Aber sich als Klitschko hinstellen und im nachhinein über Haye Häme ausgiessen war auch nichts ,die beiden haben geboxt und danach sollte gut sein.
Im Gegenteil - Aus meiner Sicht ist jede Häme berechtigt gewesen.
Man kann sich zweifelsfrei hinstellen und sagen: "Jede persönliche Angriff durch Haye auf Wladimir vor dem Kampf, der deutlich unter der Gürtellinie war (und davon gab es einige), diente lediglich der (erfolgreichen) Promotion des Kampfes und war letztlich nur im Interesse Wladimirs - Nach dem Kampf gilt: Schwamm drüber!"
Man kann auch sagen: "Haye hat sich vor dem Kampf verletzt und hat trotz der ihn behindernden Verletzung den Kampf durchgezogen, um die Fans nicht zu verprellen - Respekt - Haye beweist Eier!"
Ebenfalls kann man sagen: "Haye hat eine herausragende boxerische Leistung gezeigt, indem er Wladimir durch seine außergewöhnliche Defensive, die eine wahre Augenweide war, weitgehend neutralisiert hat und ihn zweitweilig unbeholfen hat aussehen lassen. Dafür hätte er mindestens ein Unentschieden, wenn nicht sogar einen Sieg verdient gehabt!"
Für mich sieht das anders aus, Haye hat irgendwann den Plan gefasst, statt mittelmäßiger Zahltage im Cruiser lieber das dicke Geld im Schwergewicht durch ein paar ausgesuchte Kämpfe zu scheffeln. Von vorne herein stand für ihn fest, dass er nicht die Ochsentour der anderen Contender-Deppen gehen wollte, sondern es musste schnellstmöglich das ganz dicke Geld sein, was es nur gegen die Klitschkos geben kann. Um sich in einen solchen Kampf hinein zu quatschen, war ihm jedes Mittel recht - je lauter, je unsachlicher, desto wirkungsvoller. Für eine solche Nummer braucht man Charisma, eine dicke Haut und viel Selbstvertrauen - alles im Übermaß bei Haye vorhanden, die bestehenden sportlichen Erfolge konnten diese Mission nur unterstützen.
Diese Taktik ist voll aufgegangen - er hat sich nicht nur in zwei Titelkämpfe rein- und wieder rausgequasselt - er hat sich auch noch die Unterstützung zweier Promoter-Alphatiere gesichert, die ihm einen HW-Titel auf dem Silbertablett serviert haben. Clever. Marketingtechnisch hat Haye bis zum ersten Gong alles richtig gemacht. Meisterlich auf der Business-Klaviatur gespielt, die eingesessenen Größen der Branche durcheinander gewirbelt und verarscht - soweit so super. Leider hat die Sache einen Haken: Wenn das Matchmaking stimmt, kann man offenkundig mit wenig Aufwand und relativ wenig Substanz Titel und viel Geld abgreifen, bei echten sportlichen Herausforderungen funktioniert diese Masche aber nicht mehr.
Haye hat wirklich alles gegeben im Ring, kaum ein Mätzchen ausgelassen um Wladimir zu verunsichern oder den Ringrichter zu beeinflussen. Er hat sich taktisch eine grandiose Vermeidungsstrategie entwickelt. Irgendwie hätte es eines professionellen Beraters bedurft, der ihm steckt, dass man damit weder den Kampf gewinnen kann, noch die hypegeschürten riesigen Erwartungen erfüllt. Wenn es letztlich aber die Absicht war, die erwartete Niederlage wenigstens stehend und weitgehend unversehrt einzufahren, dann sollte man die enttäuschten Fans nicht noch mit lahmen, weil unprofessionellen Ausreden verärgern und dem lauernden Gegner eine unnötige Steilvorlage für die berechtigte Häme liefern. Wenn die Zehnummer in Training auftritt, dann ist doch relativ schnell klar, wie sich diese Verletzung auf seine Leistungsfähigkeit auswirkt. Kann mir keiner erzählen, dass sich innerhalb eines professionellen Teams nicht automatisch die Frage nach den Auswirkungen stellt. Kann mir auch niemand erzählen, dass bei einem Boxer, der eine solche, vielleicht einmalige Chance auf Titel und Ruhm nutzen will, plötzlich Skrupel wegen eines in solchen Fällen üblichen Vorgangs ("verletzungsbedingte Absage") auftreten. Schon vor Haye wurden Kämpfe verletzungsbedingt verschoben, nach ihm auch - ganz lahme Nummer.
Für mich war unabhängig von der Frage, wie die Leistung des Kontrahenten war, Hayes Leistung eine ganz schwache Nummer. Er hat die Chancen nicht einmal zu nutzen versucht, hat sich ab einem bestimmten Zeitpunkt mit der Niederrlage abgefunden und nur noch die Vermeidungsstrategie gefahren (das Aufbäumen in der letzten Runde ist unbedeutend). Er muss sich natürlich an dem selbsterzeugten Hype messen lassen und hat inklusive der lahmen und pathetischen Zehnummer eine denkbar schwache Vorstellung geboten. Jede Häme ist berechtigt.
Sein Verhalten nach dem Kampf bis heute deutet allerdings darauf hin, dass er sich damit hervorragend arrangieren kann. War wohl von vorneherein nicht anders kalkuliert worden. Gemessen an den eingestrichenen Geldern irgendwie clever und dann wieder bewundernswert.