Charles L. "Sonny" Liston - A Man


Young Kaelin

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Im Zuge der Diskussion um die Frage, ob Liston absichtlich gegen Clay/ Ali verloren hat, habe ich mich nochmals gründlich in die Vita des Charles L. Liston eingelesen und das Internet durchforstet, das Buch von Nick Tosches, "Der Teufel und Sonny Liston", hervor gekramt.

Von der Flut der Informationen, Fakten, Vermutungen im Netz war ich positiv überrascht. Bin also dabei, das äusserst umfangreiche Material zu sichten (welches täglich mehr wird) und so weit ich das kann, allenfalls zu überprüfen.

Allerdings ist mir schon jetzt klar, dass ich mich dem Menschen Charles L. "Sonny" Liston wohl nur annähern werde können. Vieles an der Vita Listons ist umstritten, wird wohl im Dunkel bleiben müssen.

Dennoch ist mir die Recherche ein Genuss und echter Spass. Bin selber gespannt, was da noch alles herauskommt.

Dieser Thread soll Sonny gehören. Seine guten, schlechten, umstrittenen, widersprüchlichen, bewundernswerten, ekelhaften, brutalen Seiten sollen hier zur Sprache kommen. Kurz: es soll ein möglichst vielschichtiger Thread über Sonny entstehen.

Von mir aus kann man schon jetzt über Sonny hier diskutieren. Hoffe, der Thread wird dem Einen oder Anderen Spass machen und interessant sein.
 
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Charles L. "Sonny" Liston - A Man

Inhaltsverzeichnis:

A) Einführung

1. Ahnengeschichte
2. Familie
3. Kindheit nordwestlich von Forrest City, Arkansas und Jugend in St. Louis, Missouri
4. Die Straftaten des Charles L. "Sonny" Liston und der Kontext dazu, Gefängnisaufenthalte
5. Der Mob und Sonny Liston
6. Inwiefern spielt der Rassismus eine Rolle im Leben von Charles L. "Sonny" Liston?
7. Die Amateurkämpfe
8. Die (wichtigen) Profikämpfe
9. Das Leben Charles L. "Sonny" Listons nach den Cassius Clay/Muhammad Ali Fights
10. Listons Tod und die Begleitumstände
11. Charles L. "Sonny" Listons Privatleben
12. Allerlei Wissenswertes über Charles L. "Sonny" Liston

B) Ausklang


A) Einführung


Nach dem Download diversester Bücher, Filme, Clips, Fotos, Essays über Sonny Liston stehe ich vor einer Unmenge an Informationen. Es wird nicht leicht werden, ein Bild vom umstrittenen Boxer zu zeichnen, welches für mich stimmt. Dies liegt vor allem daran, dass ich doch sehr darauf angewiesen bin, was Liston, Angehörige Listons, Biographen und Zeitzeugen von sich gegeben haben und ob das alles auch adäquat aufgezeichnet wurde, ob das Recherchierte auch tatsächlich stimmt. Die Ueberprüfung gestaltet sich nicht selten enorm schwierig, wird zu detektivischer Arbeit und verlangt viel Geduld.

Mein Artikel wird nur eine Annäherung an den Menschen sein können. Nur schon die Feststellung der Anzahl der Geschwister Sonnys, die Frage seines evtl. Geburtstages war enorm aufwendig und zeitintensiv. Das Netz, seltener auch die Bücher, sind nicht immer frei von offensichtlichen Fehlern.

Auch meine Arbeit über Sonny wird nicht frei von Fehlern sein. Mein Anspruch wird es sein müssen, die Anzahl so gering wie möglich zu halten.
Zudem werde ich nicht drum herumkommen, krass zu kürzen, zusammenzufassen.

Trotzdem hoffe ich, vielleicht dem Einen oder Anderen den Menschen Charles L. (eo) Liston etwas näher zu bringen.

Der Artikel wird wohl writing by reading entstehen, weshalb die endgültige Fassung der jeweiligen Kapitel erst ganz am Schluss feststeht.

Viel Spass beim Lesen.

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Das Buch Sonny Liston, The Champ Nobody Wanted von A. S. "Doc" Young, stammt vom 13.2.1963 und ist wohl die erste Biographie über Sonny. Das Besondere daran ist, dass der Autor persönlich mit Sonnys Mutter Helen sprach und er so Informationen aus erster Hand verwendet. Der Dank geht hier an die Universität von Kalifonien, welche das Buch offenbar dem Netz zur Verfügung stellte.

1. Ahnengeschichte

Die Vorfahren Sonny Listons, väterlicherseits




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Im Familiennamen Liston vereinen sich englische, schottische und irische Blutlinien. Der Name Liston stammt ursprünglich von den Normannen.

Für unsere Biographie beginnen wir mit Martin Liston, einem Farmer, der im Dezember 1798 in Virginia geboren wurde. Nachdem er nach Georgia übersiedelte, heiratete er Caroline Elmira Tranum, welche im Jahr 1813 zur Welt kam. Von Georgia zogen die Listons weiter nach Mississippi. Einer der Söhne hiess Robert C. Liston und wurde 1834 geboren. 1840 überstieg in Mississippi die Zahl der Sklaven diejenige der weissen Bevölkerung.

Sonny Listons Grossvater, Alexander Liston, der von allen nur "Alex" genannt wurde, wurde im Oktober 1840 als Sklave auf Martin Listons Farm geboren. Sonnys Grossmutter, Fannie Hearon, kam 1838 ebenfalls als Sklavin zur Welt. Alexander und Fannie heirateten im Jahr 1866. Sowohl Alexander als auch Fannie waren Analphabeten.

MIt dem 13. Zusatzartikel zur Verfassung vom 18.12.1865 änderte sich der Status der Sklaven in den USA: sie wurden frei.

Martin Liston starb im Frühjahr 1869.

Ein eigener Name galt als Luxus und es war üblich, dass die befreiten Sklaven den Familiennamen ihrer Sklavenhalter annahmen. So geschah das auch mit Alexander Liston. Grundsätzlich hätte Alexander Liston wegziehen dürfen, aber er zog es vor, angrenzend zu einem Grundstück Robert C. Listons, dem Sohn seines einstigen Sklavenhalters, auf einem Grundstück von 40 ha zu leben und Besitzer dieses Landes zu sein.

Aus der Ehe von Alexander und Fannie entsprang unter anderem auch Sonnys Vater Tobe (auch Tobin genannt), der gemäss dem Census von 1910 im Januar 1870 geboren wurde (der Einblender 1872 in der Grafik ist falsch, aber es ging mir mehr darum den Stammbaum von Sonny väterlicherseits zu zeigen). Sonny Listons Vater, Tobe Liston, starb am 22.11.1947 im Spital von Forrest City, Arkansas. Er wurde 77 Jahre alt.




Die beiden Ehefrauen von Sonnys Vater, Tobe:


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Tobe Liston wurde wie gesagt im Januar 1870 geboren. Seine erste Frau war Cornelia, auch Cora genannt (gemäss Biograph Tosches hiess sie Leona und wäre auch als Cora bekannt gewesen). Diese Cornelia soll auch mit Oprah Winfrey verwandt sein, wenngleich Oprah selber ausführte, dass die verwandtschaftlichen Wurzeln ausschliesslich biologischer Natur seien und sie keine Verbindung zu der Familie dort habe. Tobe und Cora heirateten im Jahr 1889. Tobe war also bei der Heiratsschliessung 19 Jahre alt, Cora 16. Es gilt als unklar, wie die Heirat endete: ob Cora starb oder man sich trennte. Jedenfalls konnte ich bis dato keine Quelle finden. Immerhin wird im Census noch 1913 eine gemeinsame Tochter (Willie May) aufgeführt.

Tobes zweite Frau Helen, Sonnys Mutter, wurde im Februar 1898 geboren. Sie hatte eine Beziehung mit Colonel Ward. Aus der Liaison ging der Junge Ezra Baskin Ward hervor, der am 6.8.1915 geboren wurde. Im Census von 1910 wird dieser Colonel Ward als mit einer 17-jährigen "Mattie" verheiratet aufgeführt. Es ist unklar, ob Colonel Ward noch verheiratet war, als Helen Mutter von Ezra wurde. Jedenfalls lebte dieser Colonel Ward nie wirklich mit Helen zusammen und Ezra soll ausgeführt haben, dass Colonel Ward nicht lange danach von einer Lady vergiftet worden sei und starb.

Kurz nach Ezras Geburt wurde Helen gemäss Biograph Nick Tosches die zweite Frau von Tobe Liston. Helens Mutter, Martha, soll sich dezidiert gegen eine Heirat Helens mit Tobe ausgesprochen und Helen beschworen haben, frei und ungebunden zu bleiben, aber Helen schenkte ihr kein Gehör.

Die Beziehung von Tobe und Helen ist auch´darum ungewöhnlich, weil Tobe immerhin satte 28 Jahre älter war als Helen. Im Jahr 1916, als eine Insektenseuche die Baumwollplantagen Mississippis heimsuchte und Tobe zusammen mit Helen und einer bunt zusammengewürfelten Familienschar von Mississippi nach Arkansas zog, war Tobe 46 und Helen gerade mal 18 Jahre alt.


Die Vorfahren Sonny Listons, mütterlicherseits

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Die Grosseltern von Helen, Ned und Helen Baskin, wurden gemäss dem Biographen Nick Tosches tatsächlich beide 1842 in der Nähe der Liston-Farm als Sklaven geboren. Als das Paar 16 Jahre alt war, wurde ihr erstes Kind, Willis, im Jahr 1858 geboren. 2 Jahre später, also 1860, Martha, die Mutter von Tobes 2. Frau Helen. (man beachte die Differenz des Geburtsjahres Marthas im Stammbaum (1877) und dem in Tosches Buch genanntem Geburtsjahr 1860. Helen wurde gemäss dem Buch von Bob Mee im Februar des Jahres 1898 geboren (Tosches nennt das Jahr 1897). Mee führt aus, dass Martha im folgenden Jahr Joe McKelpin geheiratet hat, dass es aber unklar ist, ob er tatsächlich Helens Vater war. Jedenfalls hätte das Paar in der Nähe der Listons in Popular Creek gelebt, wären als "Kelpa" registriert worden. Bald wurden Martha und Joe Eltern einer weiteren Tochter, Ida. Beide seien Analphabeten gewesen und hätten wie die Listons auch von der Landwirtschaft gelebt. Die Ehe von Martha und Joe McKelpin dauerte nicht lange und Joe verliess Martha, als die zwei Töchter noch klein waren. Martha wiederum heiratete Jahre später einen 18 Jahre älteren Farmer aus North Carolina, dem sie 1917 noch eine Tochter, Lesla schenken sollte.

2. Familie

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Die verschiedenen Bücher, Internetquellen, Belege aus Archiven, zeigen nicht selten unterschiedliche Kinderzahlen, sowohl was die Gesamtzahl der Kinder von Sonnys Vater, Tobe Liston, anbelangt, als auch die Anzahl der Kinder, welche er jeweils mit Cornelia und Helen hatte. Selbst Helen (die Mutter Sonnys) nannte Kinderzahlen, die nicht mit jenen des Census übereinstimmen. Auch Sonny nannte andere Zahlen, als der Census hergab, allerdings stimmten seine Zahlen auch nicht mit jenen seiner Mutter überein.

Die Gesamtzahl von Tobe Listons Kinder wird vereinzelt unterschiedlich genannt, aber meistens liest man das bemerkenswerte Total von 25 Kindern. Meiner Meinung nach ist diese Zahl aber wohl falsch. Es müsste imo heissen: 24 Kinder. Die Differenz erklärt sich aus der Tatsache, dass der Sohn E. B. Ward von seiner zweiten Frau, Helen, in die Ehe gebracht wurde. E.B. Ward ist der Sohn eines Colonel Ward. (Colonel war sein Vorname und hat nichts mit einem Offiziersrang zu tun).

Mit seiner ersten Frau Cornelia (Cora) Winfrey hatte Tobe 15 Kinder:

6 Kinder starben vor dem Census 1910. Dort werden noch folgende Kinder aufgeführt:
Ernest (Nov. 1889), Bessie (Jan. 1891), Latt (Okt. 1894) William (Okt. 1895), Jane (welche in einem späteren Cenus zu James wird) (Dez. 1897), eine Tochter, deren Name unleserlich ist (1901), Cleora (1905), im Census von 1920 kommen noch Ada (1910) und Willie May (1913) hinzu.

die zweite Frau Helen (Sonnys Mutter) brachte wie gesagt Sohn E.B. Ward in die Beziehung.

von ihr hatte Tobe folgende gemeinsame Kinder:

Clara T. (1919), Glitt, aka Clytee (1920), J.T. (16.8.1921), Leo (1923), Annie (1924), Alcora (Nov. 1927), Curtis (15.10.1929) sowie Charles ca. 1930/1931 und Wesley ca. 1938.

Ueber das genaue Geburtsdatum von Charles L. "Sonny" Liston kann man imo nichts sagen. Allerdings sind viele Bücher über Sonny zu einem Zeitpunkt erschienen (sicher all jene vor 2010), wo man die Daten aus dem Census von 1940 noch nicht kennen konnte.

In diesem Census von 1940 ist Sonny als 10 jährig aufgeführt. Man geht mit Sicherheit davon aus, dass Sonny nach Curtis und vor Wesley geboren wurde. Curtis wurde schon im 1930er Census erwähnt. Sein Geburtsdatum gilt als bekannt und es lautet gemäss dem Buch von Bob Mee auf den 29.10.1929. Das heisst, das Sonny höchstwahrscheinlich zwischen August 1930 bis Mitte 1931 geboren sein muss. Sein Bruder Wesley wohl so um 1938.

Im Internet gibts einen Mann, der sich Lynel Gardner nennt. Er sagt, er sei ein Enkel von Sonny. Nun, inzwischen ist auch erklärt, wie er seinen Status als Enkel sieht: Gemäss Lynel war Geraldine schon vor der Ehe mit Sonny mit einem Bill Gardner verheiratet. Er sagt, dass aus dieser Ehe 3 Kinder hervorgegangen seien: Arletha , Charles und Robert Gardner. Lynel sagt, er sei der Sohn dieses Robert "Bobby" Gardner. Es war bekannt, dass Geraldine vor der Ehe mit Sonny eine Beziehung hatte, aus welcher eine Tochter (Arletha) hervorging. Dass sie verheiratet war und gar 3 Kinder hatte, war mir bis dato unbekannt. Ich muss diese Angaben von Lynel Gardner aber noch verifizieren.

Von ihm habe ich auch die "Geburtsurkunde" ab dem Video kopiert. Das Geburtsdatum dort lautet auf den 8. Mai 1932. Lynel führt auch aus, dass Sonny im Spital "St. Francis" geboren sei. Sonny selber hat durchaus auch den 8. Mai 1932 als sein Geburtsdatum genannt, allerdings haben sowohl er, als auch seine Mutter diverseste Geburtsdaten erwähnt.

Gegen die Theorie der Geburt Sonnys in einem Spital spricht, dass Sonnys Mutter Helen im Buch von A.S. "Doc" Young auf Seite 32 eine Hausgeburt mit Hebamme erwähnt. Sie nennt dort als Geburtsdatum den 18.1.1932, jedenfalls den Januar, denn "es sei im Januar kalt gewesen".

Gemäss dem Census 1940 kann das Geburtsjahr allerdings nicht das Jahr 1932 gewesen sein, sodass wir wohl weiter im Dunkeln tappen. Von den Zahlen her müsste das wahrscheinlichste Geburtsdatum wohl Spätherbst/Ende 1930 sein. Aber wie gesagt: grundsätzlich konnte ich dieses Rätsel leider nicht lösen.

Wie klein die Welt manchmal sein kann, zeigt sich aus folgenden 2 interessanten Fakten:

1) Die erste Frau Tobe Listons, Cornelia Winfrey, ist mit der ziemlich bekannten US-amerikanischen Talkmasterin Oprah Winfrey verwandt.

2) Der Halbbruder Sonnys, E.B. Ward, war mit der Mutter des berühmten Blues-Musikers B.B. King, Nora Ellen King, zusammen. E.B. Ward, der selber auch Bluesmusiker war, ist wohl jener Mann, für welchen die Mutter B.B. Kings ihren Mann verliess. (Die Timeline ist in diesem Artikel imo nicht präzis, aber es geht mir hier eher um die Bestätigung, dass der Mann, der mit B.B.Kings Mutter durchbrach, wohl tatsächlich E. B. Ward war ((Baskin war der ledige Name von Helen, "Elger" hiess aber wohl eigentlich Ezra)). Hier heissts unter anderem: Liston était aussi son oncle, du côté de sa mère, du célèbre guitariste de blues BB king (übersetzt: Liston war auch, von der Mutters Seite her, der Onkel des bekannten Bluesgitarristen BB King.)

Dieser Artikel scheint mir von der Timeline her deutlich präziser als jene des Pbs-Artikels zu sein. Eine Zeitlang soll B.B. King noch abwechselnd von der Grossmutter und Nora Ellen King behütet worden sein. Das Geburtsdatum der Mutter B.B.Kings wird mal mit 1908, mal mit 1910 angegeben. Geht man nach dem Census, müsste sie 1908 geboren worden sein. Das macht auch insofern mehr Sinn, als B.B. King im Jahr 1925 geboren wurde. In jedem Fall bekam die Mutter B.B. King sehr jung, verliess B.B. Kings Vater als B.B. bloss ca. 4 Jahre alt war und starb leider schon im Jahr 1935.

Sonny Liston war ja bekanntlich um die 1.85 m gross. Ueber die Grösse von Sonnys Eltern, Tobe und Helen, gibts auch Diskrepanzen. Hier steht uns aber glücklicherweise die Quelle von A.S. Doc Young zur Verfügung, der persönlich mit Helen gesprochen hat.

Die Grösse von Tobe gab sie Young gegenüber mit 5 ft 5 an (ca. 1.65 m) an. Sie selber sei 5 ft 1 gross (ca. 1.55 m) Biograph Nick Tosches, lässt auf Seite 34 seiner Liston Biographie, "der Teufel und Sonny Liston", George Morledge jr. sagen, dass Tobe ca. 75 kg gewogen habe, bei gefühlten 1,67 m bis 1.70 m. Dies könnte also in etwa hinkommen. Völlig andere Zahlen packt er für Helen aus: die hätte zwar nur ca. 67 kg gewogen, sei aber ca. 1.80 m gross gewesen und wäre "Big Hela" gerufen worden.

Nun, vermutlich wusste Helen selber schon in etwa, wie gross sie war und anhand des Bildes mit Sohn Sonny würde ich jetzt eher dazu tendieren, ihr die 1.55 m zu glauben.


3. Kindheit nordwestlich von Forrest City, Arkansas und Jugend in St. Louis, Missouri

Die Familie Sonny Listons lebte in äusserst bescheidenen Verhältnissen. Tobe Liston war ein kleiner Farmpächter. Das Land gehörte einem schwarzen Landmakler namens Pat Heron. Angebaut wurde hauptsächlich Baumwolle, aber auch Erdnüsse, Mais, Sorghumhirse und Süsskartoffeln. Der Deal mit dem Verpächter Heron war so, dass dieser 75 % der Ernte erhielt. Das Haus der Listons war eine baufällige, völlig überfüllte Hütte, in der es im Winter kalt und im Sommer glühend heiss war. E.B. Ward war von Helen in die Obhut ihrer Mutter gegeben worden.

Es war keine glückliche Kindheit, welche Sonny Liston verbrachte. Heute würde man wohl sagen, dass der Junge misshandelt worden war. Sonny selber sagte über jene Zeit: "Als Kind hatte ich nichts als einen Haufen Brüder und Schwestern, eine hilflose Mutter und einen Vater, der sich einen Dreck um uns kümmerte. Wir wuchsen auf wie die Heiden. Wir hatten kaum genug zu essen, um nicht zu hungern, keine Schuhe, nur wenig zum Anziehen, und keinen, der uns half, diesem schrecklichen Leben zu entkommen".

Sonny wurde von seinem Vater speziell schlecht behandelt. Er wurde so gut wie täglich geschlagen, auch ausgepeitscht. Striemen auf seinem Rücken waren lebenslange, stumme Zeugen des Missbrauchs. Wenn er eines Tages nicht geschlagen wurde, wunderte sich Sonny darüber.

Gemäss Tosches hatte Sonny zu keinem seiner Geschwister eine enge Beziehung. Bereits mit 8 Jahren wurde Sonny für schwere Landarbeit eingesetzt. Vater Tobes Philosophie war so, dass er dachte, wer sich an den Tisch setzen und essen könne, wäre auch fähig, zu arbeiten. Als das Maultier starb, soll der Vater Tobe zu Sonny gesagt haben: "Du bist jetzt das Maultier".

Liest man sich über Sonnys Kindheit ein, kommt man nicht darum herum davon auszugehen, dass Sonny in einer lieblosen Umgebung aufwuchs, er körperlich und seelisch missbraucht wurde. Es erstaunt nicht, dass Sonny als Ausflucht in eine Art innere Emigration ging und Zeit seines Lebens ein eher wortkarger Mann blieb.

Da Sonnys Arbeitskraft auf der Farm gebraucht wurde, blieben seine Schulbesuche so spärlich, dass er als Analphabet galt. Er konnte dieses Manko auch im späteren Leben nicht mehr wirklich aufholen. Immerhin lernte er, wenigstens seinen Namen schreiben zu können. Es ist überliefert, dass er sich auch später Schriftstücke vorlesen lassen musste, weil er selber schlicht nie lesen gelernt hatte.

Während des zweiten Weltkrieges war die Ernte auf dem Farmland im östlichen Arkansas schlecht. Helen hörte von Arbeitsmöglichkeiten in St. Louis und machte sich mit ein paar Kindern auf den Weg. Sonny seinerseits blieb bei seinem Vater.

Irgendwann hatte Sonny allerdings genug vom Baumwollpflücken und den Schlägen seines Vaters und wollte zu seiner Mutter.

A. S. Doc Young hat er folgendes erzählt: "Eines Morgens bin ich früh aufgestanden und habe die Pecannüsse vom Baum meines Schwagers geschlagen, dann bin ich mit den Nüssen in die Stadt gegangen und habe sie verkauft. Davon hatte ich genügend Geld für eine Fahrkarte nach St. Louis".

Nun, Bob Mee stellt die Sache unter Bezug auf Tosches etwas anders dar: Sonny soll zum Halbbruder E.B. Ward geschickt worden sein, ca. 1 Jahr bei diesem und dessen Familie in Parkin, Arkansas, gelebt haben und sich dann nach St. Louis aufgemacht, um seine Mutter zu suchen.

Wie auch immer. Fest steht gemäss Bob Mee, dass Sonnys Mutter ihren Mann verliess, 1946 in Forrest City wohnte und 1947 nach St. Louis zog und tatsächlich in einer Schuhfabrik arbeitete.

Es gilt als gesichert, dass Sonny irgendwann alleine in St. Louis auftauchte. Für die Art, wie er als Analphabet seine Mutter in einer fremden Stadt fand, gibt es div. Versionen: mal hat ein Pennbruder ihm den Weg zu einer Frau gezeigt, die ihm ähnlich sah und diese sei dann auch tatsächlich Sonnys Mutter gewesen, mal wurde Sonny von der Polizei aufgegriffen, von ihr verpflegt und zu seiner Mutter gebracht.

Jedenfalls fand Sonny in St. Louis tatsächlich seine Mutter und einen Teil seiner Geschwister wieder. Eine Einschulung scheiterte auch daran, dass Sonny von seinen Mitschülern gehänselt wurde, weil er so gross und Analphabet war.

Gemäss Ali-Biograph David Remnick hat Sonny in der Anfangszeit auch tatsächlich gegen erbärmliche Bezahlung "ehrliche Arbeit" geleistet: er verkaufte Kohle, Eis, Holz. Für 15 Bucks die Woche hätte er auf einem Geflügelmarkt Hühner ausgenommen. An guten Tagen habe er gegessen, an schlechten hätte er seinem Magen gesagt, heute ist nichts. Er habe schnell gemerkt, dass sich niemand um einen farbigen Jungen kümmere, man sich nur auf sich selber verlassen könne.


4. Die Straftaten des Charles L. "Sonny" Liston und der Kontext dazu, Gefängnisaufenthalte

Charles L. Liston verbüsste 2 Gefängnisstrafen:

1. 1. Juni 1950 bis 30. Oktober 1952 im State Penitentiary, Jefferson City, dem Staatsgefängnis von Missouri. Sonny wurde wegen mehrfachen Raubes ersten Grades und zweifachen Diebstahls zu div. 5 Jahren Haftstrafen verurteilt, aber aufgrund guter Führung entlassen.

2. Im Jahr 1957 wurde Sonny von Richter David J. Murphy zu einer Gefängnisstrafe von 9 Monaten im städtischen Arbeitshaus verurteilt, von der er 7 Monate absass. Grund war ein Streit von Sonny Liston mit dem Streifenpolizisten Thomas Mellow. Bei diesem Rencontre brach sich Mellow ein Bein und musste mit 7 Stichen genäht werden. Zudem entwendete Sonny Mellow die Dienstwaffe. Es gibt diverseste Versionen über diesen Streit, der für Sonny sein Leben lang Konsequenzen haben sollte. Von da an war er gebrandmarkt und die Polizei hatte ihn auf dem Radar, wo immer er in der Folge hinging. Einig ist man sich, dass es bei diesem Streit runtergebrochen um eine Parkbusse für ein Taxi ging, welches Sonny bestellt hatte.

Sonny wurden auch mind. 2 Vergewaltigungen vorgeworfen, welche allerdings nie zur Anklage kamen. In mind. 2 Fällen soll Geld geflossen sein. Ein Opfer soll die Frau seines Bodyguards, John "Moose" Grayson, gewesen sein. Die Beweislage ist in beiden Fällen unklar.

Zudem soll Sonny einen Polizisten kopfvoran in einen Abfalleimer gesteckt haben. Auch hierfür wurde er nie formell angeklagt.

Ebenso soll sich Sonny mal als Polizist ausgegeben haben. Dieser Fall könnte aber ein Missverständnis gewesen sein. Allerdings ist auch hier nicht auszuschliessen, dass Geld geflossen ist, um die Sache zu vertuschen. Die Sache wurde zu wenig gut geklärt, um sie endgültig beurteilen zu können.

Zudem soll Sonny in Las Vegas mit Drogen gedealt haben. Er wurde aber nie deswegen angeklagt und rechtskräftig verurteilt, weshalb auch dies nicht zweifelsfrei als erwiesen gelten kann.


Die Gefängniszelle von Sonny Liston, Missouri State Penitentiary, Jefferson City:

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1.1 Zu Beginn des Winters 1949 lernte Sonny Willie Jordan kennen, der aus Arkansas stammte. Ein dritter Junge, den man nur unter dem Namen "James" kennt, schloss sich den beiden schwarzen Jungen an. Man vertrieb sich die Zeit häufig in einer Bar.

Die Gang fiel erstmal auf, als sie am 30.12.1949 den jungen Anthony Bonmarito überfiel. Die Anzeige ging unter der Nr. 94710 in die Akten ein. Die Beute betrug 45 Dollar.
3 Tage später, am 2.1.1950, überfielen die 3 den 59-jährigen italienischen Immigranten Anthony Tocco, prügelten ihn nieder und entwendeten ihm 9 Dollar (Strafanzeige 346).
Am 13.1.1950 wurde der junge Hafenarbeiter William James überfallen. Die Beute betrug insgesamt 7 Dollar.

In der gleichen Nacht gesellte sich der 35-jährige Sterling Belt zur Gang. Er besass einen Mercury und stellte sich als Fahrer zur Verfügung. Als man eine Tankstelle auskundschaftete, überfiel die Gang einen betrunkenen Soldaten in Uniform und nahm ihm 5 Cents ab. Danach überfiel man den Tankwart, Frank Morlan, und erbeutete 33 Dollar.

Am nächsten Tag, dem 14.1.1950, brachte der Fahrer, Sterling Belt, auch einen Revolver der Marke Hopkins & Allen, Kaliber 32, mit.

Man fuhr zum Unique Cafe, überfiel den Barmann Leroy Andrew Nelson und erbeutete 37 Dollar. Sofort anschliessend fuhr man zu einer weiteren Tankstelle, bei welcher der schwarze Tankwart Wilson Miller überfallen wurde.

Inzwischen war die Polizei auf die Gang aufmerksam geworden. Auffällig war, dass einer der Gangster stets ein gelb/schwarz karriertes Hemd trug, weshalb er auch der Gelbhemdbandit genannt wurde. Es war niemand anderes als Sonny Liston.

Die Gang ging in eine Rippchenbude, um sich zu verpflegen.

Es war bereits 02.00 h nachts, als der Streifenpolizist David Herleth Sonny aus der Bar laufen sah und ihn verhaftete. Gerade noch 7 Dollar und 70 Cents konnten bei Sonny gefunden werden. Die Gang war nicht gerade sehr erfolgreich. Uebrigens wurden später auch Sterling Belt und Willie Jordan verhaftet.

In der Folge wurde Charles L. Liston zu zweifachen schweren Raubes und zweifachen Diebstahls für schuldig erklärt und zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Auffallend ist, dass Sonny der Polizei keine Lügenmärchen auftischte, sondern seine Geständnisse wahrheitsgetreu und umfassend waren. Obwohl das Missouri State Penitentiary von Jefferson City einen fürchterlichen Ruf besass, hat sich Sonny nie darüber beschwert. Er betonte, dass er froh gewesen sei, dass er 3 mal pro Tag essen durfte. Im Gefängnis ist er von Kleinigkeiten abgesehen, nie negativ aufgefallen. Zwei Drittel der Gefangenen waren weiss, ein Drittel schwarz.

Insgesamt war dieser 1. Gefängnisaufenthalt eher ein Glücksfall für Sonny. Er entkam für eine gewisse Zeit dem kriminellen, perspektivlosen Leben auf der Strasse. Im Gefängnis arbeitete Sonny in der Küche, wo er an einer Rampe Gemüse auslud. Zudem lernte Sonny erst unter der Leitung des Gefängniskaplans Edward B. Schlattmann, später unter dem bekannteren Berufskollegen Alois Stevens, boxen. Erster Trainer soll ein schwarzer Gefangener gewesen sein, der auch ausserhalb des Gefängnisses boxte. Später kam Sonny im Gefängnis unter die Obhut von Sam Eveland, einem jugendlichen Golden-Gloves Champion 1950 von Kansas City.

Sonny machte im Gefängnis schnell Fortschritte und man wurde auch ausserhalb des Gefängnisses auf diesen speziell guten Boxer aufmerksam. Obwohl Kaplan Stevens vom Boxen selber nicht grosse Ahnung hatte, konnte er sehen, dass Sonny boxerisch begabt sein musste. Zusammen mit Monsignore Jack McGuire suchte Stevens Robert L. Burnes auf, der Sportredaktor des Globe-Democrat war. Dieser Burnes rief nun seinerseits seinen Kumpel Monroe (Muncey) Harrison an, einen ehemaligen Boxer (Sparringpartner von Joe Louis), der nun als Coach und Trainer arbeitete.
Ende Februar 1951 reiste Harrison zusammen mit einem weiteren Trainer, William (Tony) Anderson, der eine Boxschule führte, nach Jefferson City.
Bei ihnen war Thurman Wilson, der 32-jährig damals als bester Schwergewichtsboxer von St. Louis galt.

Ueber die Länge des Kampfes Sonny Liston vs. Thurman Wilson gibt es unterschiedliche Berichte (mal 2, mal 4 Runden). Sicher ist, dass Sonny eindeutig besser war und Thurman Wilson relativ schnell genug von Listons beating hatte.

Burnes hoffte, dass Harrison Manager werden würde. Das Problem war, dass Harrison selber zu wenig Geld hatte und sich auf Kapitalsuche machen musste. Er wandte sich an Frank W. Mitchell, den Herausgeber des St. Louis Argus, welches auf die schwarze Bevölkerung ausgerichtet war. Mitchell kannte sich in der Boxwelt aus, hatte einen kleinen Boxstall mit Charley Riley, Foneda Cox (der ein enger Freund und Sparringpartner Sonny Listons werden sollte), Jesse Bowdry.

Mit dem Segen von Kaplan Stevens setzten sich Burnes, Harrison, Mitchell für Listons Freilassung ein. Im weiteren hielt sich Stevens zurück. Er wollte nicht in diese Sache hineingerissen werden.

Die Krux an dieser Kombi war, dass Mitchell der Geldgeber war. Er selber hatte keinen guten Leumund. Zudem war in St. Louis bekannt, dass er Kontakte zu John Vitale besass, der wiederum als grösster Mobster der Stadt galt. Vitale verwaltete den "sizilianischen" Teil der Stadt. Das Mobgeschäft in St. Louis wurde von Chicago aus gesteuert, wo Bernard Glickman und dessen Boss Sam Giancana die Fäden zogen.


5. Der Mob und Sonny Liston

Der Mob infiltrierte den Boxsport besonders Ende der 40er, hatte seine Blütezeit in den 50ern und wurde erst durch die Hearings im Senat unter dem Vorsitz von Senator Estes Kefauver im Jahr 1960 in die Schranken verwiesen.

Die Aktivitäten des Mobs hingen eng mit dem vom Geschäftsmann James Dougan Norris und Arthur Michael Wirtz gegründeten IBC oder besser International Boxing Club zusammen.. Im Wesentlichen gelang es dem IBC, in den Besitz der Rechte von vier wichtigen Herausforderern Joe Louis´zu kommen. Nach und nach gelang es dem IBC fast ausschliesslich, alle wichtigen Boxer vertraglich an sich zu binden.

Das Geschäftsmodell beruhte darauf, dass J.D. Norris die Sportstätten Madison Square Garden, Polo Grounds, Yankee Stadium, St. Nichlas Arena, Chicago Stadium, Detroit Olympia zur Verfügung stellen konnte.

Für die Beschaffung der Kämpfer war u.a. der Mob verantwortlich. Besonders der Lucchese Mafia Clan brillierte hier mit Aktivität. Wichtiger Mann war Frankie Carbo, auch "der Graue" genannt, ebenso wie sein Partner Frank "Blinky" Palermo.

Den Behörden war das Geschäftsgebahren nicht unerkannt geblieben. Die Mobaktivitäten unterschieden sich vom Osten zum Westen deutlich. Das Management des eher unbedeutenden Don Jordan ging zum Schein auf den Deal des Mobs ein, der bei einem Sieg Jordans gegen den Titelhalter Virgil Akins Anteile an Jordan vorsah. Der Fight fand in Los Angeles statt und völlig überraschend gelang es Don Jordan, sich den Weltmeistertitel im Weltergewicht zu sichern. Als nun der Mob seine Anteile reklamierte, wollte das Management Jordans nichts mehr davon wissen.

Wäre das Syndikat klug gewesen, hätte man die Sache erstmal auf sich beruhen lassen und darauf vertraut, dass ein anderer Boxer, über den man die Kontrolle hatte, den Titel regulär zurückgewann. Eine solch coole Herangehensweise war aber bei den Mobstern nicht vorgesehen und man versuchte, das Management von Jordan unter Druck zu setzen. Dieses wendete sich an die Polizei und so konnten die Behörden die Telefonate abhören und ihrerseits zuschlagen. Diese Aktion führte zur Verhaftung und Verurteilung eines beträchtlichen Teils der Mobster und auch zu einer gewissen Zerschlagung des Netzwerkes.

Sonny Liston geriet schon in St. Louis in die Fänge des Mobs. Dies lag im besonderen an Frank W. Mitchell, der wie gesagt Kontakte zum Mobster John Vitale hatte. Sonny wurde von Vitale als Streikbrecher eingesetzt. Er hatte dafür zu sorgen, dass bei der Baufirma Vitales keine Streiks ausbrachen und die Arbeiter spurten. Vitales Ruf war fürchterlich: er wurde nicht weniger als 58 Mal festgenommen.

Harrison hatte seinen Anteil einem gewissen Eddie Yawitz verkauft, Mitchell überliess gemäss eigenen Aussagen seinen Anteil Joseph "Pep" Barone, einem engen Partner Blinky Palermos. Dies alles soll mit Einwilligung sowohl von Frankie Carbo als auch dem IBC geschehen sein. Die Anteile an Sonny präsentierten sich zu einem gewissen Zeitpunkt nach dem Wegzug aus St. Louis so: John Vitale 12 %, Joseph "Pep" Barone, 24 %, Palermo 12 % und Frankie Carbo mit dem Löwenanteil von 52 %.

6. Inwiefern spielt der Rassismus eine Rolle im Leben von Charles L. "Sonny" Liston?

Das Leben Charles L. Listons wurde stark von den Parametern einer rassistischen USA geprägt. Diese Beeinträchtigungen erfolgten sowohl systembedingt als auch auf persönlicher Ebene.

Wie wir in der Ahnengalerie gesehen haben, wurden die Grosseltern Sonnys sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits als Sklaven geboren. Die Sklaverei wurde wie gesagt erst mit diesem 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1865 abgeschafft. Die Folgen reichen bis in die heutige Zeit hinein.

Wer sich über die Rassentrennung in den USA informieren will, ist mit der engl. Wikipediaseite für einen ersten Ueberblick nicht schlecht aufgestellt.

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Zu beachten ist dabei, dass der Civil Rights act erst 1964 in Kraft trat.

Rosa Parks gilt als Ikone des civil rights act movements, als sie sich schon 1955 weigerte, die Rassentrennung in Bussen zu akzeptieren.

Von Muhammad Ali ist bekannt, dass er noch 1960 nach seinem Olympiagoldmedaillen-Gewinn in einem bestimmten Restaurant nicht bedient wurde, weil er Schwarzer war. Ebenso weiss man von Ali, dass er in Miami in einem Kleidergeschäft nicht bedient wurde. Als dies in einen Streit zu eskalieren drohte, zog es Ali vor, klein bei zu geben und das Lokal zu verlassen.

Zu Sonny Listons Zeiten gab es insbesondere für Schwarze keinen Schulzwang. Dies war mit ein Grund, weshalb Sonny ein ganzes Leben lang kaum lesen und schreiben konnte. Dass sein Analphabetismus ihm bei der Arbeitssuche nach dem zweiten Krieg nicht half, liegt auf der Hand. Dass er schwarz war, erleichterte die Sache in den damaligen Zeiten darüber hinaus nicht. Es gibt einige Artikel und Schriftwerke, welche Sonny kaum Chancen auf eine "anständige" Arbeit einräumten und er sich selbst damit kaum über Wasser hätte halten können.

Insbesondere die Jim Crow-Gesetze, bedeuteten im Süden noch im Jahr 1950 vorgeschriebene, verschiedene Schulen für Schwarze und Weisse.


In der Boxszene hinterliess der tollkühne und stolze schwarze Ausnahmeboxer Jack Johnson bei vielen Weissen einen nachhaltigen Eindruck. Er genoss seine Blackness in ganzen Zügen und war für nicht wenige Weisse eine ständige gefühlte Provokation. Insbesondere seine Siege gegen Tommy Burns, aber vor allem gegen den weissen Ueberflieger James J. Jeffries, hinterliessen deutliche rassistische Spuren. Mit dem Sieg von Jess Willard gegen Jack Johnson wanderte der Boxgürtel wieder in "weisse Hände". Der Schrecken der Weissen war so gross, dass man von da an eine "Color Line" um den Boxweltmeistertitel im Schwergewicht legte, welche es schwarzen Boxern unmöglich machte, z.B. gegen einen Jack Dempsey, einen Gene Tunney, zu boxen. Erst mit dem eloquenten und ziemlich angepassten Joe Louis, gelang es, diese Color Line zu durchbrechen. Dass Joe Louis im zweiten Kampf gegen Schmeling die Last sowohl der weissen und der schwarzen US-Boxgemeinde zu tragen hatte, war eine seltsame Kuriosität. Jedenfalls war der Sieg Joe Louis ein Meilenstein für die Akzeptanz von schwarzen Sportlern. Darin sind sich viele Geschichtsschreiber einig.

Sonny Liston war insofern speziell, als er weder von den Schwarzen noch von den Weissen akzeptiert wurde. Er war ein Mobster-Junge, ein Knastbruder. In einer Zeit, als sich das civil rights movement zu einer veritablen Grösse erhob, hielt man es für unklug, auf einen Schwarzen mit zweifelhaften Beziehungen zu setzen. Viel eher galten die Sympathien Floyd Patterson, der allerdings groteskerweise in seiner Jugend auch nicht den besseren Verhaftungsrekord als Sonny aufwies. Er wurde von Cus D Amato trainiert und gemanaged. Man hielt Cus für den grossen Kämpfer gegen das vom IBC kontrollierte Mafiaboxen. Was man dabei vergass: Cus war selber mit Mafia-Leuten liiert und ihm wurde im Zuge seiner Machenschaften mit Ingemar Johannson sogar für einige Zeit die Lizenz entzogen. Cus arbeitete nachweislich mit einem Mann zusammen, der sich Charlie Black nannte. Dessen richtiger Name war allerdings Charles Antonucci. Der Cousin von Antonucci war wiederum niemand anders als Fat Tony Salerno, ein Mitglied der Genovese Mafia Organisation. Es gilt als erwiesen, dass Tony Salerno Cus schützte.

Im Gefängnis Missouri State Penitentiary, Jefferson City, galt zur Zeit, als Sonny einsass, die Rassentrennung. Es ist verbürgt, dass sich Sonny für einen Schwarzen einsetzte, der von den Weissen bedroht wurde. Mit Sonny wollte sich niemand anlegen und von da an hatte der schwarze Junge seine Ruhe.

Beim Zwischenfall mit dem Polizisten Thomas Mellow spielte gemäss der Version von Sonny eine üble rassistische Bemerkung Mellows eine grosse Rolle. Ob die Sache sich wirklich so zugetragen hat, wie Sonny es berichtet, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Es existieren mind. 3 Versionen zu diesem Vorfall. Allerdings war diese Begebenheit ein Game changer und es ist möglich, dass Sonny da Unrecht getan wurde.

Sonny Liston galt nicht als Aktivist für "schwarze" Anliegen. Es soll dies mal damit begründet haben, dass er kein "dog-proof ass" gehabt hätte. Zudem hegte Sonny keinen Groll auf "die Weissen". Er soll mal den Chauffeur des Wagens, mit dem er mitfuhr, aufgefordert haben, anzuhalten, um einer weissen Frau, welche Hilfe benötigte, zu helfen. Dies galt damals als aussergewöhnlich und liess den Fahrer offenbar perplex zurück. Sonny wurde von Seiten der schwarzen Muslims umworben. Er lehnte dies ab, weil ihm im Wesentlichen die Rassentrennung nicht gefiel. Rassismus war Sonny völlig fremd (im Gegensatz zu Ali, der in einer bestimmten Periode seines Lebens deutlich für die Rassentrennung eintrat, dies aber bald mal dauerhaft korrigierte). Es ist bekannt, dass sich Liston des öftern mit weissen Frauen traf und zwar zu einer Zeit, als dies in den USA nicht unproblematisch war.

Zudem brach Sonny seine Europatour schlagartig ab, als er von den rassistisch motivierten Bombenanschlägen von Birmingham 1963 erfuhr.

Im Zusammenhang mit Rassismusfragen ist auch interessant, was mit Floyd Patterson passierte, der als "der gute Schwarze" galt. Wendell Smith vom Pittsburgh Courier sah Floyd als Cus D Amatos "Sklave" und fragte, ob Cus nicht ein Rassist sei, weil er schwarzen Kämpfern keine Chance gab, gegen Patterson anzutreten. Damals schützte Cus Floyd absichtlich oder unabsichtlich, indem er mit dem Hinweis der Verwicklung der Gegnerschaft mit dem IBC guten Contendern auswich. Das war auch deshalb fraglich, weil Leute wie Zora Folley oder Eddie Machen nicht mit dem Mob verbandelt gewesen sein sollen.

Präsident Kennedy, Bobby Kennedy, Eleanor Roosevelt, das NAACP, Martin Luther King und ein guter Teil des liberalen Amerika wünschten sich Floyd Patterson als Sieger. Sie waren sozusagen für "den guten Schwarzen". Innerhalb der schwarzen Gemeinschaft war mit Ausnahme von Malcolm X niemand auf Seiten Sonnys. Malcolm X sah in Floyd einen "Uncle Tom". Ein ziemlich übles Schimpfwort von Schwarzen für Schwarze, wenn sie dachten, dass sich diese den Weissen zu sehr anbiedern würden.

Seltsamerweise hat auch Muhammad Ali diese Uncle Tom Punchline verwendet. Er nannte sowohl Ernie Terrell als auch Joe Frazier einen Uncle Tom.

7. Die Amateurkämpfe

1953

St. Louis Golden Gloves

Feb 13 Luther Corder KO 2 (klare Angelegenheit, ohne sich zu sehr anstrengen zu müssen konnte Sonny Luther Corder in der 2. Runde stoppen)
Feb 13 Lloyd Willis W 3 - Finals (vor 15449 Zuschauern sah Willis in der 1. Runde sehr gut aus und es schien, als ob er Sonny stoppen könnte, als er eine vertable flurry auf ihn losliess. Liston, ein langsam Starter drehte dann aber auf, übernahm in Runde 2 und schlug den all-army champion Willis in der 3. Runde groggy)

Chicago Golden Gloves Tournament of Champions
Feb 24 Donnie Fleeman KO 3 (In diesem Fight wurde schnell klar, dass Sonny gewinnen würde. Es war eher die Frage, ob es Fleeman über die 3 Runden schaffen würde. Sonny konnte immer wieder seine Linke unterbringen. Nach 46 Sekunden der 3. Runde brach der Ref. das ungleiche Duell ab).
Feb 24 Carl McClure W 3 (hier konnte Sonny vor allem durch gute Body Shots überzeugen, welche McClure die Luft raubten. Dieser überstand die 3 Runden, war in der 3. Runde bei Kampfesende wobbly).
Feb 25 Tullos Lee Mead KO 2 - Quarterfinals (Lee Mead hatte einen Ruf als KO-Artist. Sonny schien allerdings mit Mead 1 1/2 Rd zu spielen, bevor er linke Geraden und rechte Hände zum Body brachte. Der Ref hatte ein schliesslich ein Einsehen. Jahre später sollte Mead sagen: "als Liston mich zu Boden schickte, machte ich den Fehler, wieder aufzustehen").
Mar 6 Ben Bankhead W 3 - Semifinals (Gegen Bankhead startete Sonny wieder langsam, kam aber in der 2. und 3. Runde auf und hatte Bankhead am Ende in Schwierigkeiten).
Mar 6 Ed Sanders W 3 - Finals (Hier boxte Sonny gegen den Olympiasieger von 1952, Ed Sanders. Dieser hatte sich einen Daumen gebrochen, boxte aber trotzdem. Der Fight soll eng gewesen sein. Offenbar konnte man Sonny durchaus die Decision geben, aber es gab auch Zuschauer, welche das Verdikt andersrum sahen. Jedenfalls war der Sieg Sonnys ein ziemlicher Upset. Vor dem Fight soll Sonny "scared to death" gewesen sein).

This earned Sonny a place in the national Amateur Athletic Union championships in Boston, and he tuned up by adding the Ozark AAU title
– without flexing a muscle. Word had spread; all his fellow-contenders defaulted.


Intercity Golden Gloves Championship (Chicago, IL)

Mar 26 Julius Griffin W 3 (Juilus Griffin galt als starker Amateur und KO-Artist, den Mann "the Hammer" nannte. Früh in der Runde erwischte Griffin Sonny, sodass dieser zu Boden musste (man spricht davon, dass Sonny schlicht off-Balance war). Sonny kam noch in der 1. gut zurück. In der 2. verstand es Sonny seinen linken Jab zu etablieren, der Griffin zusetzte. Die 3. Runde ging dann klar an Liston, sodass Sonny einen verdienten Punktsieg einfuhr.

National AAU Tournament (Boston, MA)
Apr 14 Lou Graff KO 1 (Der Fight gegen Lou Graff war eine einseitige Sache, als Sonny diesen nach 50 Sekunden in der 2. Runde stoppen konnte.)
Apr 15 Jimmy McCarter L 3 - Quarterfinals (Die einzige Niederlage bei den Amateuren bezog Sonny gegen den erst 17-jährigen Jimmy Carter aus Philadelphia, der später einer, seiner Sparringspartner werden sollte. Sonny fand in diesem Fight die richtige Distanz nicht und verlor den Fight offenbar zu Recht.)

International Golden Gloves (St. Louis, MO)
Jun 23 Herman Schreibauer TKO 1 (vor einer Kulisse mit 7849 Zuschauern wirkte Sonny durch die Rechtsauslage des westdeutschen Schreibauers zunächst etwas irritiert. Danach fing sich Sonny und es wird berichtet, dass er in diesem Fight offenbar glückseeligst gepfiffen hätte. Jedenfalls brachte er eine schwere Rechte unter, wonach Schreibauer schwer zu Boden musste und bei neun auf wackligen Beinen war. Der Referee Vic D. Filippo stoppte den Fight nach 2 Minuten und 16 Sekunden. Dieser Fight war für Sonny der Letzte bei den Amateuren. Danach wechselte er zu den Profis.

8. Die (wichtigen) Profikämpfe



9. Das Leben Charles L. "Sonny" Listons nach den Cassius Clay/Muhammad Ali Fights

Nach dem Verlust der beiden Fights mit Muhammad Ali unter dubiosen Umständen, brach die Karriere auseinander und stellte Sonny auch finanziell vor grosse Probleme. Er galt als bankrott, hatte Schulden. Zwar standen noch Gelder aus den Patterson Fights und den Ali Debakeln aus, aber es war klar, dass Listons Finanzen in Schieflage geraten waren.

In den USA war sein Ruf arg beschädigt und es war für Sonny ein Glücksfall, dass in dieser heiklen Phase der schwedische Exboxweltmeister Ingemar Johansson mit seinem Geschäftsparter Bertil Knutsson auf ihn zutrat und ihm einen Fightkontrakt für 4 Fights in Schweden unterbreitete, der mit USD 150000 dotiert war.

Sonny nahm das Angebot gerne an und reiste mit Geraldine nach Schweden. Dort wartete, wie beschrieben Sonnys Ex-Geliebte mit dem gemeinsamen 3-jährigen Daniel, am Flughafen auf ihn.

Ansonsten wurde Sonny in Schweden sehr gut aufgenommen. Schweden galt schon damals als liberales Land und wurde mit Rassismus nie in Verbindung gebracht.

Vor einer guten Kulisse von immerhin 12000 Zuschauern bezwang der leicht übergewichtige Sonny in der Stockholmer Hockey Arena nach anfänglicher Mühe den 28-jährigen Deutschen Gerhard Zech nach einer links-rechts-Kombination durch TKO in der 7. Runde.

Zweiter Gegner war Amos Johnson, ein kalifornisches Schwergewicht, der sich immerhin eines Sieges als Amateur gegen Muhammad Ali rühmen konnte.

Dazwischen streute der geschäftstüchtige Johansson eine Tour durch das westliche Schweden ein, wo Sonny 4 Exhibitions pro Woche absolvierte, welche USD 2500 je Session einbrachten. Manchmal diente hier Floyd Pattersons Bruder Ray als "Sparringspartner".

Jedenfalls pilgerten am 19.8 nicht weniger als 20000 Fans ins Göteborger Ullevi Stadium, um den Fight Liston vs. Johnson zu sehen. Liston legte gleich gut los und schon in der 3. Runde musste Johnson 2 mal runter, bevor der Referee ein Einsehen hatte und den Fight stoppte.

Noch immer waren 2 Fights offen. Man sandte die Fühler aus, um Fights gegen Oscar Bonavena, Karl Mildenberger und George Chuvalo zu organisieren. Allerdings wollte niemand von diesen gegen Sonny kämpfen. So reiste Sonny erstmal in die Staaten zurück, um noch immer pleite, seinen pinkfarbigen Cadillac versetzen zu müssen, damit er wieder nach Schweden reisen konnte.

Der dritte Gegner der Tour war ein Journeyman Namens Dave Bailey. Der Kampf fand in der Göteborger Masshallen Arena vor 5000 Zuschauern statt, wo Sonny Bailey schon in der 1. Runde stoppen konnte.

Als letzter Fight der Schweden-Tour wurde ein Kampf gegen Elmer "The Crush" Rush vereinbart, der immerhin mal an Position 8 geranked war und ein Unentschieden gegen Eddie Machen im Kampfrekord hatte. Auch hier belief sich die Zuschauerzahl auf 5000. Geboxt wurde in Stockholm und Sonny schickte Mister Rush nicht weniger als 9 mal runter, bevor der Fight vom Ref gestoppt wurde.

Danach kehrte Sonny in die USA zurück, wo er sich in zahlreichen Kämpfen gegen eher durchschnittliche, aber akzeptable Gegenerschaft, durchsetzte.

Das Ganze ging solange gut, bis er auf Leotis Martin, traf. Sonny schickte Martin in der 4. Runde runter, lag nach Punkten vorne, als ihm etwas die Puste ausging und er in eine hervorragende Hand Martins lief und übel ausgeknockt wurde. Geboxt wurde um den vakanten NABF-Titel und war wohl Sonnys letzte Chance, nochmal durchzustarten. Es gibt aber durchaus Berichte, dass Sonny da wohl doch eher auf dem absteigenden Ast war. Leotis Martin erlitt bei dem Fight übrigens eine Netzhautablösung am Auge und boxte nie wieder.

Den letzten Fight seiner Karriere boxte Sonny gegen den Bayonne Bleeder Chuck Wepner, der später gegen Muhammad Ali boxte und verlor. Er soll auch Vorbild für Stallones "Rocky" gewesen sein. Der Fight ist insofern interessant, als bei gewissen Mordtheorien behauptet wird, dass Sonny diesen Fight für den Mob eigentlich hätte verlieren sollen und weil er hier nicht machte, was von ihm verlangt worden sei, er diesen Ungehorsam mit dem Leben bezahlt habe.

Nun, gesichert ist das nicht und Sonny zeigte eine ganz akzeptable Leistung, konnte Wepner in der 5. Runde zu Boden schlagen und in der 9. stoppen. Sonny brach Wepners Nase, dessen Backenknochen und Wepner benötigte für seine Wunden sagenhafte 72 Stiche.

Sonny soll in der Zeit viel mit Joe Louis zusammen gewesen und auch wieder etwas "vom rechten Weg" abgekommen sein, als er sich regelmässig auf der berüchtigten West Side von Las Vegas aufhielt. Sonny soll auch Haschisch verkauft haben, ohne es aber selber zu konsumieren.

Einen Tag nach Weihnachten 1970 verliess Geraldine Las Vegas, um ihre Mutter in St. Louis zu besuchen. Sonny brachte sie noch zum Flughafen.

Als sie am 5. Januar 1971 um ca. 19.30h mit Daniel zurückkam und das Haus in Las Vegas betrat, nahm sie einen unangenehmen Geruch wahr. Sonny Liston hatte schon mehrere Tage tot in der Wohnung gelegen.

10. Listons Tod und die Begleitumstände

Sonny Listons Tod ist ein Mysterium. Gemäss der Autopsie erscheint ein natürlicher Tod am Wahrscheinlichsten. Man diagnostizierte eine Herzattacke. Allerdings gibt es diverseste Mordtheorien, mit vielen Verdächtigen.

11. Charles L. "Sonny" Listons Privatleben

Sonny Liston war mit seiner Frau Geraldine vom 3. September 1957 bis zu seinem Tod verheiratet. Es gibt im Net immer mal wieder Artikel, welche den Heiratszeitpunkt wie folgt benennen: Liston married Geraldine Chambers in St. Louis, Missouri, on June 10, 1950. z.B. https://alchetron.com/Sonny-Liston. Ich konnte dieses Datum nie verifzieren. Am 1. Juni 1950 trat Sonny seine Gefängnisstrafe an.

Die Ehe galt als glücklich, wenngleich Charles ein ziemlicher Womanizer und seiner Frau nicht treu war.

Geraldine war vor der Heirat mit Sonny mit einem anderen Mann zusammen. Aus dieser Beziehung resultierte die Tochter Arletha, welche Geraldine in die Ehe einbrachte. In einem Zeitungsartikel sprach Geraldine allerdings von 2 Kindern.

Auch wenn Lynel Gardner dies in Abrede stellt: so wies aussieht, war Eleanor, welche "Cho Cho" genannt wurde, wohl doch die leibliche Tochter Sonnys aus einer früheren Beziehung mit einer unbekannten Frau. hier sind Eleanor und Arletha zusammen zu sehen. Eleanor lebte auch eine zeitlang im Haus der Listons.

Kennengelernt haben sich Sonny und Geraldine, als diese nach der Arbeit in einer Munitionsfabrik, mitten in einem Gewitter, auf den Bus wartete. Sonny fuhr per Zufall vorbei, sah die durchnässte Lady. Er soll den Rückwärtsgang eingelegt haben, ausgestiegen sein, Geraldine in die Luft gehoben und auf den Beifahrersatz gesetzt haben.

Der Zeitungsausschnitt Mrs. Liston won t see fight in den FBI-Akten File 92-7389 p.14 irritiert:

How long have you been married? twelve years.
any children? two 17 und 13. (Eds note: by a former marriage) the older girl is going to business college, taking pre-law, and has applied for a job with the FBI.

Nun, das Photo von Eleanor und Arletha zeigt gemäss dem Beschrieb eine 19-jährige Arletha und eine 13-jährige Eleanor. Eigentlich müsste Arletha da aber 17 gewesen sein, denn die Timeline vom FBI-Artikel und dem Beschrieb zum Bild ist identisch. Es gibt in einer Biographie den Hinweis, dass zwei Töchter Sonnys auf wundersame Weise verschwunden seien. Aufgrund des FBI-Artikels und des gettyimage würde ich eher annehmen, dass die zwei Arletha und Eleanor waren und sich Geraldine, welche in Altersfragen nicht immer präzise war, hier nicht irrte.

Interessant ist auch der Artikel der Zeitschrift LOOK, welche in der Ausgabe vom 25.2.1964 über Sonny Liston publizierte. Der Artikel trägt den Namen: Sonny Liston, King of the Beasts. Darin gibts ein Bild, welches so kommentiert ist: “The Listons pose for their first family portrait: from left to right, daughter Eleanor, 13, wife Geraldine, Sonny, his mother Helen and daughter Arletha, 17. Wir sehen also, dass die Timeline stimmt und hier Arletha auch mit 17 und Eleanor mit 13 angegeben sind.

Seltsam erscheint mir eher, dass Geraldine im FBI-Artikel behauptet, 12 Jahre verheiratet zu sein. Immerhin ist, nach allem was man weiss sicher, dass der 3. September 1957 wirklich das korrekte Heiratsdatum ist. Getraut wurden die Beiden von Reverend G.L. Hayden.

Geraldine hat des öftern mal mit ihrem Geburtsdatum geflunkert und benutzte auch den Namen ihres Schwagers, Chambers.
In Tat und Wahrheit hiess sie Clark. Tatsächlich hat sich Geraldine die Fights von Sonny nie angeschaut. Sie hätte es lieber gehabt, dass Sonny nicht geboxt hätte und betonte, dass sie ein einfaches, beschauliches Leben dem Rummel vorgezogen hätte.

Im Jahr 1963 absolvierte Sonny eine Europa-Tournee, welche ihn auch nach Schweden führte. Als Sonny 1966 zusammen mit seiner Frau Geraldine wieder in Schweden auftauchte, erwartete ihn am Flughafen eine ziemliche Ueberraschung. Eine Lady wartete auf ihn, zusammen mit einem Sohn, Daniel (oder auch Danielle). Der Sohn war gemäss dem Ingemar Johansson Biographen Ken Brooks (Seite 194) das Ergebnis der Liaison Sonnys mit der Lady.

Sonny und Geraldine einigten sich darauf, den Jungen mit in die USA zu nehmen. In den Biographien wird gesagt, Sonny und Geraldine hätten den Jungen adoptiert. Lynel Gardner widerspricht dem. Er sagt, Sonny und Geraldine hätten Daniel nie adoptiert, sondern lediglich für Daniel die Fürsorge übernommen. Wie auch immer. Es steht ausser Frage, dass Daniel bei den Listons aufwuchs.

Sonny interessierte sich für die Musik. Sein Lieblingslied war wohl "Night Train", ein melancholisches, langsames Lied. Auch Ella Fitzgeralds "Loch Lomond" soll Sonny gerne gehört haben. Besonders sagten Sonny auch Ray Charles, Bo Diddley und Little Milton zu. Zudem war Sonny begeisterter Angler und Spieler (Blackjack oder Würfeln). Er war insbesondere in Las Vegas des öftern mal an den Spieltischen zu sehen. Zudem schloss er auch Wetten in beträchtlicher Höhe ab. So soll er USD10000 bei einer Boxwette verloren haben und die Kampfbörse aus dem letzten Kampf gegen Wepner von USD 13000 soll der Tilgung dieser Wettschuld gedient haben und die restlichen USD 3000 wanderten in die Taschen der Betreuer, Sparringspartner usw. usf. , sodass Sonny aus diesem Kampf nichts mehr blieb.

Betreffend den Trinkgewohnheiten von Sonny gibts sehr unterschiedliche Berichte. Es gibt Leute, welche sagen, Sonny hätte überhaupt nichts getrunken, andere, wie Sparringspartner Foneda Cox, aber auch Geraldine u.a., haben einen reichlichen Alkoholkonsum eingeräumt. Cox, der im grossen Ganzen wohlwollend über Sonny sprach, sagte sinngemäss, dass Sonny unter Alkoholeinfluss zu einem anderen Menschen wurde. Er soll besonders den J&B Whiskey geschätzt haben.

Beim Tod von Sonny wurden minimste Rückstände von Heroin in seinem Körper gefunden. Die Menge war derart klein, dass sie nach allgemeinem Konsens mit Sicherheit nicht zum Tod von Sonny führte. In seinem Haus wurde auch ein kleines Säckchen mit Heroin gefunden.

Das Seltsame an dieser Heroingeschichte ist, dass Sonny nie auffiel, Heroin konsumiert zu haben. Ich konnte bis dato niemanden finden, der das bestätigt hätte. Zudem hatte Sonny nachweisbar eine Spritzenphobie. Dazu gibt es doch div. Zeugen, die das glaubhaft bestätigen.

Besonders herzlich wirkte Sonny bei Kindern, älteren Leuten, aber auch Behinderten. Irgendwie schien es, dass Sonny sich in diesem Umwelt wohl fühlte. Die diversesten Bilder mit Kindern zeigen einen sehr glücklichen Sonny.

Schottland gefiel Sonny ausgezeichnet. Er fühlte sich in Schottland derart wohl, dass er in den USA versuchte, eine schottische Staatsbürgerschaft zu beantragen, was allerdings formell unmöglich war.

Sonny vernarrte sich in den Sohn des schottischen Promotors, den kleinen Peter (Petie) Keenan Jr. Er wollte den Jungen sogar adoptieren und überredete den Vater, den Jungen Weihnachten bei ihm und Geraldine in Denver verbringen zu lassen. Zu meinem Erstaunen willigte der Vater ein. Sonny soll Peter wirklich wie einen eigenen Sohn behandelt und mit Weihnachtsgeschenken überschüttet haben. Es wird berichtet, dass er mit ihm auch Joe Louis besuchte, der damals schwer mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte.

12. Allerlei Wissenswertes über Charles L. "Sonny" Liston

1. Sonny Liston ist über die 1. Frau seines Vaters mit Oprah Winfrey verwandt.
2. B.B. King war der Sohn der "Frau" von Sonnys Stiefbruder E.B. Ward.
3. Sonnys liebster Workout Song war Night Train. Das Lied wird fälschlicherweise oft Jimmy Forrest zugesprochen. In Tat und Wahrheit stammt es von Duke Ellington. Forrest war Musiker bei Ellington und hat es ihm schlicht gestohlen. Night Train hatte recht grossen Erfolg und wurde auch von div. anderen Interpreten aufgenommen. Der Song diente nicht selten als Begleitmusik für Stripperinnen in roten Etablissements.
4. Sonny Liston hatte abnormal grosse Hände. Seine Handschuhe mussten anfangs aufgeschnitten werden, da Sonnys Hände sonst einfach auch in die grössten verfügbaren Boxhandschuhe nicht reinpassten. In der Folge wurden Sonny von der Firma Sammy Frager Co., Chicago, massgeschneiderte Boxhandschuhe gespendet. Gemäss Tosches weisen die Fäuste nahezu aller Schwergewichtsboxer einen Umfang von weniger als 30 Zentimeter auf. Sonnys Fäuste waren rundherum annähernd 40 cm gross. Zum Vergleich: der Riese Primo Carnera und auch Jess Willard brachten es gerade mal auf 36 Zentimeter.
5. Joe Louis wurde ein recht enger Freund von Sonny Liston. Die Zwei sollen sich gut verstanden haben. Als es Joe Louis schlecht ging und er auch auf finanzielle Hilfe angewiesen war, sprangen u.a. vor allem auch Max Schmeling, der sich zu Joe Louis vorbildlich und wie ein wahrer Freund verhielt, als auch Sonny Liston ein.
6. Als Geraldine ihren Mann Sonny tot auffand (Sonny war schon am Verwesen), rief sie den Anwalt ihres Mannes und einen Doktor an. Erst 2 Stunden später informierte sie die Polizei.
7. Mark Knopfler schrieb einen Song über Sonny: Song for Sonny Liston
8. Sonny Liston spielte in div. Filmen kleinere Rollen: Sonnys IMDb-Daten. Auch für die Werbeindustrie war er interessant: Hier ein Werbespot mit Andy Warhol für eine Fluggesellschaft.
9. Sonny besass eine Pistole, welche er mit Platzpatronen füllen konnte. Damit trieb er nachweislich mehrmals seine Scherze, übrigens auch mit Muhammad Ali, wie dieses Video zeigt.
10. Es gab ein paar Fighter, welche Sonny im Ring Probleme bereiteten. Dazu gehörte Marty Marshall. Marshalls Boxstil war unorthodox. Insgesamt bestritten die Beiden 3 Profikämpfe, von denen Liston 2 gewann, 1 verlor. Bei allen drei Fights soll Liston irgendwann seine Probleme gehabt haben. Beim ersten Fight war Marshalls Beinarbeit mit Auslagenwechsel so unorthodox, dass Sonny lachen musste. Das hätte er wohl besser nicht getan, denn Marshall soll ihm just in dem Moment eine gezimmert haben, welche Sonny den Kiefer brach. Liston hat bis zum Ende der 8 Runden durchgehalten. Marshall gewann eine SD, wobei die Punkrichter den Kampf "all over the place" werteten. Beim 2. Fight soll Marshall Liston zu Boden geschlagen haben. Im 3. Fight soll Liston in der 7. in Schwierigkeiten gewesen sein. Nach dem Fight soll Sonny in Marshalls Garderobe gegangen sein und ihm "you almost had me in the seventh" gesagt haben. Marshall war berühmt dafür, dass er Kämpfe "on short notice" annahm.
11. Anlässlich des Fights Liston vs. Cassius Clay gab es Aufnahmen der Beatles mit Clay/Ali. Man soll zuerst versucht haben, Aufnahmen mit Liston zu bekommen, was der ziemlich rüde ablehnte. Danach hat man sich Clay zugewandt. Die Beatles sollen sich mit Clay/Ali gut verstanden haben und die Fotos sind ganz gut herausgekommen. Hier etwas Hintergrund der Geschichte.


B.) Ausklang

Charles L. "Sonny" Listons Leben war kein einfaches. Dem Jungen wurden mit der Geburt viele Steine in den Lebensrucksack gelegt,von denen er sich zeitlebens nicht befreien konnte. Aufgewachsen in äusserst einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen, unterversorgt mit der Liebe von Mutter und Vater, früh vom Vater misshandelt, mit der Perspektive eines jungen schwarzen Analphabeten, hineingeboren in eine Welt der Rassentrennung, der verminderten Chancen, waren die Parameter gesetzt. Wer das Leben Sonny Listons aufmerksam studiert, wird bei Sonny Muster erkennen, welche fühlen lassen, wie gross die seelischen und physischen Leiden des jungen Sonny gewesen sein müssen.

Sonny hatte auch zweifellos Begegnungen mit Menschen, die es gut mit ihm meinten: besonders fallen da die div. Kapläne auf, die tatsächlich etwas Stabilität und Zuversicht in Sonnys Leben brachten. Genauso war seine Frau, Geraldine Clark, ein echter Glücksfall für Sonny. Obwohl er ihr wahrlich nicht immer treu war, gibt es von jenen, welche die zwei erlebten, keine Stimmen, welche ihnen keine grosse Liebe bezeugten. Sonny respektierte seine Frau auf seine Weise. Sie hielt auch zu ihm, als vieles gegen ihn sprach und war ihm eine gute Frau.

Meiner Meinung nach gab es zwei wesentliche Game Changer in Sonnys Leben:

a) das Rencontre mit dem Polizisten Thomas Mellow, welches Sonny seinen zweiten Gefängnisaufenthalt einbrachte. Man wird wohl nie wissen, welche der 3 Versionen (Mellow, Patterson, Liston) die Richtige war. Tatsache ist, dass Sonny bei Einvernahmen kaum je gelogen hat. Und gemäss seiner Version wurde er vom Polizisten Mellow übel rassistisch beschimpft. Es ist gemäss seiner Version auch nachvollziehbar, dass er ihm die Pistole abnahm. Auch Geraldine hat von dieser rassistischen Anmache gesprochen und sie war zusammen mit ihrer Schwester im Wohnbereich. Zudem muss man wissen, dass auch Mellow keinen guten Leumund hatte.

Tatsache ist, dass ihm die Polizei insbesondere diesen (vermeintlichen?) Angriff auf einen Polizeibeamten nie vergessen hat. Daraufhin war er ein gebranntes Kind und wurde von der Polizei nie mehr wirklich in Ruhe gelassen. Die Polizei hat ihn daraufhin nachweislich getriezt, egal ob in St. Louis, Philadelphia, Denver.

b) Sonny Liston hatte nachweislich Mob-Beziehungen. Die hatten aber die weitaus meisten Boxer in den fünfziger Jahren. Alle Boxer, welche unter der Regie des International Boxing Clubs antraten, hingen da auf irgendeine Weise mitdrin. Cus D Amato galt als Saubermann, der sich gegen den Mob und insbesondere gegen den IBC auflehnte. Nun, D Amato war tatsächlich gegen den IBC. Aber von Mobbeziehungen war auch er nicht gefeit und sowohl Jerry Izenberg in seinem Buch "Once we were Giants" als auch Ken Brooks "Ingemar Johansson: Swedish Heavyweight Boxing Champion" haben genauestens nachgewiesen, welch seltsames Doppelspiel D Amato betrieb.

Vor dem 1. Patterson-Fight und im Zuge der Zerschlagung des Mobs im Boxgeschäft (Kefauver-Hearings) löste sich Sonny vom Mob, zahlte diesen aus. Sein Management wurde ausgetauscht und nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, war George Katz für die damalige Zeit ein vergleichsweise vertrauenswürdiger Manager. Es war damals üblich, dass ein Manager 1/3 der Börse des Fighters erhielt. Katz nahm nachweislich nur 10 % der NETTObörse, was nach allen Abzügen so gut wie nichts war. Es überrascht nicht, dass die Managerkarriere von Mister Katz so nur von kurzer Dauer sein konnte und er durch Jack Nilon ersetzt wurde, der dann wieder die 1/3 der Kampfbörse einstrich. Wie bekannt ist, gewann Sonny den Fight gegen Patterson. Er dachte fälschlicherweise, dass er seinen Teil zur Redemption beigetragen hatte. Allerdings berücksichtigte er nicht, dass ihm die Weissen, aber auch die Schwarzen nicht verziehen hatten.
Kaum jemand wartete auf dem Flughafen von Philadelphia auf ihn. Sonny war noch immer als Mobster-Junge, als Mann aus dem Gefängnis gebranded. Für ihn gabs in der Civil Rights-Bewegung keinen Platz. Hätte man ihm damals eine Chance geben müssen? Ich meine ja.

Sonny war damals bereit, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Er wirkte in dieser Zeit geläutert, wie sehr viele Stimmen bezeugen. Es gibt keinen Biographen, der diese Szene am Flughafen in Philadelphia nicht sehr eindrücklich beschreibt, der nicht merkte, dass dies ein key point in Sonnys Leben war.

Sonny erhielt die öffentliche Anerkennung nie, welche ihm damals, genau zu diesem Zeitpunkt zugestanden hätte. Im Ausland war das übrigens anders. Sowohl bei seiner Europa-Tour 1963 als auch bei seinen Schweden-Kämpfen wurde er von der Bevölkerung völlig anders aufgenommen.

Der Strafenkatalog von Sonny ist lang. Seine (auch bewaffneten) Ueberfälle sind aktenkundig. Dafür wurde er verurteilt. Die Strafe hat er abgesessen. Mind. 2 Vergewaltigungen stehen im Raum, er war Geldeintreiber bei der Mafia und galt als Knochenbrecher. Er wurde angeklagt und verurteilt, den Polizisten Thomas Mellow angegriffen, ihm ein Bein gebrochen und dessen Pistole entwendet zu haben. Sonny soll später in Las Vegas auch mit Drogen gehandelt haben. Zudem wurde Sonny mal an anderer Stelle beschuldigt, sich als Polizist ausgegeben zu haben (hier verlief die Sache im Sande, aufgrund des Aktenstudiums kanns sein, dass dies schlicht ein Missverständnis war).

Wir sehen: es gab eine Menge Dunkel und Abstossendes im Leben des Charles L. Liston.

Trotzdem bin ich der festen Ueberzeugung: als es wirklich zur Crunch Time kam, als Sonny auf dem Hochseil balancierte und es unklar war, ob er vielleicht nicht doch zu einem Credit der Gesellschaft hätte werden können, liess man ihn schmählich im Stich, gab man ihm die Chance nicht, welche man ihm hätte geben müssen, wenn man denn schon moralisch argumentieren will.

Einem Mike Tyson hat man gefühlt die Absolution erteilt, einem Floyd Patterson auch. Gerade Floyd Patterson hat nachhaltig gezeigt, was aus einem Menschen werden kann, der keine guten Prämissen hat, ein moralisch gutes Leben bestreiten zu können. Er konnte auf diverseste Hilfsmittel zählen, die Sonny nie hatte und wurde ein einfühlsamer, sensibler, grossartiger Mensch, von dem ich beim Studium einen sehr guten Eindruck bekam. Tyson hatte das Glück, auf einen D Amato zu treffen, der ihm auch den einen oder anderen Wert mitgab. Trotzdem fiel er ziemlich in ein Loch, gelangte ins Gefängnis, bevor er sich wieder berappeln konnte und jetzt doch als sehr beliebt gilt. Wer spricht bei Tyson noch von all den Ueberfällen?

Charles L. Liston wird imo von der menschlichen Seite her absurd und grotesk falsch dargestellt. Seine diversesten Eskapaden und Failures sind imo sehr gut mit seiner Geschichte zu erklären.

Jenen, welche Liston dem Kehrricht und dem Abschaum zurechnen, kann ich nur raten, sich auch nur für eine Minute mal in einen Jungen zu versetzen, der die ersten 15 Jahre so leben musste, wie Sonny. Das ist doch absolut abartig, was der erleiden musste. Wie man mit einem solchen Leben jemals irgendwie sowas wie Stabilität, Ausgeglichenheit, Vertrauen in die Menschheit erreichen soll, ist mir ein Rätsel.

Für mich war das schon eine Meisterleistung von Sonny, dass er in der Lage war, über so viele Jahre eine mehr oder weniger stabile Beziehung zu Geraldine zu leben. Dass Sonny besonders mit Kindern und alten Menschen gut konnte, ist bekannt. Es ist für mich psychologisch kein Zufall, dass er insbesondere bei Kindern fröhliche Stunden erlebte und dort auflebte. Gut möglich, dass dies seine persönliche Redemption war, indem er diesen jungen hoffnungsvollen Wesen etwas mitgeben wollte, was er selber nie erhielt.

Darin liegt eine besondere Tragik im Leben des Charles L. "Sonny" Liston und diese schöne Seite werde ich ihm bei all dem Mist, den er verbrochen hatte, nie vergessen.

Clap on your shoulder Sonny. Du warst besser, als vieles, was über dich geschrieben wurde und verstanden hat Dich eh kaum einer.

Zu Ehren von Sonny: das Lied Night Train:


Quellenverzeichnis

FBI-Material:


Hier gibts öffentlich zugängliche FBI-Akten zu Sonny Liston, File Nr. 163-1275, File Nr. 172-31, File Nr. 92-7389

Dokumentationen:

Hier gibts die Doku Pariah: the lives and deaths of Sonny Liston 2019

Sonny Liston - The Mysterious Life and Death of a Champion
Sonny Liston - Behind the Fights ESPN Documentary 2003
Sonny Liston - ESPN Boxing Documentary
MOB RULE IN BOXING FRANKIE CARBO BLINKY PALERMO & JIM NORRIS THE IBC

Relevante Bücher:

Adler Tim, Hollywood and the Mob: Movies, Mafia, Sex and Death
Assael Shaun, The Murder of Sonny Liston: A Story of Fame, Heroin, Boxing & Las Vegas
Atlas Teddy, : From the Streets to the Ring: A Son's Struggle to Become a Man
Brooks Ken, Ingemar Johansson: Swedish Heavyweight Boxing Champion (English Edition)
Dundee Angelo, Bert Sugar, My View from the Corner: A Life in Boxing
Freedman Lee, Joe Louis: The Life of a Heavyweight
Gallender Paul R., Sonny Liston - The Real Story Behind the Ali-Liston Fights
Hauser Thomas, Muhammad Ali: His Life and Times
Hauser Thomas, The Boxing Scene
Izenberg Jerry, Once There Were Giants, The Golden Age of Heavyweight Boxing
Johnson Jack, Edward W. Smith, Jack Johnson: In The Ring And Out
Lamb Chris, From Jack Johnson to LeBron James: Sports, Media, and the Color Line
Mee, Bob, Liston and Ali: The Ugly Bear and the Boy Who Would be King and the Ugly Bear
Miller Patrick B., David K. Wiggins, Sport and the Color Line: Black Athletes and Race Relations in Twentieth Century America
Pacheco Ferdie and Budd Schulberg, Blood in My Coffee, The Life of a Fight Doctor
Remnick David, King of the World, Der Aufstieg des Cassius Clay oder Die Geburt des Muhammad Ali
Roberts Randy, Joe Louis: Hard Times Man
Runstedter T., Jack Johnson, Rebel Sojourner: Boxing in the Shadow of the Global Color Line
Sacks Marcy S., Joe Louis: Sports and Race in Twentieth-Century America
Short Martin, The Rise of the Mafia: The Definitive Story of Organized Crime
Steen Rob, Sonny Liston: His Life, Strife and the Phantom Punch
Stratton W. K., Floyd Patterson, The Fighting Life of Boxing's Invisible Champion
Sussman Jeffrey, Boxing and the Mob: The Notorious History of the Sweet Science
Tosches Nick, Der Teufel und Sonny Liston
Tyson Mike and Larry Sloman, Iron Ambition: My Life with Cus d'Amato
Young, A.S. "Doc", The Champ Nobody Wanted
 
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Tyson2fastFury

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Im Zuge der Diskussion um die Frage, ob Liston absichtlich gegen Clay/ Ali verloren hat, habe ich mich nochmals gründlich in die Vita des Charles L. Liston eingelesen und das Internet durchforstet, das Buch von Nick Tosches, "Der Teufel und Sonny Liston", hervor gekramt.

Von der Flut der Informationen, Fakten, Vermutungen im Netz war ich positiv überrascht. Bin also dabei, das äusserst umfangreiche Material zu sichten (welches täglich mehr wird) und so weit ich das kann, allenfalls zu überprüfen.

Allerdings ist mir schon jetzt klar, dass ich mich dem Menschen Charles L. "Sonny" Liston wohl nur annähern werde können. Vieles an der Vita Listons ist umstritten, wird wohl im Dunkel bleiben müssen.

Dennoch ist mir die Recherche ein Genuss und echter Spass. Bin selber gespannt, was da noch alles herauskommt.

Dieser Thread soll Sonny gehören. Seine guten, schlechten, umstrittenen, widersprüchlichen, bewundernswerten, ekelhaften, brutalen Seiten sollen hier zur Sprache kommen. Kurz: es soll ein möglich vielschichtiger Thread über Sonny entstehen.

Von mir aus kann man schon jetzt über Sonny hier diskutieren. Hoffe, der Thread wird dem Einen oder Anderen Spass machen und interessant sein.
habe viele dokus zu clay/ali-liston gesehen und auch viel gelesen. alles sehr dubios. bin mir ziemlich sicher, dass liston absichtlich verloren hat. und zwar nicht aus eigenem willen, sondern auf druck der mafia. genau beweisen können wird man es nie, denke aber, dass liston die kämpfe unter normalen umständen gewonnen hätte
 

Omaru

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sonnyscot2.jpg
 

Omaru

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Vor einem Jahrzehnt kam mal ein Film über Liston, mit Ving Rhames als Hauptrolle, raus. Ich hab mich gefragt ob es wirklich ein Pfarrer gab, der Liston während seiner Haftzeit das Boxen lehrte oder es so eine Hollywood Idee war?
 

Young Kaelin

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Vor einem Jahrzehnt kam mal ein Film über Liston, mit Ving Rhames als Hauptrolle, raus. Ich hab mich gefragt ob es wirklich ein Pfarrer gab, der Liston während seiner Haftzeit das Boxen lehrte oder es so eine Hollywood Idee war?

"Liston never complained about prison, saying he was guaranteed three meals every day.[22] The athletic director at Missouri State Penitentiary, Rev. Alois Stevens, suggested to Liston that he try boxing, and his obvious aptitude, along with an endorsement from Stevens, who was also a priest, aided Liston in getting an early parole. Stevens organized a sparring session with a professional heavyweight named Thurman Wilson to showcase Liston's potential". (quelle Wikipedia)

Diesen Father Stevens gabs und er war eine wichtige Person in Sonnys Leben. Er hat tatsächlich dafür gesorgt, dass Sonny Boxen lernte.

Zum Foto lautet der Beschrieb:

"Sonny Liston Shaking Hands with Priest
(Original Caption) 5/26/1965-Poland Spring, ME- Heavyweight boxer Sonny Liston says goodbye to an old friend, Rev. Aloysius J. Stevens, of Monett, MO, here May 26, the morning after Liston's defeat at the hands of world heavyweight champion Cassius Clay. Stevens, who traveled to Maine to catch the bout, was the priest who first induced Liston to enter boxing."


father stevens.jpg

darüber hinaus gabs einen father murphy in denver, der sich auch Sonny annahm.

father murphy.jpeg
 
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Young Kaelin

merthyr matchstick
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Der angeblich unehelicher Sohn (William Wingate) besuchte vor Jahren das Grab seines Vaters.


gibt viele Mutmassungen / Spekulationen über uneheliche Kinder von Sonny Liston.

William Wingate zählt dazu und wurde wohl im Buch von Paul Gallender (welches ich noch nicht gelesen habe) als Sohn von Sonny genannt.

auf den Fotos, welche ich gesehen habe, ist eine Aehnlichkeit nicht von der Hand zu weisen, aber ich weiss aktuell nicht, wie die Beweislage sich wirklich präsentiert. Muss mich einfach erst seriös reinlesen und mich gründlich einarbeiten, um evtl. überhaupt was vernünftiges dazu sagen zu können.

Gut möglich, dass gerade in Bezug auf mögliche Kinder vieles im Unklaren bleiben wird, auch wenn ich noch so viel Recherche betreibe.
 
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Omaru

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Gut möglich, dass gerade in Bezug auf mögliche Kinder vieles im Unklaren bleiben wird,
Ich will mir gar nicht ausmalen wie viele Kids Muhammad Ali in Wirklichkeit hat XD es gibt so viele Geschichten über diesen vielbereisten Mann über Frauen nach den Fights, Heffner Mansion und Parties mit Jim Brown. Letztere hat sogar mal das Deutsch-Jamaikanische Model Eva Bohn-Chin aus dem Balkon geworfen (sie hat überlebt), weil sie ihn wegen seiner Affäre mit Gloria Steinem (Feministin und Heraugeberin) angegriffen hat.
 

Devil

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Ist liston eigentlich der einzige hw Champion der durch einen ko in der 1.runde Champion wurde? Mir fällt spontan keiner ein.
 
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