Der Springer und sein Material


Benjamin

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Im Spitzensport kommt man heutzutage nicht mehr ganz nach vorn, wenn einem nicht auch gutes Material zur Verfügung steht. Ob es spezielle Laufschuhe in der Leichtathletik sind oder besonders windschlüpfrige Anzüge beim Schwimmen, ob es besonders gut ausbalancierte Tennisschläger sind oder besonders starke Motoren in der Formel 1 - wer kein gutes Material hat, schafft es nicht ganz nach vorne, auch wenn die Unterschiede in manchen Sportarten sicher größer sind als in anderen.

Nicht selten kommt es auch vor, dass die Athleten mit bestimmten Materialien sogar noch bessere Leistungen zeigen könnten; jedoch sind diese Materialien aus verschiedenen Gründen verboten. Zum ersten birgen manche Sportgeräte zusätzliche Gesundheitsrisiken (hierunter würden beispielsweise zu lange Ski im Skispringen fallen) - zum zweiten ist es auch wichtig, dass die Ausübung des Sports nicht zu teuer wird, damit eine größere Anzahl von Sportlern in die Nähe der Spitze kommen kann (hierunter fallen sicher diverse Reglemente in der Formel 1).

Eines haben jedoch die meisten Sportarten gemeinsam: Die Regeln sind für alle Sportler - unabhängig von ihrem genauen Körperbau - gleich. Doch gerade das Skispringen bildet eine bemerkenswerte Ausnahme: Die erlaubte Maximallänge der Skier hängt von der Körpergröße und seit einigen Jahren auch von der Masse der Springer ab. Auch bei den Anzügen gibt es diverse Vorschriften, durch die ihre genauen Maße vom Springer abhängen. Ich will mich hier vor allem auf die Skilänge konzentrieren:

Im Gegensatz zu den anderen zitierten Sportarten wie Leichtathletik, Schwimmen oder Tennis ist Skispringen eine Randsportart, die nur von vergleichsweise wenigen Menschen ausgeübt wird. Würde man nun allen Springern gleich lange Ski zugestehen, hätten Springer ab einer bestimmten Größe vermutlich kaum eine Chance mehr, in die Weltspitze vorzudringen. Man kann also sagen, die Reglementierung dient dazu, Springern mit weniger guten körperlichen Voraussetzungen so weit zu helfen, dass sie auch in der Spitze mitspringen können. Wäre es nicht das gleiche, wenn besonders große Basketballspieler Bleiplatten in den Schuhen tragen müssten, damit sich der Vorteil, den sie durch ihre Größe haben, ausgleicht?

Nun - ich halte die Regelung im Skispringen durchaus für sinnvoll, da ansonsten das Spitzenfeld wesentlich kleiner und die Wettbewerbe weniger interessant wären. Aber ist das wirklich fair? Wäre es nicht fairer, wenn alle Springer ihre Skilänge wirklich frei wählen dürften? Wie seht ihr das?


Eine andere Frage drängt sich mir auf: Auf welche Weise hat die FIS die Formel

maximale Skilänge = Körpergröße * 1,46

eigentlich ermittelt? Warum gilt gerade diese Formel als fair? Könnte man nicht stattdesse auch eine andere Formel verwenden, zum Beispiel

maximale Skilänge = Körpergröße + 90 cm​
?

Bei den größten Springern wären die Ski dann ungefähr genauso lang wie jetzt - der Unterschied zu den Skiern der kleinsten Springer wäre aber nicht so groß. Wenn also jemand weiß, wie die FIS zu dieser und ähnlichen Vorschriften kommt, dann bin ich für Antworten sicher dankbar.
 

rosale

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Eine andere Frage drängt sich mir auf: Auf welche Weise hat die FIS die Formel

maximale Skilänge = Körpergröße * 1,46

eigentlich ermittelt? Warum gilt gerade diese Formel als fair? Könnte man nicht stattdessen auch eine andere Formel verwenden, zum Beispiel

maximale Skilänge = Körpergröße + 90 cm​
?

Die freie Wahl der Schilänge wäre sicher weit unfairer, da die Schilänge nicht nur von der Körpergröße abhängt sondern auch vom Gewicht, bzw. vom BMI.
Die max. Schilänge bei gleicher Körpergröße darf ja nur jener Springer verwenden, der auch das nötige Gewicht auf die Waage bringt.
Leichtere Springer würden mit längerem Schi wesentliche Vorteile haben.

Außerdem gab es diese Regelung schon, was dann bewirkte, dass Springer hungerten um bei gleicher Schilänge weiter springen zu können.


Übrigens: ist die max Schilänge nicht 145% der Körpergröße?

Besonders bei kleineren Springern würde sich ein Schi, der 90cm länger ist, stärker auswirken,
zb. darf ein Springer mit 160cm Körpergröße bei 145% nur max. 232 cm springen, aber +90cm ist 250cm. 18cm ist prozentuell viel mehr als bei einem 190cm großen Springer, der nach der Prozentregel 276cm statt 280 cm springen darf.
 

Benjamin

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Die Gewichtsabhängigkeit wollte ich zunächst mal ausklammern, das ließe sich ja durchaus auch anders regeln als über die Skilänge; beispielsweise könnte man bei zu leichten Springern ja auch ein paar Weitenpunkte abziehen.
Aber das ist ja genau meine Frage: Wenn das System mit den unterschiedlichen Skilängen wirklich fairer ist, wäre es dann nicht auch in anderen Sportarten fairer, körperliche Vorteile, die manche haben, irgendwie auszugleichen?

Zu dem Rechenbeispiel: Darauf kommt es mir ja gerade an: Natürlich würde bei den größeren Springern ein Aufschrei erfolgen, wenn man die Skilängenregel nach meinem Vorschlag ändern würde; denn eine solche Änderung wäre für die Großen schlecht und für die Kleinen gut. Dennoch: Vielleicht ist ja auch die jetzige Regelung ungerecht und benachteiligt die kleineren Springer zu sehr; und erst eine Änderung so wie von mir genannt würde das System gerecht machen.
Vielleicht ist es aber auch umgekehrt, und kleinere Springer werden sogar bevorzugt (schließlich sind Ammann, Malysz, Schlierenzauer ja nicht die größten), so dass man ihnen die Ski sogar noch weiter kürzen müsste, damit es wirklich gerecht zugeht.
Was ich damit sagen will: Woher nimmt die FIS die Gewissheit, dass gerade die aktuelle Regel eine vergleichsweise große Fairness garantiert? Welche empirischen Daten sind bei der Erstellung dieser Regel gegebenenfalls mit eingeflossen.

146 % waren zumindest lange Zeit korrekt; letzten Winter wurde von einer Verringerung gemunkelt - ich bin allerdings gerade nicht auf dem Laufenden, ob die mittlerweile durch ist oder noch nicht.
 
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