilich noch die ersten beiden Teile von Coppolas Godfather-Trilogie sowie auch den Beginn der Blockbuster-Ära mit Filmen wie Jaws (Steven Spielberg) oder Star Wars, eine Filmreihe, die ihre Wellen bis ins 21. Jahrhundert schlug. Auch Katastrophenfilme wie The Poseidon Adventure oder The Towering Inferno müssen in diesem Zusammenhang gennant werden.

Somit wären wir bei den 80ern. Michael Ciminos Heaven's Gate trieb die Produktionsfirma United Artists beinahe in den Ruin und war eine Art Sargnagel für das New Hollywood, ebenso wie die künstlerisch häufig unausgeglichenen Filme des einstigen Wunderkindes Francis Ford Coppola.
Das Blockbuster-Kino feierte freilich neue Erfolge mit Filmen wie E.T.: The Extra-Terrestrial oder den Star-Wars-Fortsetzungen. James Cameron gelang mit dem Terminator ein großer Erfolg im Action-Genre, und gegen Ende des Jahrzehnts belebte Tim Burton mit Batman das Genre der Comicverfilmung neu.

In den 1990er-Jahren scheint mir das Subgenre des Serienkillerfilms von besonderer Bedeutung zu sein, von The Silence of the Lambs und Fortsetzungen bis hin zu Se7en. Natürlich muss man auch Tarantino und Pulp Fiction erwähnen, ebenso wie die Erfolge von Zeichentrickfilmen wie The Lion King (Disney) oder Toy Story (Pixar), und nicht zuletzt, Ende der 90er, Matrix. Und auch der Blockbuster war nicht tot, wie James Cameron mit Titanic bewies.

Im neuen Jahrtausend kommt man natürlich nicht am Herrn der Ringe vorbei, oder am großen Erfolg Michael Moores mit (mehr oder weniger) dokumentarischen Filmen wie Bowling for Columbine. Eine weitere Entwicklung scheint mir aber auch zu sein, dass der Independent Film immer mehr Aufmerksamkeit vom breiten Publikum erhält, was man an Filmen wie Little Miss Sunshine oder Garden State veranschaulichen mag.
 
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Giftpilz

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So viel Mühe war das gar nicht bei meinem Posting. ;)

Das neue Jahrtausend ist übrigens meiner Meinung nach vor allem durch dies geprägt: Relativ wenig Risikofreudigkeit bei den Großproduktionen und das Setzen auf Bewährtes, was die ewigen Sequels und Kopien erklärt.
So führte der Erfolg von "Herr der Ringe" (vielleicht noch das ambitionierteste Projekt) & der "Harry Potter"-Reihe zu einer Unzahl von Fantasyfilmablegern (z.B. den völlig uninspirierten "Narnia", "Eragon" und der "Goldene Kompass", und nur wenigen originelleren / besseren Filmen wie "Stardust" und "Brücke nach Terabithia"), und aus "Toy Story" wurden letztlich in diesem Jahrzehnt etliche Animationsstudios, die so viele Filme pro Jahr auf den Markt werfen, dass bei etlichen die inhaltliche Qualität deutlich leidet.
Die Sequel-Taktik hat so gut funktioniert, dass gar eigentlich schon ewig abgelaufene Serien wieder neubelebt wurden ("Indiana Jones" war zwar schon seit Jahren geplant, aber "Rambo", "Rocky", "Die Hard" und "Terminator" sind für mich gute Beispiele).

Positiv bleibt festzuhalten: Der technische Fortschritt ermöglicht die Umsetzung von vielen Geschichten, wie sie früher kaum denkbar war, und gerade die Superheldenfilme funktionieren deshalb so gut.
Negativ: Sehr viel Mist ist unverständlicherweise finanziell sehr erfolgreich (mit dem für mich unrühmlichsten Beispiel der Friedberg/Seltzer-Filme wie "Date Movie" etc.)

Wie sehr diese Filme das Jahrzehnt gesellschaftlich widerspiegeln, kann ich nicht mal sagen, denn ich habe noch nicht genau verstanden, wofür eigentlich dieses Jahrzehnt steht. :D

Mit den anderen Jahrzehnten setze ich mich morgen oder so auseinander. Heute ist es zu spät dafür.
 
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Tuco

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Es wäre schade, wenn dieses interessante Thema und die Mühe, die sich Giftpilz gemacht hat, so ganz ohne Echo und Antwort blieben. Daher werde ich mich an der Thematik mal versuchen.

Nun, was eine Ära ist bzw. wie man eine solche definiert, ist natürlich auch eine schwierige und komplexe Frage. Ich versuche mal, mich da an den Grenzen entlang zu hangeln, die von den Jahrzehntwechseln gesetzt werden bzw. wurden. Außerdem ist meine Sicht (erst einmal) ziemlich eingeschränkt zugunsten US-amerikanischer-Filme.
Schöner Thread eigentlich, stimmt. Ich mach' dann mal ein "Prequel" für die 30er... ;)

Im Zuge der Wirtschaftskrise und der Möglichkeiten des damals noch recht jungen Tonfilms etablierte sich das Genre des Gangsterfilms, welches den Nerv des pessimistischer gewordenen "Zeitgeistes" traf. Wichtige Filme sind hier etwa The Public Enemy, Little Caesar oder Scarface. Etwas später entwickelte sich mit der Screwball Comedy eine neue Variante der romantischen Komödie, die sich auch durch für die damalige Zeit sehr selbstbewusste Frauenrollen auszeichnet. Es geht es meistens darum, wie ein gegensätzliches Paar zusammenkommt und welche Hindernisse dabei überwunden werden. Herausragende Beispiele sind etwa It Happened One Night, Bringing Up Baby oder Ninotchka.
 

Totila

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Für die 30ßiger Jahre Hollywoods müsste man aber auch das Gruselkino anführen. Dracula, Frankenstein, Die Mumie oder House of Wax sind da sicher zu nennen und auch Graf Zaroff oder King Kong haben ja ihre Remakes gefunden.

@Tuco
Danke, dass du "Scarface" erwähnt hast, der Titel wird hier sonst ja nur in Zusammenhang mit Pacino genannt.
 

twinpeaks

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Für die 30er muss man sicherlich auch noch auf Gone with the Wind verweisen, der ja immer noch als der erfolgreichste Film aller Zeiten gilt.

Zudem war das auch die erste große Zeit des Musical-Films; man denke an Busby-Berkeley-Choreographien in Filmen wie 42nd Street und natürlich das Superstar-Paar dieser Filme, nämlich Ginger Rogers und Fred Astaire (Top Hat, Swing Time).
 
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