Momentan läuft im Forum eine Umfrage wer in diesem Forum der beliebteste türkische Boxer ist.
Dabei wird u.a. immer wieder Bruce "Der Blitz" Özbek genannt, wie ich -der ihn persönlich kennengelernt hat- finde durchaus berechtigt.
Für alle die ihn nicht kennen hier ein m.E. wunderschöner Artikel aus der BZ über Bruce und Slomke und Hinterhofboxen und.....
Der mit dem Tigerauge
Witali Klitschko kämpft in Los Angeles um die Weltmeisterschaft. Aber es gibt noch eine andere Welt des Boxens. In der tritt man für fünfhundert Euro an
BAD HONNEF, im April. Es ist wirklich zu früh für Gyros mit Pommes Frites. Oder für Currywurst und Pizza. Der Euro-Grill von Bad Honnef liegt in der Sonne, und die Straßen in der Provinz sind leer. Nur ein paar fein gemachte Bürger sind auf dem Weg zum Gottesdienst. Wer will sonntags kurz vor zehn schon Gyros, Currywurst oder Pizza? Niemand will das. Trotzdem finden sich in der Grillstube ein paar Männer ein. Sie tragen Jogginghosen, Sportschuhe und T-Shirts.
Der Euro-Grill ist eine lichtschwache Imbiss-Restaurant-Kombination mit dunkler, niederer Decke und dunklem Gestühl. In den Räumen sind vermutlich schon viele Zigaretten ausgedrückt worden. Es riecht nach altem Fett, aber Helmut Slomke hatte gesagt, dass man hier gut isst. Weniger kann er nicht sagen. Slomke veranstaltet am Abend im Kursaal von Bad Honnef ein paar Boxkämpfe, der Grillstuben-Unternehmer ist einer der Sponsoren, und die jungen Männer in den Jogginghosen sind zu ärztlicher Untersuchung und offiziellem Wiegen erschienen.
Es ist die andere Seite des Boxens, vielleicht sogar eine Gegenwelt. In Los Angeles kämpft an diesem Wochenende Witali Klitschko um die Weltmeisterschaft. Prominenz und Halbprominenz jeglicher Art wird am Ring sitzen. Es geht um eine große Zukunft, um Werbeverträge, um Millionen Dollar. Die Männer in den Jogginghosen in Bad Honnef kämpfen für eine handvoll Euro.
Im Hinterzimmer vom Euro-Grill ist es so düster, dass der Doktor fragt, ob er mal ein bisschen Licht haben kann. Wenn die Sportsmänner bei ihm fertig sind, steigen sie auf eine alte Personenwaage. Im Grunde sind alle Boxer da, Ronny, Cafer Bal, Iwan und auch die Tschechen. Nur Bruce hat es nicht geschafft, jemand muss ins Hotel fahren und ihn wecken. Gegen elf ist dann auch Bruce Özbek da, der "Blitz aus Stade". Er steckt in einem Trainingsanzug mit dem Schriftzug "Dionysos", und im Gesicht hat er eine schmale, coole Sonnenbrille. Als er sie abnimmt, kann man sehen, dass der Blitz noch ziemlich verquollen ist.
Am Tag zuvor war ein ganz anderer Özbek in der Hotelhalle aufgekreuzt. Ein Özbek im braunen Anzug, mit weißem Hemd und roter Krawatte. Am Revers war ein kleines Plastikschild mit dem Schriftzug "Dionysos" befestigt. "Das ist ein Restaurant in Stade, für das ich als Werbeträger arbeite", hatte er erzählt. Aber Bruce Özbek, in der Türkei geboren und seit 1978 in Deutschland, ist viel mehr als ein Werbeträger. Er ist Kickboxer, Showmensch, Boxer und Sänger. Man kann an seiner Nase sehen, mit welchem Sport er sich befasst. Am Sonntagabend im Kursaal wird er ein paar seiner Talente vereinen. "Boxen ist das Schönste, nicht wahr, Papa?", hatte er in der Hotelhalle zu Veranstalter Helmut Slomke gesagt. "Als Sänger stehe ich bei Hochzeiten auf der Bühne und weiß, wann die traurigen Lieder kommen müssen und wann die Liebeslieder. Aber dann ziehst du den Smoking wieder aus und die Handschuhe an und stehst wieder im Ring. Das ist die schönste Herausforderung."
Eine Herausforderung, immer wieder, so muss man es wohl sehen. Wenn Özbek von seiner Bilanz spricht, dann sagt er, dass er oft um die Weltmeisterschaft im Kickboxen gekämpft hat. Seine 23 Boxkämpfe habe er normalerweise alle gewonnen. Aber er sei halt oft betrogen worden, weil er nie einen Manager hatte. Genau gesagt hat er fünfzehn verloren. Oft rufen sie ihn ja auch erst eine Woche vor einer Veranstaltung an. "Wie kann man sich in einer Woche vorbereiten?", fragt Özbek.
Vielleicht brechen bald andere Zeiten an. Mit dem Sport ist er bisher nicht reich geworden. Beim Kleinring-Boxen in Festzelten oder Kursälen streicht man 500 Euro ein, höchstens 1000. Aber der Blitz aus Stade will noch Weltmeister werden. Das ist der Plan. In seinem Pass steht das Geburtsjahr 1964.
Özbek sagt, dass er in Wahrheit 32 ist. Manchmal sagt er auch 30, es schwankt. Aber für die Weltmeisterschaft ist es ihm egal, ob er gegen Mike Tyson boxen muss oder sonst wen, denn er ist noch hungrig. Und erst, wenn man nicht mehr hungrig ist, muss man aufhören.
Für die Klitschkos wäre es an der Zeit dafür. Der Blitz hat keinen Zweifel. Sie werden es nie schaffen, sie werden nie richtige Champions sein. "Das rieche und sehe ich, wenn ich sie im Ring beobachte. Die wissen gar nicht, was eine Oberkörperbewegung ist. Das sind keine Krieger." Ein Krieger muss hungrig sein und das Tigerauge haben, sonst taugt er nichts.
Bruce Özbek hat das Tigerauge noch, Gott sei Dank. Er ist ein Krieger, der jetzt auch einen Manager hat. So leicht können sie ihn jetzt nicht mehr betrügen, dafür wird "Papa" Helmut Slomke schon sorgen. Er ist der König der so genannten Kleinring-Veranstaltungen. Er ist 65 und macht das schon seit 1978. "Es gibt immer drei bis vier Profikämpfe", sagt Slomke, "es gibt Showeinlagen und Tanzmädchen. Also ein buntes Programm, so dass man die Leute insgesamt zufrieden stellen kann. Mein Gott, ich habe schon in den 80ern die Neue Welt in der Berliner Hasenheide gefüllt, mit den sieben Brüdern, die Namen fallen mir jetzt bloß nicht mehr ein."
Slomke hat dichte, graue Haare und eine gesunde Gesichtsfarbe, die ins Rötliche spielt. Er spricht leise und ruhig und muss sich offensichtlich ständig bewegen. Sitzen geht nicht, denn von nichts kommt nichts. An diesem Sonntag in Bad Honnef hat er fünfzehn bis zwanzig Leute für die Organisation des Boxabends in Schwung zu halten. Er steckt sein Geld rein und will, wenn es geht, wieder etwas heraus kriegen. Und wenn die Leute denn kommen, will er sie mit seinem Programm zufrieden stellen. Dieses Mal hat er die Gegner für seine vier Boxer in Tschechien besorgt. Die Frage ist, wie man ihre Qualität einschätzen kann.
"Es ist wie in Deutschland. Es gibt gute, es gibt schlechte und es gibt ganz schlechte."
Und wie ist es mit den Tschechen?
"Die sind schon okay. Der Ronny kämpft gegen einen, der nicht zum schlechten Eisen gehört. Auch Cafer Bal kriegt eine harte Nuss vorge-setzt."
Die harte Nuss ist laut Programmzettel "Gabriel Botos, Tschechei". Am Morgen beim Wiegen hatte ihn Slomkes Schwiegersohn gefragt "und, fit?". Botos hatte bedenklich den Kopf gewiegt und "nix gut" geantwortet. Aber man wird sehen. Zwischen Morgen und Abend können Weltreiche stürzen.
Gegen 18 Uhr soll der Faustkampfabend mit buntem Programm beginnen. Gleich ist es 18 Uhr. Gleich geht es um Sieg oder Niederlage, reden wir nicht von Gesichtsverlust. Auf dem Programmzettel steht die spannende Frage "Wer gewinnt den Slomke-Pokal?"
Im Kursaal liegt der Ring unter Scheinwerferlicht. Grün bezogene Rohrstühle stehen in langen Reihen, von der Decke hängen acht Sträuße aus runden Lampen, und in gewisser Weise hat das bunte Programm mit Hits von Gus Backus und Gunter Gabriel aus den Lautsprechern bereits begonnen. Nur die Zuschauer, tja, die Zuschauer. Eine Hand voll verliert sich im Saal, und Slomke schiebt den Beginn um zwanzig Minuten hinaus.
Aber dann geht es wirklich los. Der Arzt sitzt auf seinem Platz, der Ringrichter hat Smoking und Fliege angelegt und der Ringsprecher sagt: "Helmut Slomke, der König der Kleinring-Veranstalter, veranstaltet heute seine 133. Veranstaltung. Ich rufe auf für den ersten Kampf Milan Vrsecky aus der Tschechoslowakei und Iwan Schtscheglow aus dem Boxstall Slomke."
Der gebürtige Russe Iwan kommt mit einer stark vom Akkordeon geprägten Kampfmusik herein. Nach dem Zeichen des Ringrichters beginnen beide verabredungsgemäß aufeinander einzuschlagen. Slomke geht am Rand mit. Im Saal sitzen nun 94 Zuschauer bei einer Kapazität von 350 Plätzen. In den vorderen Reihen haben sich ein paar junge Leute Sekt aufgemacht. Nach der ersten von vier Runden sagt der Ringsprecher: "Hier einer der Sponsoren des heutigen Abends, Reifen-Weinz aus Bad Honnef, Motorradreifen, Achsvermessung, Tieferlegung."
Schtscheglow gewinnt. Slomke sagt den lieben Zuschauern, dass er nun einen Trainingskampf zweier seiner Schüler leiten wird, die erst seit sechs Monaten bei ihm boxen, und dass es doch einen Beifall wert ist. Der Beifall kommt dünn. Danach übernimmt der Ringsprecher wieder. "Und nun für sie die Showtanzgruppe aus Asbach-Buchholz. Vorher aber noch ein weiterer Sponsor - Plastik-Autoglas-GmbH, Inhaber Gerhard Kügler."
Sieben Mädchen in bunten Glitzerkostümen werfen Beine und Hände zu "Stayin' Alive", nicht immer synchron. Aber die Showtanzgruppe muss sein. Helmut Slomke hatte erzählt, dass er die Veranstaltung ein bisschen ziehen muss, damit er den Leuten sagen kann, der Abend dauert drei Stunden. "Deshalb streifen die Boxer ihre Handschuhe auch erst im Ring über, es gibt zwei Trainingskämpfe, ein Nummerngirl und manchmal auch eine Verlosung."
Boxen kommt auch weiterhin vor. Der ein wenig übergewichtige Slomke-Enkel Ronny schlägt Jan Sapousek, nicht zum schlechten Eisen gehörend, technisch K.o. Vor der Pause begrüßt der Ringsprecher die Herren vom unterstützenden SW-Travel-Compact-Team. "Draußen ist bestens für ihren Körper gesorgt", sagt er, "Essen und Trinken. Nehmen Sie bitte regen Anteil."
Die Zuschauer, zehn mehr inzwischen, strömen zum Buffet. Man kann Bier und Wein kaufen, halbe Brötchen mit Mett oder Käse, Puten-Gyros oder eine Frikadelle. Manche haben sich angezogen wie zu einem landesweit übertragenen Sport-Event, andere wie zu einem illegalen Hahnenkampf. Es gibt hoch aufgeschäumte Frauenfrisuren und Kapuzenshirts, teure Lederstiefel mit Stilettoabsätzen, seidig fallende weite Bundfaltenhosen, ein paar Vokuhila-Frisuren, Leute, die ihr Gold austragen, türkisch aussehende Männer mit harten Augen und Mündern und lederne Damen von der Sonnenbank.
Als sie wieder im Saal sitzen, kommt Bruce Özbek, der Boxer, Werbeträger, Sänger, Kickboxer, Showmensch. Auf seinem weißen T-Shirt steht "Blitz". Es ist nicht eindeutig klar, als was er in den Ring steigt, im günstigsten Fall als er selbst. Beim Kampf geht er, sagen wir, unkoventionell vor. Er arbeitet teilweise ohne Deckung, lächelt, schwenkt plötzlich die Hüfte wie beim Tanz. Er schnarcht den Gegner an und haut sich die Fäuste an den eigenen Kopf. Helmut Slomke draußen am Ring lacht. Aber vielleicht ist jetzt auch die Zeit gekommen, ein trauriges türkisches Lied zu singen. Der Ringrichter sagt Bruce, dass es sich hier um Boxen handelt.
Trotz allem, Özbek gewinnt. Vielleicht liegt es an Papa Slomke, vielleicht nicht. Nach dem Kampf führt er ein paar Kickbox-Sprünge vor. Der Ringsprecher möchte den Zuschauern das Fahrstudio, Inhaber Rainer Kober, ans Herz legen. Der Boxer Iwan Schtscheglow sollte noch eine Showeinlage liefern, aber aus nicht bekannten Gründen muss sie leider ausfallen.
Es boxt noch ein türkischer Lokalmatador, der im Programm als "Profi von Morgen" angekündigt ist. Er ist 33. Der Blitz aus Stade lässt Autogrammkarten verteilen. Es war ein schöner Abend für ihn, er ist zufrieden. Für die beste Leistung ist ihm der Slomke-Pokal zugesprochen worden. Der Stifter des Pokals sagt den Zuschauern zum Abschied, dass er sich immer freut, wenn er sie sieht und guten Sport nach Bad Honnef bringen darf.
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Dabei wird u.a. immer wieder Bruce "Der Blitz" Özbek genannt, wie ich -der ihn persönlich kennengelernt hat- finde durchaus berechtigt.
Für alle die ihn nicht kennen hier ein m.E. wunderschöner Artikel aus der BZ über Bruce und Slomke und Hinterhofboxen und.....
Der mit dem Tigerauge
Witali Klitschko kämpft in Los Angeles um die Weltmeisterschaft. Aber es gibt noch eine andere Welt des Boxens. In der tritt man für fünfhundert Euro an
BAD HONNEF, im April. Es ist wirklich zu früh für Gyros mit Pommes Frites. Oder für Currywurst und Pizza. Der Euro-Grill von Bad Honnef liegt in der Sonne, und die Straßen in der Provinz sind leer. Nur ein paar fein gemachte Bürger sind auf dem Weg zum Gottesdienst. Wer will sonntags kurz vor zehn schon Gyros, Currywurst oder Pizza? Niemand will das. Trotzdem finden sich in der Grillstube ein paar Männer ein. Sie tragen Jogginghosen, Sportschuhe und T-Shirts.
Der Euro-Grill ist eine lichtschwache Imbiss-Restaurant-Kombination mit dunkler, niederer Decke und dunklem Gestühl. In den Räumen sind vermutlich schon viele Zigaretten ausgedrückt worden. Es riecht nach altem Fett, aber Helmut Slomke hatte gesagt, dass man hier gut isst. Weniger kann er nicht sagen. Slomke veranstaltet am Abend im Kursaal von Bad Honnef ein paar Boxkämpfe, der Grillstuben-Unternehmer ist einer der Sponsoren, und die jungen Männer in den Jogginghosen sind zu ärztlicher Untersuchung und offiziellem Wiegen erschienen.
Es ist die andere Seite des Boxens, vielleicht sogar eine Gegenwelt. In Los Angeles kämpft an diesem Wochenende Witali Klitschko um die Weltmeisterschaft. Prominenz und Halbprominenz jeglicher Art wird am Ring sitzen. Es geht um eine große Zukunft, um Werbeverträge, um Millionen Dollar. Die Männer in den Jogginghosen in Bad Honnef kämpfen für eine handvoll Euro.
Im Hinterzimmer vom Euro-Grill ist es so düster, dass der Doktor fragt, ob er mal ein bisschen Licht haben kann. Wenn die Sportsmänner bei ihm fertig sind, steigen sie auf eine alte Personenwaage. Im Grunde sind alle Boxer da, Ronny, Cafer Bal, Iwan und auch die Tschechen. Nur Bruce hat es nicht geschafft, jemand muss ins Hotel fahren und ihn wecken. Gegen elf ist dann auch Bruce Özbek da, der "Blitz aus Stade". Er steckt in einem Trainingsanzug mit dem Schriftzug "Dionysos", und im Gesicht hat er eine schmale, coole Sonnenbrille. Als er sie abnimmt, kann man sehen, dass der Blitz noch ziemlich verquollen ist.
Am Tag zuvor war ein ganz anderer Özbek in der Hotelhalle aufgekreuzt. Ein Özbek im braunen Anzug, mit weißem Hemd und roter Krawatte. Am Revers war ein kleines Plastikschild mit dem Schriftzug "Dionysos" befestigt. "Das ist ein Restaurant in Stade, für das ich als Werbeträger arbeite", hatte er erzählt. Aber Bruce Özbek, in der Türkei geboren und seit 1978 in Deutschland, ist viel mehr als ein Werbeträger. Er ist Kickboxer, Showmensch, Boxer und Sänger. Man kann an seiner Nase sehen, mit welchem Sport er sich befasst. Am Sonntagabend im Kursaal wird er ein paar seiner Talente vereinen. "Boxen ist das Schönste, nicht wahr, Papa?", hatte er in der Hotelhalle zu Veranstalter Helmut Slomke gesagt. "Als Sänger stehe ich bei Hochzeiten auf der Bühne und weiß, wann die traurigen Lieder kommen müssen und wann die Liebeslieder. Aber dann ziehst du den Smoking wieder aus und die Handschuhe an und stehst wieder im Ring. Das ist die schönste Herausforderung."
Eine Herausforderung, immer wieder, so muss man es wohl sehen. Wenn Özbek von seiner Bilanz spricht, dann sagt er, dass er oft um die Weltmeisterschaft im Kickboxen gekämpft hat. Seine 23 Boxkämpfe habe er normalerweise alle gewonnen. Aber er sei halt oft betrogen worden, weil er nie einen Manager hatte. Genau gesagt hat er fünfzehn verloren. Oft rufen sie ihn ja auch erst eine Woche vor einer Veranstaltung an. "Wie kann man sich in einer Woche vorbereiten?", fragt Özbek.
Vielleicht brechen bald andere Zeiten an. Mit dem Sport ist er bisher nicht reich geworden. Beim Kleinring-Boxen in Festzelten oder Kursälen streicht man 500 Euro ein, höchstens 1000. Aber der Blitz aus Stade will noch Weltmeister werden. Das ist der Plan. In seinem Pass steht das Geburtsjahr 1964.
Özbek sagt, dass er in Wahrheit 32 ist. Manchmal sagt er auch 30, es schwankt. Aber für die Weltmeisterschaft ist es ihm egal, ob er gegen Mike Tyson boxen muss oder sonst wen, denn er ist noch hungrig. Und erst, wenn man nicht mehr hungrig ist, muss man aufhören.
Für die Klitschkos wäre es an der Zeit dafür. Der Blitz hat keinen Zweifel. Sie werden es nie schaffen, sie werden nie richtige Champions sein. "Das rieche und sehe ich, wenn ich sie im Ring beobachte. Die wissen gar nicht, was eine Oberkörperbewegung ist. Das sind keine Krieger." Ein Krieger muss hungrig sein und das Tigerauge haben, sonst taugt er nichts.
Bruce Özbek hat das Tigerauge noch, Gott sei Dank. Er ist ein Krieger, der jetzt auch einen Manager hat. So leicht können sie ihn jetzt nicht mehr betrügen, dafür wird "Papa" Helmut Slomke schon sorgen. Er ist der König der so genannten Kleinring-Veranstaltungen. Er ist 65 und macht das schon seit 1978. "Es gibt immer drei bis vier Profikämpfe", sagt Slomke, "es gibt Showeinlagen und Tanzmädchen. Also ein buntes Programm, so dass man die Leute insgesamt zufrieden stellen kann. Mein Gott, ich habe schon in den 80ern die Neue Welt in der Berliner Hasenheide gefüllt, mit den sieben Brüdern, die Namen fallen mir jetzt bloß nicht mehr ein."
Slomke hat dichte, graue Haare und eine gesunde Gesichtsfarbe, die ins Rötliche spielt. Er spricht leise und ruhig und muss sich offensichtlich ständig bewegen. Sitzen geht nicht, denn von nichts kommt nichts. An diesem Sonntag in Bad Honnef hat er fünfzehn bis zwanzig Leute für die Organisation des Boxabends in Schwung zu halten. Er steckt sein Geld rein und will, wenn es geht, wieder etwas heraus kriegen. Und wenn die Leute denn kommen, will er sie mit seinem Programm zufrieden stellen. Dieses Mal hat er die Gegner für seine vier Boxer in Tschechien besorgt. Die Frage ist, wie man ihre Qualität einschätzen kann.
"Es ist wie in Deutschland. Es gibt gute, es gibt schlechte und es gibt ganz schlechte."
Und wie ist es mit den Tschechen?
"Die sind schon okay. Der Ronny kämpft gegen einen, der nicht zum schlechten Eisen gehört. Auch Cafer Bal kriegt eine harte Nuss vorge-setzt."
Die harte Nuss ist laut Programmzettel "Gabriel Botos, Tschechei". Am Morgen beim Wiegen hatte ihn Slomkes Schwiegersohn gefragt "und, fit?". Botos hatte bedenklich den Kopf gewiegt und "nix gut" geantwortet. Aber man wird sehen. Zwischen Morgen und Abend können Weltreiche stürzen.
Gegen 18 Uhr soll der Faustkampfabend mit buntem Programm beginnen. Gleich ist es 18 Uhr. Gleich geht es um Sieg oder Niederlage, reden wir nicht von Gesichtsverlust. Auf dem Programmzettel steht die spannende Frage "Wer gewinnt den Slomke-Pokal?"
Im Kursaal liegt der Ring unter Scheinwerferlicht. Grün bezogene Rohrstühle stehen in langen Reihen, von der Decke hängen acht Sträuße aus runden Lampen, und in gewisser Weise hat das bunte Programm mit Hits von Gus Backus und Gunter Gabriel aus den Lautsprechern bereits begonnen. Nur die Zuschauer, tja, die Zuschauer. Eine Hand voll verliert sich im Saal, und Slomke schiebt den Beginn um zwanzig Minuten hinaus.
Aber dann geht es wirklich los. Der Arzt sitzt auf seinem Platz, der Ringrichter hat Smoking und Fliege angelegt und der Ringsprecher sagt: "Helmut Slomke, der König der Kleinring-Veranstalter, veranstaltet heute seine 133. Veranstaltung. Ich rufe auf für den ersten Kampf Milan Vrsecky aus der Tschechoslowakei und Iwan Schtscheglow aus dem Boxstall Slomke."
Der gebürtige Russe Iwan kommt mit einer stark vom Akkordeon geprägten Kampfmusik herein. Nach dem Zeichen des Ringrichters beginnen beide verabredungsgemäß aufeinander einzuschlagen. Slomke geht am Rand mit. Im Saal sitzen nun 94 Zuschauer bei einer Kapazität von 350 Plätzen. In den vorderen Reihen haben sich ein paar junge Leute Sekt aufgemacht. Nach der ersten von vier Runden sagt der Ringsprecher: "Hier einer der Sponsoren des heutigen Abends, Reifen-Weinz aus Bad Honnef, Motorradreifen, Achsvermessung, Tieferlegung."
Schtscheglow gewinnt. Slomke sagt den lieben Zuschauern, dass er nun einen Trainingskampf zweier seiner Schüler leiten wird, die erst seit sechs Monaten bei ihm boxen, und dass es doch einen Beifall wert ist. Der Beifall kommt dünn. Danach übernimmt der Ringsprecher wieder. "Und nun für sie die Showtanzgruppe aus Asbach-Buchholz. Vorher aber noch ein weiterer Sponsor - Plastik-Autoglas-GmbH, Inhaber Gerhard Kügler."
Sieben Mädchen in bunten Glitzerkostümen werfen Beine und Hände zu "Stayin' Alive", nicht immer synchron. Aber die Showtanzgruppe muss sein. Helmut Slomke hatte erzählt, dass er die Veranstaltung ein bisschen ziehen muss, damit er den Leuten sagen kann, der Abend dauert drei Stunden. "Deshalb streifen die Boxer ihre Handschuhe auch erst im Ring über, es gibt zwei Trainingskämpfe, ein Nummerngirl und manchmal auch eine Verlosung."
Boxen kommt auch weiterhin vor. Der ein wenig übergewichtige Slomke-Enkel Ronny schlägt Jan Sapousek, nicht zum schlechten Eisen gehörend, technisch K.o. Vor der Pause begrüßt der Ringsprecher die Herren vom unterstützenden SW-Travel-Compact-Team. "Draußen ist bestens für ihren Körper gesorgt", sagt er, "Essen und Trinken. Nehmen Sie bitte regen Anteil."
Die Zuschauer, zehn mehr inzwischen, strömen zum Buffet. Man kann Bier und Wein kaufen, halbe Brötchen mit Mett oder Käse, Puten-Gyros oder eine Frikadelle. Manche haben sich angezogen wie zu einem landesweit übertragenen Sport-Event, andere wie zu einem illegalen Hahnenkampf. Es gibt hoch aufgeschäumte Frauenfrisuren und Kapuzenshirts, teure Lederstiefel mit Stilettoabsätzen, seidig fallende weite Bundfaltenhosen, ein paar Vokuhila-Frisuren, Leute, die ihr Gold austragen, türkisch aussehende Männer mit harten Augen und Mündern und lederne Damen von der Sonnenbank.
Als sie wieder im Saal sitzen, kommt Bruce Özbek, der Boxer, Werbeträger, Sänger, Kickboxer, Showmensch. Auf seinem weißen T-Shirt steht "Blitz". Es ist nicht eindeutig klar, als was er in den Ring steigt, im günstigsten Fall als er selbst. Beim Kampf geht er, sagen wir, unkoventionell vor. Er arbeitet teilweise ohne Deckung, lächelt, schwenkt plötzlich die Hüfte wie beim Tanz. Er schnarcht den Gegner an und haut sich die Fäuste an den eigenen Kopf. Helmut Slomke draußen am Ring lacht. Aber vielleicht ist jetzt auch die Zeit gekommen, ein trauriges türkisches Lied zu singen. Der Ringrichter sagt Bruce, dass es sich hier um Boxen handelt.
Trotz allem, Özbek gewinnt. Vielleicht liegt es an Papa Slomke, vielleicht nicht. Nach dem Kampf führt er ein paar Kickbox-Sprünge vor. Der Ringsprecher möchte den Zuschauern das Fahrstudio, Inhaber Rainer Kober, ans Herz legen. Der Boxer Iwan Schtscheglow sollte noch eine Showeinlage liefern, aber aus nicht bekannten Gründen muss sie leider ausfallen.
Es boxt noch ein türkischer Lokalmatador, der im Programm als "Profi von Morgen" angekündigt ist. Er ist 33. Der Blitz aus Stade lässt Autogrammkarten verteilen. Es war ein schöner Abend für ihn, er ist zufrieden. Für die beste Leistung ist ihm der Slomke-Pokal zugesprochen worden. Der Stifter des Pokals sagt den Zuschauern zum Abschied, dass er sich immer freut, wenn er sie sieht und guten Sport nach Bad Honnef bringen darf.
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