Ich habe bisher bei Wilder wenig taktisches Verständnis gesehen (aber auch kein taktisches Unverständnis!).
So boxte er doch gegen etwas bessere Gegnerschaft doch stets im selben Stil und musste kaum Anpassungen machen: er lies den Gegner kommen und hämmerte rein, ist der Gegner angeschlagen, setzt er enorm wild nach.[...]Irgendwie weiss er, wann er mitschlagen muss.
Von der Ring IQ finde ich Wilder relativ mau. Seine Leistung gegen Stiverne I fand ich diszipliniert. Ansonsten ist das bei Wilder finde ich überschaubar. Er ist jetzt nicht ein Mann mit besonders geringer Ring IQ aber auch kein Adaptions Talent. Abgesehen von Stiverne I, auf welchen (taktischen) Kamfp beziehst Du Dich in diesem Urteil?
Wir sind uns überwiegend einig, dass Wilder regelmäßig nicht derjenige Boxer ist, der seine Gegner mit technisch gutem Boxen und hoher Variabilität auseinanderschraubt. Er vermeidet den Infight gegen Boxer, die beim Wühlen am Mann die stärksten Phasen haben (Stiverne, Molina) und lässt sich überwiegend auch nicht auf Schlagabtausche mit Gegnern ein, die Dampf in den Fäusten haben (Ortiz). Seine Taktik besteht aus der Kampfesführung aus der Distanz oder Halbdistanz mit seiner herausgestochenen Form des Jabs und gelegentlicher Variation zum Körper. Dies entspricht mit Sicherheit einem taktischen Plan. Auch das Zurücknehmen des Kopfes/Oberkörpers bei Treffern des Gegners ist Absicht und kein Zufall. Obwohl er unzweifelhaft brachiale Kraft in den Fäusten hat, lässt er den Gegner gerne sich müde schlagen, bis der an Konzentration und Workrate verliert. Ich empfehle, sich in diesem Zusammenhang noch einmal die 5. Runde gegen Ortiz anzuschauen. Man sieht deutlich, wie Ortiz unpräziser in seinen Angriffen und nachlässiger in seinem Defensivverhalten wird. Wilder rückt in der Runde zunehmend heran, je statischer Ortiz wird. Ergebnis ist der Knockdown. Meines Erachtens kein Zufallsprodukt sondern ein Adaptieren der Schwächen des Gegners. Auch danach hält Wilder seine von Disziplin geprägte Linie ein und wartet auf seine Gelegenheit, auch wenn es nach Punkten nicht gut läuft.
Ich gehe davon aus, dass Wilder und sein Team sich genau Fury ausgeguckt haben. Sie wissen um die Beweglichkeit, um den hohen Grundspeed von Fury, aber eben auch um den Hang zu Mätzchen und die eher maue Workrate. Natürlich wird Wilder versuchen den Jab zu etablieren. Er wird versuchen müssen Fury - sofern der noch an seine Leistung gegen Klitschko anknüpfen kann - in viel Bewegung und kräfteraubende Aktionen zu treiben, bis Fury plattfüssiger und nachlässiger wird. Wilder kann sich nicht erlauben, Fury den Kampf durch Alibiaktionen von Außen machen zu lassen, er muss Druck aufbauen und das wissen er und sein Team genau. Sobald Fury statisch wird, ist Wilder da.