Aus dem Kicker von heute:
kicker: Sie stehen als "Rambo" in den Schlagzeilen, viele, die Sie näher kennen, schildern Sie als umgänglichen Typen. Was für ein Charakter sind Sie wirklich, Alpay?
Alpay: Ich würde von mir sagen, dass ich ein guter Mensch und ein guter Familienvater bin. Aber es gibt einen Unterschied zwischen meinem privaten Charakter und dem auf dem Fußballplatz. Dort bin ich oft gestresst, wütend und aggressiv.
kicker: Warum?
Alpay: Ganz einfach: Ich kann nicht verlieren. Eine Niederlage macht mich rasend.
kicker: Schlecht für einen Profi - die Niederlage gehört zum Spiel.
Alpay: Das ist mir klar. Ich führe immer einen inneren Kampf mit mir, meine Emotionen im Zaum zu halten. Wenn es zum Ausbruch kommt, ist das eine persönliche Niederlage für mich, weil ich dann meiner Mannschaft geschadet habe.
kicker: Hat Ihnen das Erlebnis der EM 1996 einen Knacks versetzt: Sie verzichteten auf eine Notbremse, bekamen den Fairness-Preis - und wurden von Medien und Nationaltrainer verbal zerrissen.
Alpay: Über diesen Preis freue ich mich bis heute nicht. Kann sein, dass ich seitdem noch extremer bin: Die Mannschaft muss gewinnen, egal wie. Diese Maxime hat mir viel Negatives eingebracht.
kicker: Haben Sie schon mal überlegt, mit einem Psychologen daran zu arbeiten?
Alpay: Nein. Ich kann mir nur selbst helfen.
kicker: Haben Sie da wirklich noch Hoffnung? Immerhin sind Sie schon 32.
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"Ich spüre, dass ich an einem Wendepunkt angekommen bin"
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Alpay: Auch in diesem Alter kann ich noch dazulernen. Sportlich wie charakterlich. Ich bin sogar absolut sicher, dass der Ellbogenschlag in Hamburg das letzte Vorkommnis dieser Art war. Ich spüre, dass ich an einem Wendepunkt angekommen bin.
kicker: Klingt schön. Aber warum ausgerechnet jetzt?
Alpay: Weil ich merke, dass ich mich selbst seelisch zu Grunde richte, wenn es so weiter geht. Gerade meiner Familie kann ich das nicht länger antun. Seit dem Länderspiel gegen die Schweiz macht sie gemeinsam mit mir eine sehr, sehr schwere Zeit durch.
kicker: Eben deshalb fragt sich jeder: Wie konnten Sie sich in Hamburg noch mal so gehen lassen?
Alpay: Die Frage ist berechtigt. Ich habe mich von Demel einfach wieder provozieren lassen. Vier Spiele Sperre sind absolut okay. Aber ich lege Wert auf die Feststellung: Ich wollte ihn nicht verletzen - sonst hätte ich das getan. Entschuldigen möchte ich mich vor allem bei HSV-Trainer Doll, der sehr fair war und mir vor dem Spiel noch viel Glück gewünscht hat.
kicker: Mit Provokationen werden Sie weiterhin rechnen müssen.
Alpay: Ich weiß, dass es künftig jeder Gegner probieren wird, dass jede Kamera auf mich gerichtet ist und jeder Schiedsrichter ganz genau hinschaut. Aber es wird definitiv nicht mehr passieren - weil ich es dem Präsidenten versprochen habe.
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"Herr Overath gibt mir die Kraft, weiter für den FC zu spielen"
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kicker: Wolfgang Overath?
Alpay: Ja. Herr Overath gibt mir die Kraft, weiter für den FC zu spielen. Ich habe noch nie in meiner Karriere von jemandem so viel Unterstützung bekommen wie von Herrn Overath. Bei ihm spüre ich totales Vertrauen.
kicker: Am Wochenende rechneten viele schon mit Ihrem Rauswurf beim FC. Stimmen Sie zu, dass diese Konsequenz Sie treffen muss, wenn Sie Ihr Versprechen nicht halten?
Alpay: Sollte es so weit kommen, würde ich von selbst gehen. Wenn ich mein Versprechen gegenüber Herrn Overath brechen würde, wäre ich niemals so charakterlos, noch hier bleiben zu wollen.
kicker: Ihr Verhältnis zu Trainer Rapolder scheint dagegen von Anfang belastet. Er deutete auch gleich nach dem Spiel Ihren Rauswurf an.
Alpay: Ich habe in Köln mit niemandem ein Problem, auch mit dem Trainer nicht. Wenn er eines mit mir hat, interessiert mich das nicht. Egal ob mich der Trainer mag oder nicht: Ich gebe mein Bestes, für den Klub.
kicker: Mit Ihrer Auswechslung in Hamburg schienen Sie nicht einverstanden.
Alpay: Das stimmt. Aber der Trainer hat mir dann erklärt, er wolle mich fürs Duisburg-Spiel schonen.
kicker: Er hat Sie nicht wegen des Ellbogenschlags rausgenommen?
Alpay: Nein. Davon hatte er zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts mitbekommen.
kicker: In Duisburg waren Sie mit Fan-Schal unter den Zuschauern.
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"Viele Fans kamen zu mir, um mir die Hand zu schütteln"
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Alpay: Eine tolle Erfahrung. Viele Fans kamen zu mir, um mir die Hand zu schütteln. Auch das gibt mir Kraft. Ich bin mit den Fans gehüpft und habe genauso auf Matthias Scherz geschimpft wie sie, als er die Riesenchance vergeben hatte. Als es dann zum Handgemenge kam, haben die Fans gesungen: Wir woll'n den Alpay sehen ...
kicker: Was wäre passiert, wenn Sie auf dem Platz gewesen wären?
Alpay: Die Teamkollegen haben auch schon geflachst. Aber ich schwöre: Ich wäre weggerannt, bis zur Eckfahne.
kicker: Was ist dran an den Gerüchten, Sie wollten im Winter wieder nach England?
Alpay: Ich habe zwei Anfragen von da und seit letztem Wochenende übrigens auch zwei aus Deutschland. Nach den ganzen Vorkommnissen hier hätte ich Interesse an England. Aber ich werde die Mannschaft, die Fans und Herrn Overath nicht im Stich lassen. Zudem gefällt es in Köln meiner Frau sehr gut, auch meinem achtjährigen Sohn, der beim FC spielt und meiner fünfjährigen Tochter.
kicker: Ist Ihr Image in England nach der Auseinandersetzung mit Beckham 2003 nicht sowieso noch viel schlimmer als hier?
Alpay: Nein. In England ging der Trubel eine Woche, dann war alles wieder okay. Bei der Berichterstattung in Deutschland bekomme ich die Sorge: Was ist, wenn irgendein Gestörter meine Familie attackiert?
kicker: Kriegen Ihre Kinder mit, welche Rolle der Vater in der Öffentlichkeit spielt?
Alpay: Sie sehen die Fotos in Zeitung und Internet und fragen, was los ist. Würde ich ihnen alles erklären, könnten sie es nicht verstehen.