Das Lechzen der Wüstenexpedition
Mit dem 1:0-Erfolg über den FC Bayern München sind die Schalker ihren Meisterschaftsträumen ein Stück näher gekommen. Doch das Gipfeltreffen zwischen Titelkandidaten offenbarte auch, dass nationaler Erfolg nicht unbedingt international tragfähig ist. Auf europäischer Bühne hinkt der deutsche Fußball weiter hinterher.
Bevor wir zum Eigentlichen kommen, müssen wir Peter Lohmeyer mitteilen, dass er ab sofort wie ein Fußballfan der unerträglichen Sorte zu behandeln ist. Sich einzureihen in die Kolonne der Dummköpfe in der "Arena AufSchalke", die für eine Weile Oliver Kahn, dem Torwart des FC Bayern München das "beliebte" Affengebrüll entgegenschleuderten, ist niveaulos, wenn man es als nationaler Filmstar wie Lohmeyer macht, peinlich, und sogar dumm, wenn er dabei vergisst, dass die Kameras von "Premiere" alles sehen.
Das direkte Duell gegen den FC Bayern München hat Schalke 04 gewonnen. Aber sind die Gelsenkirchener auch nach dem 34. Spieltag der Fußball-Bundesliga vorn?
Die Schalker Fans haben etwas die Contenance verloren, am Sonntagabend, logisch, die Bayern wurden 1:0 besiegt, und die viel besungene Region lechzt nach der Meisterschaft wie Überlebende einer Wüstenexpedition. Natürlich war dieses Spitzenspiel so, wie man es erwarten durfte: grottenschlecht. Schalke spielte so Fußball, wie der Clubs wirtschaftet: Sagenhaft aufwändig. Hier wildes Rennen, dort irres Schuldenmachen. Lincolns Tor muss daher vorerst als Return on Investment interpretiert werden.
Dass die vorhersehbare Coolness der Bayern an diesem Abend nicht nur Strategie, sondern auch Zeichen von Defiziten war, muss ebenfalls festgehalten werden. Den Glauben, dass der Rekordmeister 20 gleichwertige Spitzenspieler beschäftigt, blamierte das Münchner Gewürge in Gelsenkirchen ziemlich. Ohne Makaay, Scholl, Zé Roberto und Kovac nähert sich das einst als "weißes Ballett" verklärte Ensemble doch ziemlich mauem Rumpelfußball. Zé Roberto (Atletico Madrid) und Niko Kovac (Juventus Turin) haben sich zudem bereits anderweitig orientiert, um dem angekündigten Sparkurs der Bayern zu entfliehen. Weil die neue Allianz-Arena den Verein wohl teurer kommt als gedacht, muss das Gehaltsgefüge den Umständen angepasst werden. Das lässt nichts Gutes für die Qualität des bayerischen Fußballstandorts befürchten.
Womit wir nach dem großen Ganzen fragen, dem deutschen Fußball als solchen. "Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden", sagt "Ranger" im "Schuh des Manitu". Mal angenommen, Schalke wird in diesem Jahr Meister - was darf man von dieser Mannschaft in der Champions League erwarten? Einem Team, das soeben im Uefa-Cup an Donezk gescheitert ist? Deutscher Fußball, das galt einst als Spitzenprädikat auf internationalen Spielfeldern. Und 2005? Die DFL will der Öffentlichkeit Selbiges immer noch weiß machen und jazzt die Bundesliga hoch zu einer intergalaktischen Klasse. Parma, Donezk und Alkmaar haben jedoch neulich erst den Sportfreunden in Stuttgart, Schalke und Aachen (ok, die sind nur zweitklassig) gezeigt, dass man sogar im Uefa-Cup gut ohne sie klar kommt.
Bleiben als letzte Europaabgeordnete wie immer die Bayern, deren Weiterkommen in der Champions League gegen den FC Arsenal höher eingestuft wird, als der Gegner wert ist. Wenn München auch noch das Viertelfinale übersteht, greift das Wort Sensation, wenn nicht, dann schlagen wir nach bei "Ranger": die Gesamtsituation des deutschen Fußballs macht unzufrieden. Mit Brachialgewalt und mittlerweile 112 Millionen Euro Schulden im Gepäck ackert sich Schalke an den nationalen Krösus Bayern heran und wird irgendwann dort landen, wo der lokale Nachbar Dortmund soeben angekommen ist: Wer jetzt schon weiß, dass er aus finanziellen Gründen die nächsten acht Jahre in die Champions League kommen muss (so hat es Schalkes Finanzchef Joseph Schnusenberg ja gesagt), der wird irgendwann, im wahrsten Sinne des Wortes, sein blaues Wunder erleben.
Vielleicht verläuft die Bundesliga ja künftig so: Eine Handvoll Clubs schaffen es, die Bayern im Titelkampf zu besiegen - um dabei aber soviel Kraft (und Geld) zu lassen, dass es so schnell zu keiner Wiederholung und in der Champions League nur noch zu Vorrundensiegen reicht (siehe Werder Bremen). Die Bayern pendeln national zwischen Rang eins und zwei, dürfen auf Europas Bühnen wegen ihrer Personalmenge noch ein bisschen länger mittun - doch weil der Verein die wirklich Guten (Zé Roberto) nicht halten kann und die vermeintlich Guten (Sebastian Deisler) nicht gut genug sind, fällt der Vorhang im Viertelfinale.
Somit bleibt der DFL nichts anderes übrig, als den Heimatsport Bundesliga als Nonplusultra zu verkaufen, dem Fan scheint es ja auch zu reichen: Er bekommt edle Stadien, rasante Abstiegskämpfe, und das Ruhrgebiet wird besoffen sein vor Glück, wenn Schalke Meister wird. Spätestens, wenn dann die Mannschaft gegen Kiew aus der Champions League gekegelt wird, sollte auch Peter Lohmeyer nach Hause gehen und schweigen.
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Auch wenn das wieder stark nach "Quarktaschen-Gegeifer" klingt, ein Körnchen Wahrheit steckt doch in diesem Artikel drin. :thumb: