Ich werde auf jeden Fall mir den Film auch angucken. Wie gesagt ist das Pflicht als Fussballfan.
Quelle: programmkino.de
Sönke Wortmann ist zurück! Sein Film ist rund und dauert 118 Minuten - von denen keine zuviel ist. „Das Wunder von Bern“ erzählt vom sagenhaften Sieg der deutschen Mannschaft bei der Fußball WM 1954 und schildert zugleich die schwierige Gefühlslage Deutschlands in der Nachkriegszeit. Wortmann verknüpft das historische Ereignis mit einem Familiendrama und zieht dabei alle Register: Das Ergebnis ist hochprofessionell und sehr emotional.
Turek im Tor, Fritz Walter, Helmut Rahn, Horst Eckel...noch heute gibt es viele Menschen, die die Mannschaftsaufstellung der legendären Elf von Bern herunterrattern können. Der Sieg der Deutschen bei der WM 54 war damals tatsächlich wie ein Wunder - und er bewirkte Wunder: In Deutschland herrschte plötzlich wieder Aufbruchsstimmung.
Sönke Wortmann erzählt die Geschichte aus der Perspektive eines kleinen Jungen und er könnte seinen Film nicht besser beginnen: Eine Brieftaube fliegt durch die Luft, wird sehnsüchtig von einer Gruppe Kinder erwartet, aber sie bringt schlechte Nachrichten: Rot-Weiß Essen hat gegen Alemannia Aachen 0:1 verloren. Der elfjährige Matthias ist schwer enttäuscht, schließlich ist er der Taschenträger des Essener Stars Helmut Rahn und Fußball bedeutet ihm alles, zumal Rahn für ihn wie ein Vater ist. Seinen echten Vater kennt Matthias nicht, denn der befindet sich, wie so viele Männer, noch immer in russischer Gefangenschaft.
Matthias´ Familie hat gelernt, sich ohne das ehemalige Familienoberhaupt durchzuschlagen. Die Mutter hat eine Kneipe eröffnet, die drei Kinder und sie bilden eine eingespielte Gemeinschaft. Doch eines Tages kehrt der Vater (Peter Lohmeyer) als Spätheimkehrer nach Essen zurück und stellt alles auf den Kopf. Für Matthias ist er nicht nur ein Fremder, er will ihm auch die Freude am Fußball vergällen und schlägt ihn sogar, als er entdeckt, dass sein Sohn in der Kirche nicht etwa für seine Familie eine Kerze anzündet, sondern für sein Stürmer-Idol Rahn...
Während sich im Ruhrgebiet ein Familiendrama entwickelt, überschlagen sich in der Schweiz auf ganz andere Art und Weise die Ereignisse. Völlig unerwartet feiert die deutsche Fußballmannschaft unter Sepp Herberger bei der WM einen Erfolg nach dem anderen und steht schließlich im Endspiel.
Matthias ist, wie ganz Deutschland, vor Begeisterung nicht mehr zu halten und auch sein Vater beginnt zu begreifen, dass ein Wunder geschehen muss, damit er zu seiner Familie zurückfindet. Er setzt seinen Sohn ins Auto und fährt mit ihm zum Endspiel nach Bern.
Spätestens wenn der Reporter ins Mikrofon ruft: „Schäfer nach innen geflankt, Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt! Tor, Tor, Tor, Tor...“ wischt man sich unweigerlich Tränen der Rührung aus dem Augenwinkel und weiß: Sönke Wortmann hat gewonnen – er hat die schwere Aufgabe, ein historisches Großereignis ins Kino zu bringen, gemeistert.
Vor allem zwei Dinge sind gut gelungen: Die Familiengeschichte funktioniert als emotionales und erzählerisches Verbindungselement und die Fußballbilder sind so aufwändig und historisch genau wie sie sein müssen. Wortmann hat nicht gekleckert, sondern geklotzt. Schließlich weiß er als Ex-Profi selbst: Beim Fußball hört der Spaß auf. Und so hat er in aufwändigen Castings nach Darstellern gesucht, die nicht nur kicken können, sondern auch physiognomisch an die Helden von Bern erinnern. Wer sich an ein Heiligtum wagt, muss eben auf Details achten.
Mindestens so schwierig wie die Suche nach dem richtigen Winkel der einzelnen Flanken, dürfte aber die Frage gewesen sein: Wie macht man aus einer Fußball WM einen Film, den auch Frauen sehen wollen? Sönke Wortmanns Lösung ist der Griff in die ganz große Gefühlskiste. Eindeutig im Mittelpunkt steht die Geschichte zwischen Vater und Sohn, gespielt von Peter Lohmeyer und seinem echten Sohn Louis Klamroth. Das Familiendrama um den verbitterten und verstörten Kriegsheimkehrer, der durch seinen Sohn zurückfindet ins Leben, bietet süßes Gefühlskino pur. An manchen Stellen würde man sich ein paar Ecken und Kanten wünschen, aber man weiß gleich: Das ist nicht Wortmanns Stärke. Die fehlende Tiefe in der Psychologie der Figuren gleicht er aber aus, indem er sehr eindrucksvoll das Milieu schildert, in dem die Familie lebt. Und dann zeigt Sönke Wortmann seit langem mal wieder, was er eigentlich kann: Er hat ein Händchen für die große Leinwand, er kann Spannungsbögen bauen und er kann Geschichten erzählen, die im besten Sinne gute Unterhaltung bieten. Die historischen Ereignissen hieven das alles dann auf eine emotionale Höhe, die den Film zu einem besonderen Erlebnis machen.
Nach einigen Flops ist Sönke Wortmann mit „Das Wunder von Bern“ wieder im Spiel.
Sandra Vogell