Kabine mit Drehtür - lästig oder wünschenswert?


VvJ-Ente

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Fußballmannschaften sind weißgott keine statischen Gebilde. Alte Recken hören auf, neue Talente drängen nach, langjährige Stammspieler suchen neue Herausforderungen oder ganz profan ein dickeres Bankkonto. Neuzugänge floppen und wollen wieder weg und Langzeitverletzte müssen ersetzt werden.

Das ist nicht neu und es wäre weltfremd, wenn man anderes erwarten würde. Trotzdem blieb der Kern einer Mannschaft aus meiner Sicht bis auf Ausnahmefälle immer erhalten. Nicht wenige Aufsteiger behielten beispielsweise einen großen Teil ihres Kaders aus der tieferen Liga und verstärkten sich nur punktuell. Umgekehrt versuchten sogar Absteiger möglichst viele (sofern finanzierbar) Spieler wenigstens zu einem Jahr Unterklasse zu überreden um den sofortigen Aufstieg zu schaffen.

In letzter Zeit ist mir aber eine neue Haltung aufgefallen (nicht nur hier im Forum), die MIR überhaupt nicht gefällt. Spieler haben zu funktionieren, und zwar sofort und jederzeit. Sonst müssen sie zur nächsten Transferperiode ersetzt werden oder können gleich abhauen. Und das betrifft nicht nur teure Neuzugänge, die nicht bringen was man hofft, sondern auch langjährige Leistungsträger.

Zuerst aufgefallen ist mir das bei Kevin Großkreutz - ein Spieler, der gut genug war, um Teil einer Mannschaft zu sein, die ins CL-Finale stürmte. Der sollte nur wenig später (obwohl er mehrere Positionen spielen konnte) zu schlecht sein, um ihm Einsätze gegen Frankfurt oder Stuttgart (damals noch 1.Liga) zu geben, damit Reus oder Piszczek mal ein Päuschen bekommen.

Auch bei Hertha habe ich schon Fans gehört, die froh sind, wenn sie "Lustenberger nicht mehr sehen müssen" oder "Ramos endlich weg ist" (das sind Spieler, die mit Hertha immerhin in die 2.Liga gegangen sind um die Abstiegssuppe auszulöffeln). Bei Dortmund haben sich zumindest einige Fans gerade auf Schmelzer und Durm eingeschossen. Bei Bayern landete gestern Thomas Müller mitten im Shitstorm, "unfähig", "technisch limitiert" und was es nicht noch alles gab. (Dabei ist Müller Teil einer Mannschaft, die sogar die CL gewinnen konnte)

Umgekehrt liest man von Einkaufslisten, die einem die Augen tränen lassen - bei Bayern mit Griezmann, Hazard &co natürlich nur das Feinste vom Feinsten. Aber auch die Kölner, Dortmunder und auch Berliner sollen, wenn es nach einem Teil der Fans geht, jetzt gleich und sofort die Spitzenklubs der Eredivisie und mindestens 5 direkte Konkurrenten leerkaufen. Belgier, Franzosen, Talente aus ganz Europa. Preis? Teamneed? Egal - her damit!

Was ich mich jetzt frage - ist das wie so oft, dass man nur die wahrnimmt, die am lautesten brüllen? Oder ist das inzwischen Mehrheitsmeinung? Ich gehöre zu denen, die glauben, dass sich eine Mannschaft am besten Stück für Stück entwickelt. Dass man versucht, langfristig etwas aufzubauen (natürlich gibt es Rückschläge) und immer ein bisschen besser wird. Und wenn man gerade nur eine Mannschaft für die Plätze 9-12 hat, muss man als nächstes Platz 7-8 anpeilen. Und wenn das nicht klappt, weil die Spieler nicht besser sind, aber alles geben, dann muss man trotzdem zu ihnen stehen und nicht überlegen, wen man sofort verkauft oder rauswirft und wen man dafür holen muss. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich damit nicht als altes Fossil gelte.

P.S.: Als warnendes Beispiel sehe ich Eishockey. Da wusste früher jedes Kind auf dem Schulhof, wer Klausi Merk und Schorsch Holzmann sind. Wenn ich heute einen Bericht über die Eisbären sehe oder lese (und das tue ich regelmäßig, wenn ich mich auch nicht mehr als Fan bezeichnen würde - man geht halt nicht von den Preußen zu Dynamo ;)), dann kommt es genauso regelmäßig vor, dass da Spieler erwähnt sind, von denen ich keine Ahnung habe, wer das denn wieder sein soll, geschweige denn, dass der schon länger bei den Eisbären spielt. Bei Alba beim Basketball wechselt der Kader gefühlt dreimal pro Saison, aber da fehlt mir die Referenz, weil ich mich schon früher nicht für die Spieler interessiert habe.
 

Max Power

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schöne Diskussionsidee :thumb:

In letzter Zeit ist mir aber eine neue Haltung aufgefallen (nicht nur hier im Forum), die MIR überhaupt nicht gefällt. Spieler haben zu funktionieren, und zwar sofort und jederzeit. Sonst müssen sie zur nächsten Transferperiode ersetzt werden oder können gleich abhauen. Und das betrifft nicht nur teure Neuzugänge, die nicht bringen was man hofft, sondern auch langjährige Leistungsträger
das stimmt definitiv. Generell hab ich das Gefühl, dass es im Weltfußball keine Geduld mehr gibt. Das ist irgendwo auch verständlich, weil einfach sehr viel Geld dahintersteckt. Aber meine Güte, das treibt manchmal schon sehr seltsame Früchte. Das beste Beispiel ist für mich Renato Sanches. 18 Jahre alt, sehr roh, neues Team, neue Liga, neues Land, neue Sprache, neue Kultur. Aber trotzdem scheinen viele einfach zu erwarten, dass er gleich "funktionieren" muss, ohne ihm eine gewisse Eingewöhnungsphase einzuräumen. Was insofern witzig ist, weil es sich gerade die Bayern angesichts der Qualität im Mittelfeld durchaus leisten kann, auf Sanches "zu warten" ...

Auch bei Hertha habe ich schon Fans gehört, die froh sind, wenn sie "Lustenberger nicht mehr sehen müssen" oder "Ramos endlich weg ist" (das sind Spieler, die mit Hertha immerhin in die 2.Liga gegangen sind um die Abstiegssuppe auszulöffeln). Bei Dortmund haben sich zumindest einige Fans gerade auf Schmelzer und Durm eingeschossen. Bei Bayern landete gestern Thomas Müller mitten im Shitstorm, "unfähig", "technisch limitiert" und was es nicht noch alles gab. (Dabei ist Müller Teil einer Mannschaft, die sogar die CL gewinnen konnte)
gut, aber das ist IMO weder neu noch ist das nur im Fußball so. Ich hab das auch in anderen Sportarten erlebt, dass es in jeder Fanbase zu jeder Zeit sowas wie einen Sündenbock gibt, der in den Augen der Fans nicht gut genug ist und weg muss. Bei Man United gibts das immer wieder (aktuell Fellaini und bei einem leider nicht unerheblichen Teil der Fans auch Lingard; vor ein paar Jahren warens halt Foster, Cleverley, Evans etc). Ich bin auch in einem Calgary Flames-Fanforum aktiv und auch da hab ich das jetzt schon über Jahre hinweg beobachtet. Ich glaub nicht, dass das nur im Fußball so ist. Ich will da jedenfalls auch nicht den Moralapostel oder so spielen, ich bin da ja selbst nicht anders (Fellaini muss weg! :saint: ;)).

Umgekehrt liest man von Einkaufslisten, die einem die Augen tränen lassen - bei Bayern mit Griezmann, Hazard &co natürlich nur das Feinste vom Feinsten. Aber auch die Kölner, Dortmunder und auch Berliner sollen, wenn es nach einem Teil der Fans geht, jetzt gleich und sofort die Spitzenklubs der Eredivisie und mindestens 5 direkte Konkurrenten leerkaufen. Belgier, Franzosen, Talente aus ganz Europa. Preis? Teamneed? Egal - her damit!
das ist letztlich aber auch nur die Konsequenz aus der Entwicklung, die der Weltfußball in puncto finanzieller Stärke gemacht hat. Warum sollte eine Mannschaft den finanziellen Muskel nicht nutzen, den man zur Verfügung hat? Dass der bei den Bayern größer ist als bei Dortmund und bei denen größer als bei Gladbach und bei denen größer als bei Köln und so weiter, ist doch nicht überraschend. Ich sehe da auch kein Problem, wenn sich einer Fanbase dem bewusst ist und sich gewissen Träumereien hingibt. Bayern ist einer der Handvoll Vereine auf dieser Welt, die sich einen Griezmann oder Hazard leisten können. Ich sehe da ehrlich gesagt das Problem nicht, wenn man als Fan auf solche Transfers hofft.

P.S.: Als warnendes Beispiel sehe ich Eishockey. Da wusste früher jedes Kind auf dem Schulhof, wer Klausi Merk und Schorsch Holzmann sind. Wenn ich heute einen Bericht über die Eisbären sehe oder lese (und das tue ich regelmäßig, wenn ich mich auch nicht mehr als Fan bezeichnen würde - man geht halt nicht von den Preußen zu Dynamo ;)), dann kommt es genauso regelmäßig vor, dass da Spieler erwähnt sind, von denen ich keine Ahnung habe, wer das denn wieder sein soll, geschweige denn, dass der schon länger bei den Eisbären spielt.
ich verfolge die DEL nicht wirklich, aber ich geb zu Bedenken, dass ein Eishockey-Kader größer ist als ein Fußball-Kader und es demnach auch mehr Schwankungen gibt. Zudem ist das mit den Verträgen im Eishockey ja auch anders, da ist generell viel mehr Bewegung auf den Transfermärkten. Aber auch hier bin ich mir sicher, dass sich der Stamm der Mannschaft nicht dauernd ändert, sondern die Schwankungen eher Rollenspieler und Reservisten betreffen.
 

Wurzelsepp

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Der Fussball ist halt in den letzten Jahren viel globaler geworden: Bayern kämpft nicht mehr mit Werder, Stuttgart, dem HSV oder Dortmund um den Titel "Deutscher Meister", sondern mit Real, Barca, Juve und Konsorten um den Titel "Champions-League-Sieger". Es geht also für die Bayern nicht mehr "nur" darum, die besten Fussballer/Talente Deutschlands zu haben, sondern um die besten Spieler weltweit... und das sind ganz selten Bayern und nur ausnahmsweise Deutsche, also spielen halt 5 Deutsche mit 6 "Ausländern" gegen 11 Madrilenen, bei denen die Zusammensetzung ähnlich ist.

Früher war die Konkurrenz grösstenteils national, jetzt ist sie international, trotzdem versuchen eigentlich alle grossen/erfolgreichen Vereine (mit Ausnahmen) immer noch, das eine oder andere Eigengewächs oder Urgestein im Team zu haben (zB Lahm, Müller, Iniesta, Ramos, Chiellini, Buffon, etc.), aber Erfolg geht halt über Nostalgie und es geht um Milliarden.

Vergleich mit den wirklichen Grosskonzernen: Auch da wird mehr oder weniger weltweit nach dem besten Führungspersonal gesucht, sonst geht es zur Konkurrenz.

Für kleine Vereine ist es übrigens ähnlich: Die müssen jedes Jahr bibbern, welche Leistungsträger ihnen weggekauft werden und ganz tief im Innersten ein bisschen hoffen, dass die wichtigsten Spieler keine "Übersaison" haben, weil dann sind sie weg.
 

VvJ-Ente

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(Fellaini muss weg! :saint: ;)).
Der ist aber gerade das falsche Beispiel, oder hat er jemals bei United funktioniert? Teure Neuzugänge hatte ich ja oben angesprochen. Was mich erschreckt ist, dass auf Spieler losgegangen wird, die bereits Teil der Mannschaft bei großen Erfolgen waren oder seit x Jahren ihre Knochen hinhalten, obwohl sie hätten gehen können. Müller 2013 war sicher auch kein Supertechniker. Großkreutz auch nicht. Und wenn man in Darmstadt verliert, lag es ganz sicher nicht daran, dass Erik Durm keine 549 Flanken in den Strafraum gebracht und keine 4217 Dribblings gewonnen hat. Also wenn du ein passendes Beispiel suchst, müsstest du schon einen Rooney nehmen. Vorausgesetzt, der macht keinen Terror wenn er auf der Bank sitzt. ;)

Warum sollte eine Mannschaft den finanziellen Muskel nicht nutzen, den man zur Verfügung hat?
In Maßen ist das auch völlig ok. - sich um Hazard zu bemühen, wenn man einen Nachfolger für Robbery sucht, ist beispielsweise logisch. Aber was will Bayern mit Griezmann, wenn man Lewandowski hat? Ein Stürmer, der selbst beim entscheidenen Tor in einem EM-Halbfinale erstmal Mannschaftskameraden wegschubst um seinen einstudierten Torjubel vor der Kamera zu zeigen, wird sich garantiert nicht eine Planstelle im Sturm mit Lewandowski teilen wollen. Ein Tausch würde nichts bringen, so gut ist Griezmann dann auch wieder nicht. Man könnte natürlich überlegen, ob man ein System findet, in dem beide Stürmer zusammenspielen könnten. Aber davon hört man dann nix. Nur "begehrt, teuer, WILL HABEN" Und das sehe ich bei den anderen Vereinen im kleineren Rahmen genauso.
 

John Lennon

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In Maßen ist das auch völlig ok. - sich um Hazard zu bemühen, wenn man einen Nachfolger für Robbery sucht, ist beispielsweise logisch. Aber was will Bayern mit Griezmann, wenn man Lewandowski hat? Ein Stürmer, der selbst beim entscheidenen Tor in einem EM-Halbfinale erstmal Mannschaftskameraden wegschubst um seinen einstudierten Torjubel vor der Kamera zu zeigen, wird sich garantiert nicht eine Planstelle im Sturm mit Lewandowski teilen wollen. Ein Tausch würde nichts bringen, so gut ist Griezmann dann auch wieder nicht. Man könnte natürlich überlegen, ob man ein System findet, in dem beide Stürmer zusammenspielen könnten. Aber davon hört man dann nix. Nur "begehrt, teuer, WILL HABEN" Und das sehe ich bei den anderen Vereinen im kleineren Rahmen genauso.

Lewandowski und Griezmann unter einen Hut zu kriegen, wäre nun wahrlich kein Hexenwerk, da der Franzose vorne jede Position spielen kann.
 

VvJ-Ente

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Können schon, aber auch wollen, wenn er DER Star-Einkauf ist?
 

John Lennon

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Können schon, aber auch wollen, wenn er DER Star-Einkauf ist?

Sehe da ehrlich gesagt null Ansatzpunkte, die das Gegenteil nahelegen. Sowohl in der Nationalmannschaft als auch bei Atletico funktioniert es wunderbar und da hat Griezmann auch nicht den Status vom Hausmeister.
 

Max Power

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Also wenn du ein passendes Beispiel suchst, müsstest du schon einen Rooney nehmen. Vorausgesetzt, der macht keinen Terror wenn er auf der Bank sitzt. ;)
Rooney ist aber auch so ein Sonderfall. Der hat dem Verein zweimal die Pistole auf die Brust gesetzt, verdient wie ein Weltfußballer und stolpert seit zwei Jahren wie ein Besoffener über den Platz. Dass Fans den loshaben wollen - und das wollen so ziemlich alle ;) - ist da auch nicht überraschend.
 

L-james

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Zuerst aufgefallen ist mir das bei Kevin Großkreutz - ein Spieler, der gut genug war, um Teil einer Mannschaft zu sein, die ins CL-Finale stürmte. Der sollte nur wenig später (obwohl er mehrere Positionen spielen konnte) zu schlecht sein, um ihm Einsätze gegen Frankfurt oder Stuttgart (damals noch 1.Liga) zu geben, damit Reus oder Piszczek mal ein Päuschen bekommen.

Ich will mal klarstellen, dass die BVB Anhänger, auch hier, bezüglich den altgedienten ziemlich positiv gegenüber stehen und sie eigentlich sogut wie alle zu schätzen wissen und nicht verkauft hätten.

Großkreutz(als AV), Subotic, Sahin, Kagawa, Kuba.....

Tony sagt heute noch, Subotic würde der Abwehr des BVBs mehr helfen als z.B. ein Ginter und kritisiert die Aussortierung. Kuba würden heute noch alle mit Kusshand nehmen und die Rolle von Durm geben, der Umgang mit Sahin, Kagawa und co. von Tuchel sind für sogut wie alle genauso unverständlich. Einzige Ausnahme bildet da Schmelzer, wobei es da eher um Alternativen bis zum letzten Sommer ging, jemanden zu haben der die Rolle auch anderst intepretieren kann, hieß ja nicht, dass wir Schmelle vom Hof jagen wollten und in dieser Saison würden wir halt lieber den spielstärkeren Guerreiro öfters auf links sehen, was doch auch vollkommen ok ist, wenn man sieht wie limitiert wir sind.

Beim BVB sind es eher die frischen Transfers die schon vor dem ersten Spiel sehr hohes Flop-Risiko mitbringen(Schieber, Immobile, Rode, Schürrle) aber das waren/sind allesamt keine altgedienten Spieler. Von der damaligen Meistertruppe wurde niemand vom Hof gejagt, wenn es nach den Fans gegangen wäre, das waren Entscheidungen vom Trainerteam.

Deshalb muss man hier den BVB mal etwas aus der Schussbahn nehmen, Spieler die schon groß was geleistet haben werden nicht behandelt wie von dir aufgeführt.
 

le freaque

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Fußballmannschaften sind weißgott keine statischen Gebilde. [...]
In letzter Zeit ist mir aber eine neue Haltung aufgefallen (nicht nur hier im Forum), die MIR überhaupt nicht gefällt. Spieler haben zu funktionieren, und zwar sofort und jederzeit. Sonst müssen sie zur nächsten Transferperiode ersetzt werden oder können gleich abhauen. Und das betrifft nicht nur teure Neuzugänge, die nicht bringen was man hofft, sondern auch langjährige Leistungsträger.[...]
Sehr schöner Beitrag mit vielen Wahrheiten drin, ele :thumb:
Ich halte auch überhaupt nichts von dieser Daumen hoch, Daumen runter Mentalität im Quartalstakt. Jeder Spieler hat mMn die Chance verdient, sich vernünftig einzuleben (das geht nunmal nicht bei jedem gleich schnell) und überhaupt hat ausnahmslos jeder Spieler volle Unterstützung der Fans verdient, so lange er sich nichts zuschulden kommen lässt (also vereinsschädigendes Verhalten u.ä.). Natürlich gibt es immer mal Fälle, wo es einfach nicht funktioniert, der Spieler doch nicht das Leistungsvermögen hat oder altgediente Spieler einfach nicht mehr das Niveau halten können. Dann muss man sich auch irgendwann trennen. Das geschieht aber nicht innerhalb einer Hinrunde oder wegen eines verpassten Saisonziels.
Thomas Müller ist da ein gutes Beispiel. Der Junge hat sieben (!) Jahre am Stück geliefert, in Verein und NM, unzählige Spiele durch Irrsinnsaktionen entschieden, die nur ihm ein- oder vor die Füße fallen konnten und er ist nach Bastis Abgang das Gesicht des FC Bayern. Nicht nur im Marketing, sondern auch "in echt". Jetzt spielt er eine Kack-Saison, das ist natürlich ärgerlich. Aber ihn deswegen ständig zum Sündenbock zu machen, seine Tauglichkeit an sich in Frage zu stellen oder seinen Transfer zu fordern, halte ich für unfassbaren Unsinn und auch für undankbar (und nein, die Dankbarkeit eines Fans ist nicht mit Millionengehältern abgegolten, das ist etwas völlig anderes). Auch die Beurteilung eines Sanches finde ich, angesichts seines Alters und der tatsache, dass der Junge gerade mit 18 in ein völlig fremdes Land zu einem Club einer völlig anderen Dimension gewechselt ist, völlig abstrus.

Als Bayernfan ist das natürlich schwierig. Der größte deutsche Verein mit dem größten Erfolgsanspruch. Natürlich will ich auch Erfolg, Titel sind schon ne coole Sache. Ich bin aber "am Ende des Tages" :clown: Fan des Vereins FC Bayern, nicht Fan seiner Erfolge. Sicher gehört dazu das "mia san mia" und eine gewisse Ellenbogenmentalität, die es in den "Sphären" nun einmal brauch, von alleine kommen die Erfolge über einen so langen Zeitraum ja nicht. Zur Identität gehören aber auch der Umgang mit verdienten Spielern, mit Langzeitverletzten und Spieler mit hohem Identifikationswert, die einfach für den FC Bayern stehen. Auch da hatte der Verein über Jahrzehnte klare Prinzipien. im Idealfall kommen die aus dem eigenen Stall - oder sie verbringen eben eine sehr lange Zeit im Verein (wie Elber, Robben, Brazzo usw) und werden so zu Gesichtern des Vereins, auch für mich als Fan.
Für mich ist so etwas elementar wichtig, da ticke ich nicht anders als ein Fan des MSV Duisburg oder so. Ich muss das Gefühl haben, dass da "meine Jungs" auf dem Platz stehen: natürlich brauch man immer mal "Söldner", um Ziele zu erreichen, aber wenn dann irgendwann nur noch Saisonkräfte am Werk sind, ist es nicht mehr "mein Team". Für mich als Fan ist so eine Mannschaft schon ein hochsensibles Gebilde - auf mich bezogen, auf meine Gefühle - und Fan sein ist nunmal in allererster Linie eine emotionale Geschichte.
Ich muss gestehen, dass ich schon mit den Abgängen von Schweinsteiger und Badstuber echte Probleme hatte, weil damit Identifikationsfiguren gingen - und es sieht mit neuen Helden nicht so prall aus. Ich sehe da für meinen Verein eine Riesengefahr, die wahrscheinlich in mittlerweile fast allen Vereinen ähnlich ist. Wenn da Douglas Costa und Vidal nach der Niederlage gegen Real bedröppelt vom Platz gehen, macht das mit mir nicht das Gkeicge, als wenn es Basti und Stuber wären. Ist nunmal so. Wenn dann bald Robbery und Lahm weg sind, wird es für mich evtl noch emotionsloser. Natürlich muss jede Legende erst einmal anfangen, aber dass z.B. Coman und Costa mal nach ihrer Karriere Botschafter des FCB werden...ich kann es mir nicht so wirklich vorstellen und vor allem brauchen ja auch neue Spieler "mia san mia" Leitbilder, an denen sie sich orientieren können. Für mich als Fan sind das zur Zeit nicht so einfache Zeiten: egal, ob "wir" jetzt weiterkommen oder nicht, da neigt sich eine Ära dem Ende entgegen...und zwar eher im Steilflug...und ich habe nicht so wirklich den Eindruck, dass die nächsten Jahre wieder so schön werden. Damit meine ich nicht CL-Titel, sondern eben Identifikation. Allein schon deshalb ist Müller für mich unantastbar.

Würde man mich vor die Wahl stellen:
Szenario 1:
- Müller, Alaba, Coman, Sanches und Kimmich verkaufen. Dafür Griezmann, Verratti, Alexis Sanchez, Pogba und Marcelo. Top Qualitätssteigerung, das Geld ist da. Chance auf den CL-Sieg steigt, Marketing auch. Ok, kein einziges Eigengewächs mehr im Kader und keine Perspektivspieler, aber dafür geballte Weltklasse.
Szenario 2:
- wir setzen auf das neue NLZ und machen es uns zur Aufgabe, jedes Jahr mindestens 1-2 Spieler in den Profikader zu integrieren oder zumindest mit klarer Karriereplanung beim FCB zu verleihen. Jedem externen Neuzugang muss klar sein, dass der FCB weder Sprungbrett noch persönliche Verkaufsplattform ist: zuallererst kommt der Club, dann die Mannschaft, dann du. Take it or leave it (wenn ich sowas wie Costas jüngste Aussagen lese, möchte ich am liebsten gleich sagen: dann verp... dich doch). Kann bedeuten, dass man für das allerhöchste Spielerregal nicht merh so attraktiv ist. Kann sogar bedeuten, dass man mal ein paar "nur" Jahre Europa- Top 10 und nicht mehr Top 4 ist. Kann sogar bedeuten (oh Schreck), dass man mal nicht Meister wird, auch ein paar mal mehr.

Ich würde ohne Wimpernzucken die 2 nehmen. Vielleicht liegt diese Sehnsucht nach Identifikation aber auch etwas am Alter: ich bin seit...moment...37 Jahren Bayernfan. Als ich "anfing" war Nürnberg Rekordmeister, der letzte Pokalsieg des FCB war fast zehn Jahre her. Seitdem habe ich fast unzählige Meisterschaften erlebt, Doubles...2 CL-Siege und 5 verlorene Endspiele, sogar dieses UEFA-Cup-Dings mit Sieg und Niederlage. Da kann man gegenüber jüngeren Fans natürlich auch leicht sagen "so wichtig sind mir die Titel nicht mehr". Aber selbst wenn man das wegdenkt glaube ich, dass eine Hinwendung zu mehr Identifikation und damit auch zu mehr Geduld (und Demut) richtig ist. Ich möchte nicht austauschbar sein: als Fan nicht, mein Verein soll es nicht sein und meine Helden da unten auf dem Rasen sollen es auch nicht sein.
 

Solomo

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Ich brauche eigentlich gar nicht mehr zu schreiben, der Beitrag von @Le Freaque entspricht meinen Ansichten zu 100% - nur dass ich "erst" seit ca. 30 Jahren Bayernfan bin. Das Triple-Jahr 2013 ist eben auch genau deshalb für mich so genial gewesen, weil mit Müller, Alaba, Schweinsteiger und Lahm da Spieler auf dem Platz standen, die für mich absolute Identifikationsfiguren sind. Inzwischen (2017) gilt das für mich auch für Neuer, Ribery, Robben, Martinez und Boateng. Auch wenn ich mich mit Ribery immer noch etwas schwer tue, seinen Status hat er. Diese Drehtür-Mentalität "oh, wir sind im Viertelfinale rausgeflogen. Lass uns jeden verkaufen, der enttäuscht hat und für 300 Mio neue Stars holen" war noch nie meine. Natürlich ist das auch ein zweischneidiges Schwert. Aus lauter Dankbarkeit zu lange an Spielern fest zu halten oder wichtige Posten grundsätzlich mit Ex-Spielern zu besetzen, kann auch ein großer Fehler sein. Bayern steht da rein altersmäßig vor ganz schwierigen Entscheidungen zwischen Emotion und Weiterentwicklung. Ich war ja auch dafür, mit Ribery nicht mehr zu verlängern.
Jedenfalls, für mich ist es sehr wichtig, dass ich mich mit dem Team identifizieren kann. Natürlich ist da auch vieles mehr Schein als Sein. Weiß ich, ob sich ein Müller tatsächlich mehr mit Bayern identifiziert als ein Lewandowski? Dennoch schlägt mein Fanherz deutlich weniger für einen Lewandowski oder einen Costa, als für Alaba und Müller. Ich würde auch jederzeit Szenario 2 aus dem Post über mir vorziehen.
 

supafly03

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Das Problem ist doch auch, dass wir durch Social Media und Internet jetzt viel mehr mitbekommen und jeder irgendwas posten kann, wenn er denn will.

Wenn ich daran denke wie krampfhaft ein Xhaka von einigen Gladbach Fans nach der ersten Saison nach "Italien getragen werden sollte", weil er nicht sofort einschlug und man 10 Mio hätte bekommen können.
Da konnte ich damals nur mit dem Kopf drüber schütteln und heute kommt da eigentlich nur ein verlegenes Lächeln bei mir raus.

Ein Allan Simonsen z.B., der einer der besten Gladbacher Spieler aller Zeiten ist, spielte die komplette erste Saison am Niederrhein keine Rolle und spielte dann alles in Grund und Boden.
Zur heutigen Zeit währen da wohl die Medien spätestens in der Winterpause mit den ersten Artikeln erschienen, die etwas davon berichtet hätten, dass er sofort gehen müsse weil es nicht passen würde.

Das ist dann auch so eine Sache, die diese Meinungen ziemlich stark lenkt, denn die Medien schauen sich sehr genau die Foren an, schreiben dann Artikel und beobachten wie dieser aufgenommen wird.
Sollte er zumindest etwas mehr den Nerv treffen werden immer weitere Artikel gebracht, um die Story zu unterfüttern und durchgehend daraus ein Thema zu machen.

Von daher muss man halt immer abwegen und schon etwas hinterfragen woher diese Aussagen jetzt kommen und ob diese halbwegs fundiert oder nur "blödes Online Geschreie" sind.

Was ich mich jetzt frage - ist das wie so oft, dass man nur die wahrnimmt, die am lautesten brüllen? Oder ist das inzwischen Mehrheitsmeinung? Ich gehöre zu denen, die glauben, dass sich eine Mannschaft am besten Stück für Stück entwickelt. Dass man versucht, langfristig etwas aufzubauen (natürlich gibt es Rückschläge) und immer ein bisschen besser wird. Und wenn man gerade nur eine Mannschaft für die Plätze 9-12 hat, muss man als nächstes Platz 7-8 anpeilen. Und wenn das nicht klappt, weil die Spieler nicht besser sind, aber alles geben, dann muss man trotzdem zu ihnen stehen und nicht überlegen, wen man sofort verkauft oder rauswirft und wen man dafür holen muss. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich damit nicht als altes Fossil gelte.

Am Ende des Tages hört man immer die am ehesten, die am lautesten Brüllen.
Von daher ja auch meine Aussage da etwas mehr hinter zu schauen und sich die eigene Meinung zu bilden.

Das Aufbauen eines Teams hast du vollkommen richtig drauf.

Wir in Gladbach hatten das Glück, dass wir nach der Relegation eine Wahnsinnssaison spielen und uns sofort für Europa qualifizieren konnten.
Ansonsten hätte das mit dem nach oben arbeiten viel länger gedauert.

Dennoch waren wir in den letzten Jahren nicht recht konstant da oben weil wir mal Glück hatten, sondern weil wir Entscheidungsträger im Verein haben, die uns finanziell(wir können das ausgeben was wir einnehmen) und sportlich(Scouting etc.) Stück für Stück nach oben gebracht und weiter etabliert haben.

Am Ende muss dann halt auch ein recht "ehrlicher" Austausch zwischen Verein und Fans stattfinden, in dem ihnen erklärt wird wieso man nicht einfach mal so unter die Top 4 kommt und warum es auch normal ist, dass es mal Rückschläge gibt oder man sich nicht für Europa qualifziert, bzw. der Weg etwas dauert bevor man dort ankommt.

Danach müssen die Leute dann entscheiden ob sie damit leben können oder nicht. Aber jeder mit etwas Verstand sollte verstehen, dass man nicht einfach mal so zur Spitzenmannschaft wird, vor allem wenn man keine großen Investoren im Hintergrund hat und einfach mal mit dem Geld um sich werfen kann.
 

liberalmente

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Auch die Beurteilung eines Sanches finde ich, angesichts seines Alters und der tatsache, dass der Junge gerade mit 18 in ein völlig fremdes Land zu einem Club einer völlig anderen Dimension gewechselt ist, völlig abstrus.

Das ist aber auch ein Strohmann Argument, finde ich. Also zumindest ich habe noch nicht gelesen, dass Sanches zu schlecht ist und gehen soll etc. Aber man muss gleichzeitig eben sehen, dass er offensichtlich noch nicht so weit ist. Das ist einfach die Realität, da bringt Augen vor verschließen nichts. Solange man das nur feststellt und nicht direkt zu Schlüssen kommt, dass aus Sanches "nie" etwas wird oder dass er ein "Fehleinkauf" ist sollte doch alles in Ordnung sein.

Gleichzeitig ist es auch in der heutigen Zeit so, dass jungen Spieler, die bereits Ansätze zeigen, zumindest von den meisten Fans eine längere Leine zugestanden wird. Als Beispiel sei hier bei den Bayern Coman genannt, bei dem sich kaum jemand gegen das ziehen der Kaufoption ausspricht, obwohl er eine schwache Saison spielt. Warum? Weil er schon Ansätze gezeigt hat und man deswegen optimistisch ist, dass er sich schon noch entwickelt. Beim BVB ist das mit Mor und Pulisic genau das gleiche (Dembele zähle ich nicht mit, weil das, was er gezeigt hat, über Ansätze hinausgehen).

Sanches hat bisher noch keine Ansätze von Topleistung gezeigt. Das macht es natürlich nicht einfacher, ihn einzuschätzen und als Spieler zu schätzen. Aber wie gesagt, ich finde nicht, dass bisher unfair mit ihm umgegangen wird. Keiner verteufelt ihn.



Ansonsten hast du, VvJ Ente, aus meiner Sicht einfach eine höhere Leidensfähigkeit als viele jüngere Fans. Das ist aber nicht wertend gemeint, in die eine oder andere Richtung. Manchmal kann "leiden" auch vermieden werden ohne großen Aufwand. Die jüngeren Fans sind da pragmatischer, sehen, was funktioniert und nicht funktioniert und wollen das nicht funktionierende dann (schnell) ändern. Da bist du dann in manchen Fällen wohl zu konservativ, während in anderen Fällen die "junge Fraktion" zu ungeduldig ist. Wer da wann recht hat würde ich, für mich persönlich, immer vom Einzelfall abhängig machen. Der Mittelweg ist da der Königsweg aus meiner Sicht. Nur wo genau diese Mitte aus Geduld und Ungeduld ist lässt sich eben nicht allgemein sagen, sondern nur im Einzelfall prüfen.
 

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Angenommen ein Fußballfan lag zwanzig Jahre im Koma und wacht dann auf.

Ihm werden die Namen der Kaderspieler verschiedener Erstligisten inkl. Foto und Geburtsort mitgeteilt.

Wird er aus der Kaderzusammenstellung abschätzen können um welchen Verein es sich handelt?

Sicher nicht! Er wird oft nicht einmal das Land raten können aus dem der der Verein stammt. So ziemlich jeder Verein wird von Leuten geführt, die von irgendwoher zusammengekauft wurden. Ich finde dies schade. Ein Spieler, der seit seinem achten Lebensjahr im Verein ist, hat zumeist nicht mehr Kredit bei den eigenen Fans als ein gleich guter aber etwas günstigerer Söldner.

Zurück zur Frage:

Kabine als Drehtür? Ja und dies gilt weltweit im Profisport. Die Fans wünschen es faktisch so. Auch wenn sie sich bei einer Umfrage zumeist anders äussern würden.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ozymandias

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Ich halte auch überhaupt nichts von dieser Daumen hoch, Daumen runter Mentalität im Quartalstakt. Jeder Spieler hat mMn die Chance verdient, sich vernünftig einzuleben (das geht nunmal nicht bei jedem gleich schnell) und überhaupt hat ausnahmslos jeder Spieler volle Unterstützung der Fans verdient, so lange er sich nichts zuschulden kommen lässt (also vereinsschädigendes Verhalten u.ä.). Natürlich gibt es immer mal Fälle, wo es einfach nicht funktioniert, der Spieler doch nicht das Leistungsvermögen hat oder altgediente Spieler einfach nicht mehr das Niveau halten können. Dann muss man sich auch irgendwann trennen. Das geschieht aber nicht innerhalb einer Hinrunde oder wegen eines verpassten Saisonziels.
Thomas Müller ist da ein gutes Beispiel. Der Junge hat sieben (!) Jahre am Stück geliefert, in Verein und NM, unzählige Spiele durch Irrsinnsaktionen entschieden, die nur ihm ein- oder vor die Füße fallen konnten und er ist nach Bastis Abgang das Gesicht des FC Bayern. Nicht nur im Marketing, sondern auch "in echt". Jetzt spielt er eine Kack-Saison, das ist natürlich ärgerlich. Aber ihn deswegen ständig zum Sündenbock zu machen, seine Tauglichkeit an sich in Frage zu stellen oder seinen Transfer zu fordern, halte ich für unfassbaren Unsinn und auch für undankbar (und nein, die Dankbarkeit eines Fans ist nicht mit Millionengehältern abgegolten, das ist etwas völlig anderes). Auch die Beurteilung eines Sanches finde ich, angesichts seines Alters und der tatsache, dass der Junge gerade mit 18 in ein völlig fremdes Land zu einem Club einer völlig anderen Dimension gewechselt ist, völlig abstrus.

Als Bayernfan ist das natürlich schwierig. Der größte deutsche Verein mit dem größten Erfolgsanspruch. Natürlich will ich auch Erfolg, Titel sind schon ne coole Sache. Ich bin aber "am Ende des Tages" :clown: Fan des Vereins FC Bayern, nicht Fan seiner Erfolge. Sicher gehört dazu das "mia san mia" und eine gewisse Ellenbogenmentalität, die es in den "Sphären" nun einmal brauch, von alleine kommen die Erfolge über einen so langen Zeitraum ja nicht. Zur Identität gehören aber auch der Umgang mit verdienten Spielern, mit Langzeitverletzten und Spieler mit hohem Identifikationswert, die einfach für den FC Bayern stehen. Auch da hatte der Verein über Jahrzehnte klare Prinzipien. im Idealfall kommen die aus dem eigenen Stall - oder sie verbringen eben eine sehr lange Zeit im Verein (wie Elber, Robben, Brazzo usw) und werden so zu Gesichtern des Vereins, auch für mich als Fan.
Für mich ist so etwas elementar wichtig, da ticke ich nicht anders als ein Fan des MSV Duisburg oder so. Ich muss das Gefühl haben, dass da "meine Jungs" auf dem Platz stehen: natürlich brauch man immer mal "Söldner", um Ziele zu erreichen, aber wenn dann irgendwann nur noch Saisonkräfte am Werk sind, ist es nicht mehr "mein Team". Für mich als Fan ist so eine Mannschaft schon ein hochsensibles Gebilde - auf mich bezogen, auf meine Gefühle - und Fan sein ist nunmal in allererster Linie eine emotionale Geschichte.
Ich muss gestehen, dass ich schon mit den Abgängen von Schweinsteiger und Badstuber echte Probleme hatte, weil damit Identifikationsfiguren gingen - und es sieht mit neuen Helden nicht so prall aus. Ich sehe da für meinen Verein eine Riesengefahr, die wahrscheinlich in mittlerweile fast allen Vereinen ähnlich ist. Wenn da Douglas Costa und Vidal nach der Niederlage gegen Real bedröppelt vom Platz gehen, macht das mit mir nicht das Gkeicge, als wenn es Basti und Stuber wären. Ist nunmal so. Wenn dann bald Robbery und Lahm weg sind, wird es für mich evtl noch emotionsloser. Natürlich muss jede Legende erst einmal anfangen, aber dass z.B. Coman und Costa mal nach ihrer Karriere Botschafter des FCB werden...ich kann es mir nicht so wirklich vorstellen und vor allem brauchen ja auch neue Spieler "mia san mia" Leitbilder, an denen sie sich orientieren können. Für mich als Fan sind das zur Zeit nicht so einfache Zeiten: egal, ob "wir" jetzt weiterkommen oder nicht, da neigt sich eine Ära dem Ende entgegen...und zwar eher im Steilflug...und ich habe nicht so wirklich den Eindruck, dass die nächsten Jahre wieder so schön werden. Damit meine ich nicht CL-Titel, sondern eben Identifikation. Allein schon deshalb ist Müller für mich unantastbar.

Würde man mich vor die Wahl stellen:
Szenario 1:
- Müller, Alaba, Coman, Sanches und Kimmich verkaufen. Dafür Griezmann, Verratti, Alexis Sanchez, Pogba und Marcelo. Top Qualitätssteigerung, das Geld ist da. Chance auf den CL-Sieg steigt, Marketing auch. Ok, kein einziges Eigengewächs mehr im Kader und keine Perspektivspieler, aber dafür geballte Weltklasse.
Szenario 2:
- wir setzen auf das neue NLZ und machen es uns zur Aufgabe, jedes Jahr mindestens 1-2 Spieler in den Profikader zu integrieren oder zumindest mit klarer Karriereplanung beim FCB zu verleihen. Jedem externen Neuzugang muss klar sein, dass der FCB weder Sprungbrett noch persönliche Verkaufsplattform ist: zuallererst kommt der Club, dann die Mannschaft, dann du. Take it or leave it (wenn ich sowas wie Costas jüngste Aussagen lese, möchte ich am liebsten gleich sagen: dann verp... dich doch). Kann bedeuten, dass man für das allerhöchste Spielerregal nicht merh so attraktiv ist. Kann sogar bedeuten, dass man mal ein paar "nur" Jahre Europa- Top 10 und nicht mehr Top 4 ist. Kann sogar bedeuten (oh Schreck), dass man mal nicht Meister wird, auch ein paar mal mehr.

Ich würde ohne Wimpernzucken die 2 nehmen. Vielleicht liegt diese Sehnsucht nach Identifikation aber auch etwas am Alter: ich bin seit...moment...37 Jahren Bayernfan. Als ich "anfing" war Nürnberg Rekordmeister, der letzte Pokalsieg des FCB war fast zehn Jahre her. Seitdem habe ich fast unzählige Meisterschaften erlebt, Doubles...2 CL-Siege und 5 verlorene Endspiele, sogar dieses UEFA-Cup-Dings mit Sieg und Niederlage. Da kann man gegenüber jüngeren Fans natürlich auch leicht sagen "so wichtig sind mir die Titel nicht mehr". Aber selbst wenn man das wegdenkt glaube ich, dass eine Hinwendung zu mehr Identifikation und damit auch zu mehr Geduld (und Demut) richtig ist. Ich möchte nicht austauschbar sein: als Fan nicht, mein Verein soll es nicht sein und meine Helden da unten auf dem Rasen sollen es auch nicht sein.

Einer der besten Beiträge seit langem:thumb:. Bis auf Badstuber spricht auch mir das aus dem Herzen, auch wenn ich erst seit ca. 20 Jahren Fan bin.
Gerade was Costas Verhalten und ein Müller Verkauf angeht.
 

Mahoney_jr

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Also solange man das Gefühl hat, dass ein Spieler wirklich will und in der Vergangenheit auch schon viel geleistet hat und körperlich noch bei ca 95% ist, dann bin ich auch dafür, dass er bei der Mannschaft bleibt. Ich mag Kontinuität und bin mir sicher, dass sie gutes bewirkt.

Aber es gibt da so eine gewisse Elastizität. Ab einem bestimmten Zeitpunkt geht es nicht mehr. Da gelten Gesetzmäßigkeiten die im Vergleich zu Trainern noch einigermaßen lax sind. Und das ist schon okay. Dafür verdienen die Jungs wirklich genug.

Kuba und Subotic hat dieses Schicksal ereilt und ich kann diese Entscheidungen nachvollziehen. Auf der anderen Seite hat man Bender verlängert, obwohl er bislang nicht gezeigt hat, dass er fit bleiben und ein Top IV sein kann.

Wichtig ist mir, dass dieses Forum nicht überbewertet wird. Manche Poster übertreiben, in beide Richtungen, manche haben auch eine Agenda, aber das ist immer noch das Internet. Hier wird spontan geschriebenes für immer gespeichert.

Take it with a grain of salt
und
die Drehtür für die Trainer hat ca. dreimal so viel Schwung.
 
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