Wieder in Sibirien
Das ZDF hat von einigen hundert Ehepaaren erneut
zwei ausgewählt – aus Ost- und Westdeutschland –
und für mehrere Monate nach Sibirien geschickt
Nun geht es weiter in der Permafrostregion Nordwestsibiriens, auf der Halbinsel Jamal oberhalb der Ob-Mündung. Die dritte TV-Sibirien-Expedition 2005 wird ihre Protagonisten wahrscheinlich nach Kamtschatka verfrachten. Das ZDF aber hat dazugelernt: Die beiden Ehepaare bleiben nur drei Monate auf Jamal, bekommen mehr Geld und sind sprachkundig.
Es handelt sich zum einen um die
Familie Rabe aus Schleswig-Holstein: Er ist Arzt, sie Steuerberaterin. Er hat drei Kinder aus erster Ehe, sie zwei. Während er an Rußlandkenntniss nur seine Begeisterung für den Film »Dr. Schiwago« mitbringt, hat sie als DDR-Ökonomin drei Jahre in Kiew studiert. Vom Sibirienabenteuer erhofft sie sich ein »Zusammenwachsen« ihrer Ost-West-«Patchworkfamilie«. Das andere
Ehepaar – Stute – stammt aus Sachsen-Anhalt und hat eine Tochter: Er ist Landwirt, sie Arbeitsamts-Sachbearbeiterin (!), beide verstehen ein bißchen Russisch.
Den Kindern, die im Dorf Jarssalei, in dem die zwei Familien untergebracht sind, zur Schule gehen müssen, hat das ZDF vorab einen Russischkurs verpaßt. Überdies kümmert sich ein Nenze, Kyril, der eine Fleischvermarktungsfirma hat, um die Familien. Der Abwechslung (und der Bilder) halber fährt er mit ihnen auch zu seinen Verwandten, die als Rentierzüchter in der Tundra leben. Dort müssen die Deutschen in Zelten leben, auf die Jagd gehen und angeln.
Der Landwirt arbeitet ansonsten auf der örtlichen Sowchose, seine Frau in einer Kita, der Arzt in der Klinik von Jarssalei, seine russischkundige Frau assistiert. Die Sowchose zahlt so gute Löhne, daß im Sommer Saisonarbeiter aus Moldawien und der Ukraine bei ihr jobben. Die deutschen Ehepaare sind in alten Holzhäusern untergebracht, die allen modernen Komfort bieten: Zentralheizung, Spülklos und Bäder und zwei Nenzen-Familien gehören, die in dieser Zeit bei ihren Rentierherden in der Tundra leben.
Jarssalei, das man per Schiff über den Ob oder per Hubschrauber von Workuta aus erreicht, ist ein reiches, schönes Dorf, in dem es alles gibt, was man braucht. Seine Schule mit Internat (für die Nomadenkinder) ist materiell weitaus besser als jede deutsche Schule ausgestattet – pädagogisch sowieso. Außerdem scheint es da oben das leidige Alkoholproblem der Nordmeerregionen nicht zu geben.
Den Nenzen sieht man an, daß sie sich in der Vergangenheit mit allen möglichen Russen vermählt haben. In der DDR wurden sie bekannt über das »Jamburg-Abkommen«, mit dem, nach dem Röhrenembargo des Westens, die Beteiligung der sozialistischen Bruderländer an einer Erdgastrasse vom Mittleren Ob bis nach Berlin geregelt wurde. Diese Trasse hat man dann bis zum »Jamal-Feld« nach Norden verlängert: Wir kochen hier also alle mit nenzischem Gas. Neuerdings ist das kleine sibirische Volk vor allem durch die Filme der Nenzin Anastasia Lapsui und des Finnen Markku Lehmuskallio bekannt geworden, die jedes Jahr eine neue Dokumentation auf der Berlinale präsentieren. Über die Burjaten, die am Baikalsee siedeln, unterrichtet uns das deutsche Fernsehen regelmäßig durch seine Moskaukorrespondenten, die sich im Sommer noch stets auf Sibirien-Tour begeben haben. Kamtschatka könnte man aus dem Berliner Haus der Kulturen der Welt kennen, das mehrmals Künstlergruppen von dort einlud. Die ZDF-Jamal-Expedition endet im November. Bisher sind zwei von vier Folgen abgedreht. Die nächste Folge wird wohl um Weihnachten herum ausgestrahlt werden.