SERIE: SWEET SCIENCE - Ep.1: Was ist intelligente Beinarbeit ?


Povetkin

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Ich wollte irgendwann mal anfangen eine ganze Reihe von boxphilosophischen oder boxtechnischen, boxschulischen oder auch boxwissenschaftlichen Fragen forenmäßig zu diskutieren. Ich habe diesbezüglich womögliuch auch ein Defizit, weil ich selbst bisher noch nicht in einem Verein aktiv war. Dass heißt, wenn manche Fragen anfängerhaft sind, dann bitte ich sie dennoch auch ganz simpel zu beantworten. Das ist vielleicht auch für Leute interessant, die gerade erst anfangen sich dem Sport zu nähern.
Leider gibt es kein würdiges Unterforum für solche Fragen, aber was solls ...

Ähnliche Thesen und Fragen wie ich sie mir wünsche eröffnet häufiger big d.

Seine letzte These warf die Frage auf ob Sporlter aus niederigeren sozialen Schichten schneller die Motivation verlieren, eine andere an die ich mich erinnere drehte sich um Sinn udn Unsinn einer Doppeldeckung, was für mich eigentlich Forenthreads von höchster Beduetung sind. Leider gehen sie wie ich finde doch etwas unter.
_


Jedenfalls hatte ich gerade nen Moment wo ich dachte ich fang einfach mal an.

Was mich seit ich tiefer drin stecke im Boxen angefangen hat zu faszinieren ist eine Qualität, die ja im Boxen nicht sonderlich naheliegend ist, schließlich ist es der Fasutkampf. Doch gerade auf hohem Niveau hab ich das Gefühl bekommen, oft machen die Beine einen gehörigen Unterschied aus.

Und vor allem ist eine starke Beinarbeit stärker bei den Elitefightern verbreitet, hab ich den Eindruck.

Anscheinend spielt sie auch bei den Amateuren nicht die ganz große Rolle, man siehe Povetkin, der jetzt noch irgendwelche Basissachen lernen will, was das angeht.

Aber ich finde es ist auch wirklich schwer eine gute Beinarbeit zu erkennen.

Mit dem ersten Gedanken darüber würde man meinen, ist doch ganz einfach: Wenn ich angegriffen werde, dann beweg ich mich am besten schnell weg, wenn ich angreifen will, bewege ich mich so schnell es geht zum Gegner hin.

Aber die Kruks ist ja, so wie ich meine festgestellt zu haben, dass es schwierig ist sich im Ring auf den Gegner zu fokussieren um den richtigen Moment für einen Angriff zu suchen und gleichzeitig intelligente gute Beinarbeit zu "verkoordinieren".

Das äußert sich dann darin, dass mindestens 90% aller Boxer, wie ich meine, wenn sie gegen Pressurefighter kämpfen irgendwann ihre Wege abgeshcnitten bekommen und dann wie es einem Dirrell oft passiert, sie in den Ecken oder an den Seilen landen. Jener Dirrell springt dann gern so schnell es geht aus der Ecke um sich zu befreien - intelligent ist anders denke ich.
Gegen Pressurefighter sind noch so schnelle und technisch starke Leute zeitweise nicht mehr Herr der Lage.
Man siehe zum Beispiel Yusaf Mack gegen Glen Johnson.

Aber wie gesagt ich finde es persönlich auch schwer diese wichtigen Schrittfolgen zu erkennen.


In welchen Situationen soll ich mich nach hinten bewegen ?

... in Welchen zur Seite ?


wann besser nach links, wann besser nach rechts ?

... was ist mit direkten Richtungswechseln ?


Ist es überhaupt klug starr stehen zu bleiben, eye to eye mit dem Gegner ?



Gibt es da irgendwelche Basislehrbuchregeln ?


Und woran erkenne ich, dass ein Boxer eine intelligente Beinarbeit umsetzt ?

... und nicht nur viel läuft



btw ... vielleicht kristallisiert sich im weiteren Verlauf der Diskussion eine interessante Frage heraus. Diese kann ich dann als Umfrage noch im Nachhinein anhängen.
 

Kut

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Interessante Gedanken, allerdings solltest du dein Posting etwas bearbeiten, imo.

Was effektive Beinarbeit angeht, so wirst du bestimmt von Boxern verschiedene Sachen hören. Es ist ja immer stileabhängig. Imo sind einige ältere Herren der Geschichte sehr gute Bsp. für gute Beinarbeit. Der wichtigste Punkt ist eigentlich die Balance und die Koordination zu bewahren und je nach Situation zu entscheiden was man tut. Je nach Stile sieht es immer anders aus. Siehe Toney, der mehr mit dem Oberkörper pendelt und die Fusstellung "beachtet" (er hat ja seinen Stile mehr verinnerlicht) oder halt Mover, die sich dauernt bewegen.

Ich finde Durans Beinarbeit bilderbuchhaft, da er selten, bzw. fast nie außer Balance geraten ist, sehr wenig Energie verschenkt, genug Kraft hinter die Schläge legen konnte und trotzdem sich im Bedarfsfall wegducken konnte. Vorallem war seine Beinarbeit im Vorwärtsgang genauso effektiv wie rückwärts. Die alten Fights aus den 70ern sind toller Anschaungsunterricht.

BHop ist für die heutige Zeit zu nennen, ebenso wie Ward. Die sind defensiv sehr gut eingestellt und wissen den Ring zu nutzen (und den Kopf:D). Bei BHop ermöglicht es ihm alleine seine Beinarbeit kaum getroffen zu werden und außerdem ist er gegen Rechtsausleger immer im Vorteil.

Ich habe sehr wenig von Ezzard Charles gesehen, aber er hat mit sehr subtilen Methoden durchs einsetzen von geschickter Beinarbeit, sehr viel Power hinter Konter gelegt und konnte somit viele, auch größere Boxer, ausboxen. Minimale Bewegungen sind bei ihm, wie auch Duran, wichtiger als große und spektakuläre Schritte/Bewegungen (siehe Ali, dessen Beinarbeit superb, aber auch kraftraubend für den einen oder anderen ist).

Meldrick Taylor hatte auch eine geniale Beinarbeit, allerdings nur Offensiv. Bei einem Mayweather unter 147lbs kann man auch vieles lernen, allerdings lebte er nicht so sehr nur von seiner Beinarbeit, sondern von einer Kombination aus vielen Dingen.



Was eigentlich deine Fragen konkret angeht, ist eigentlich von der Situation abhänig. Sowas geschieht instinktiv bei guten Boxern, wie bei denjenigen
die ich aufgezählt habe. Dafür braucht es einerseits Erfahrung und andererseits Instinkt. Kommt ein Jab geflogen, hat man zig Möglichkeiten (abducken, auf die Deckung abprallen, parieren, wegpendeln, zur Seite gehen usw.). Da gibt es genau so viel Variation, wie in der Offensive und man macht nicht immer dasselbe.
 

Big d

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guter thread. beinarbeit ist mit sicherheit nach der schlagpräzision der zweitwichtigte faktor im boxen.

Die beinarbeit ist dazu da um den boxer in reichweite zum treffen zu bringen und auch aus der reichweite des gegners zu bringen.

als erster punkt ist auf jeden fall das kennen der distanz wichtig. man muss wissen wie nah man ran muss um zu treffen und wie weit weg um nicht getroffen zu werden.

Dann geht es darum sich möglichst schnell und präzise zu diesen punkten zu bewegen. die schritte sind immer seitstellschritte, das heißt man bewegt ein bein hin und zieht das andere nach. die schritte sollten kurz, flach und aus den fußgelenken kommen. wichtig ist, dass man nicht hoppst (vertikale verlagerung des schwerpunkts).

außerdem sollte man immer spannung in den beinen haben. man drückt sich vom hinteren ballen ab und stoppt die bewegung mit dem ballen des forderen fußes, so das man sich von diesem wenn nötig reflexartig in ne andere richtung abdrücken kann. die beinarbeit ist also kurz und scharf und nicht durch den ring "fließend"

Eines der häufigsten probleme ist das "lunging". das passiert wenn der oberkörper und kopf sich beim nach vorne gehen nach vorne verlagert, oft versucht man so fehlende distanz durch lehnen herauszuholen. dabei ist man off balance und offen für konter.
wichtig ist, dass der oberkörper aufrecht bleibt und der kopf und die hüfte sich immer exakt gleich viel bewegen, der kopf bleibt also hinten und der oberkörper verschiebt sich parallel. dadurch hat man ne viel bessere balance.

"lunging" konnte man gut im arreola vitali kampf sehen. arreola machte viel druck, aber er lehnte sich immer wieder rein um vitali zu treffen weil er nicht mit den beinen hinterher kam. das nutze vitali gut aus.

Es ist wie gesagt wichtig, dass man in balance landet (kopf über der hüfte). tut man das kann man sofort mit dem vorderen fußkontakt schlagen, sonst gibt es ne verzögerung da der körper erst wieder die balance herstellen muss.

Hier ist ein sparring zwischen 2 ungeschlagenen britischen prospects. da kann man gut den unterschied zwischen ner effektiven beinarbeit und einer "amateurhaften"(damit meinte ich nicht amateurboxen denn die sind ja eliteathleten sondern laien und hobbyleute) beinarbeit. einer der fighter schafft es nie in balance zu landen und landet so keinen treffen.

http://www.youtube.com/watch?v=wSEuUOjpdYc

Das sind auf jeden fall mal die wichtigsten punkte.

Danach kommen halt die feinheiten, die nicht ganz so essentiell sind:
-laterale bewegung
-sidestep rausdrehen
und andere fortgeschrittene moves

das wichtigste ist aber auf jeden fall die balance und das der kopf zentriert über der hüfte ist, sowie das man spannung in den beinen hat und sich über die ballen abstößt und abbremst.

auch wichtig ist, dass man kurze explosive schritte macht. wenn man dann die distanz kennt kann man sparsam sein und muss sich immer nur wenig rein und raus bewegen und muss nicht "rennen"
 
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Povetkin

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schonmal ein paar super Beiträge, grandios big D. :thumb:
Meine Reaktion verlangt aber etwas mehr Zeit als die die ich jetzt habe

Werde versuchen das Thema ein bisschen zu moderieren, mal sehen wie es klappt :)
 

Tim B.

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Nicht umsonst besagt das alte Boxen-Stein-Schere-Papier, daß der Pressure Fighter den Boxer besiegt. Auf lange Sicht funktioniert das bei den Profis nicht, sich über die Beinarbeit zu retten, wenn das Talent ungefähr gleich verteilt ist und man keine eklatanten Reichweitenvorteile hat.

Beinarbeit ist einmal die Technik, wie man steht und geht, und zum anderen die Taktik, wo man steht und geht. Bei der Technik gibt's so ein paar Grundweisheiten, wie von big D angeführt, aber eigentlich geht's da vor allem darum schnell zu sein. Pacquiao, Jones Jr., Hamed machen so ziemlich alles falsch, aber es funktioniert(e). Die Technik lässt sich im Amateurbereich auch schwer beibringen, weil viele Boxer zu alt zum Boxen kommen und schon ihre Bewegungsabläufe drin haben. Da müsste man soviel Zeit mit Neuaufbau verbringen, die laufen einem vor langer Weile weg.

Taktik dagegen kann man schön trainieren.
Eines der schlechtesten (berühmten) Beispiele wäre für mich die Beinarbeit von Cotto im Margarito-Kampf. Der geht von der ersten Runde an den kompletten Kampf, 11 Runden lang, auf einem gedachten Quadrat zwischen den Mittelpunkten der Ringseile, von Seil zu Seil. Deswegen verbringt er auch fast 100% des Kampfes am Seil und gibt Margarito jede Chance drauflos zu feuern. Cotto hat nicht ein einziges Mal versucht zurück zur Ringmitte zu zirkeln, was so ziemlich Lesson No.1 ist. Margo hingegen schneidet ihm permanent schön den Ring ab, legt nur die Hälfte an Weg zurück und beherrscht die Ringmitte.

Die taktischste Beinarbeit hat wohl B-Hop. Der hat ja eine Wissenschaft draus gemacht so zu stehen und sich so zu bewegen, daß der Gegner keinen Kampf zustande bekommt. Gut, er selbst bekommt so meistens auch keinen Kampf zustande.
 

Povetkin

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großen Dank auch dir Tim B., hast sehr viele greifbare und konkrete Sachen geschrieben :thumb:

nicht enttäuscht sein wenns hier noch nicht weitergeht, mach im Moemnt lieber Sachen die nicht so lang dauern.

Ich für meinen Teil hab jetzt schon was gelernt, aber ich gehe noch auf Einzelheiten von euch ein :)
 
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