Ich hätte ganz ehrlich Schiss in so einem Land zu leben. Jörn Andersen war ja sogar mal Trainer von Nordkorea. Da würde ich permanent Bammel haben gegen irgendein ungeschriebenes "Der Führer hat ne Schraube locker und fühlt sich jetzt auf den Schlips getrampelt"-Gesetz zu verstossen und dann in der Folterkammer und/oder Todeszelle zu landen. In einem Moment bist du noch Nationaltrainer und im nächsten wird dir live auf Al Jazeera die Birne abgesägt. Danke, aber nein danke.
Ich habe dort ein halbes Jahr gelebt (Riad) und als Student dort ein Praktikum gemacht bei einem deutschen Konsortium. Ist schon ein bisschen her (in den 2010er Jahren). Gewohnt habe ich in einer alten Villa mitten in Riad, nicht in einer bewachten Hotelanlage (die sog. Compounds).
Also was das Sicherheitsgefühl angeht:
1. als Mann...
und
2. als Deutscher...
hat man da eigentlich keine Probleme (was zu erwarten war). Ich habe es sogar darauf ankommen lassen und kurze Hose getragen (wird dort nicht gerne gesehen). Mal gab es Ärger von ausl. Wachpersonal (Inder, Bangladeshi?) einer Mall. Er erteilte mir Eintrittsverbot. Ein Saudi sah die Szene, fragte mich wo ich herkomme und sorgte dafür, dass ich reinkomme. So läuft das da.
Anpassung an die dortige Kultur ist nicht unbedingt erwünscht. Ganz im Gegenteil: viele freuen sich und sind neugierig wo man herkommt. Hansa Rostock ist in Riad z.T. bekannt.
Von daher, auch aufgrund dieser Erfahrung, bin ich nicht der Meinung, dass sich bspw. ein Syrer in Deutschland komplett anpassen und assimilieren sollte. Ich finde es gut, wenn er im Rahmen unserer Gesetze seine Kultur beibehält. Das fördert meiner Meinung nach das Zusammenleben in Deutschland.
Auch am Zugbahnhof (Zug von Riad bis kurz vor Bahrain mitten durch die Wüste) wurde ich angehalten und aufgefordert eine lange Hose anzuziehen. Ich musste dem nachkommen, sonst hätte ich nicht mitfahren dürfen.
Visum war damals nicht so einfach zu bekommen. Visum nur mit Einladung von KSA (Dokument händigte mir mein Arbeitgeber aus für die Beantragung Visum).
Laptoptasche im Shoppingcenter vergessen. 2 Stunden später stand sie da immer noch.
Mein Sicherheitsempfinden war dort um einiges größer als in Deutschland.
Ein Muttawa (Religionswächter, Polizist) zeigte mir im McDonalds auf der Grenzinsel zwischen Bahrain und Saudi den Hitlergruß (offensichtlich war das wohl sein Humor), als er mich fragte aus welchem Land ich komme. Einen Muttawa sollte man in Ruhe lassen.
Ansonsten nicht viel los in Riad.
Autofahren, Shoppen, Essen, Schlafen, Wüstentour, Arbeiten (wenn man ein Mann ist) und wieder Schlafen. Der Wechsel zwischen Klimaanlage und Hitze macht einen zu schaffen.
Gebetszeiten heisst: raus aus der Mall. Muezzine hört man hundertfach in der ganzen Stadt. Morgens, mittags, abends, nachts. Fast immer.
Ich war sogar zur Fastenzeit da. Nix los dann. Garnix.
Kein Alkohol. Aber in den Compounds erlaubt und auch in der deutschen Botschaft. In die Compounds und Botschaft nur mit Einladung. Extrem schwer bewacht von saudischen Soldaten (bewaffnet mit MG). Saudis dürfen da in der Regel nicht rein.
In Bahrain das krasse Gegenteil (Kulturschock: Alkohol, Rotlicht, Diskotheken, viele Amerikaner (wg. Stationierung Persischer Golf).
Die Eindrücke sind definitiv krass, sowohl von KSA als auch Bahrain. Es gibt Dinge, die man hier kaum glauben kann. Ich war zu Gast bei einem Saud-Verwandten x-ten Grades. Diener und Bedienstete, die aussahen wie der kleine Muck, schenkten mir Tee ein. Selber einschenken? Verboten. Der Saud-Verwandte zeigte uns seine Autos.
Eins muss ich sagen: Saudis sind sehr sehr nett, zuvorkommend und gastfreundlich..Ein fremder Saudi in KSA ist i.d.R. freundlicher und zuvorkommender als ein fremder Deutscher in Deutschland. Man sollte aber die oben genannten Voraussetzungen (Mann, Deutsch oder westlich) mitbringen. Als Inder oder Bangladeshi (oder Schwarzafrikaner) kann es schwieriger sein. Ein Blick auf die Baustellen (sehr viele von Bin Ladin) war kein guter Anblick. Die armen Bauarbeiter bei 60 Grad in der Sonne. War nicht schön.
Einer Frau würde ich grundsätzlich abraten dort hinzufahren.
Es gibt in Riad eine Deutsche Schule. Deutsche Familien leben dort (weil bspw. der Mann dort für eine deutsche Firma arbeitet) i.d. Regel in den bewachten Compounds. Die Ehefrau verbringt dort die meiste Zeit.
Ansonsten: Machogesellschaft. Das muss man so sagen. Umgang mit Gastarbeitern aus Indien, Somalia usw. z.T. sehr übel. Das Thema "Umgang mit Frauen und Gleichberechtigung" würde den Thread sprengen. Es herrscht dort ein ganz anderes Verständnis zu diesem Thema.
Apropos Wetter: ich war dort von Frühjahr bis Herbst. Nun ja...