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Keilerei in der Kreisklasse
Zweimal elf Wittener hatten sich gerade 2:1 getrennt, da waren auf einmal 40 auf dem Spielfeld, und es war kein Spiel mehr: Nach einer Massenschlägerei landete ein 19-Jähriger schwer verletzt im Krankenhaus. Später hieß es, es sei um einen rüden Tritt gegangen, einen Sprung in die Hacken und einen Haufen böser Beleidigungen: Jedenfalls war ein Kosovo-Albaner betroffen und seine Familie hatte sich eingemischt, und das alles sah man hinterher auf dem Material eines Kamerateams, das zufällig auf dem Platz war. Thema des Films: Fußballkultur im Revier.
So erfuhr die Öffentlichkeit davon und auch, weil der Schiedsrichter nach dieser Kreisliga-Begegnung im September einen Sonderbericht schrieb, schon wegen des Schwerverletzten. Sonst hört man meistens nichts. "Aber intern spricht jeder darüber", sagt ein Essener Amateurspieler. Man kenne "seine Mannschaften, von denen man weiß: Wenn denen im normalen Zweikampf was nicht passt, dann gibt´s auffe Zwölf". Von Prügeleien am Strafraum wird da berichtet, von Drohungen nach einem Gegentor, von Teams, die bekannt sind für ihre "Lust auf Randale". Und es beginnt schon bei der kleinen Jugend.
Der Fußball-Verband Niederrhein (FVN) hat auf die Ausschreitungen reagiert: Er führte eine Fair-Play-Wertung ein, in die sämtliche Vergehen einer Saison einfließen. So gibt es für eine gelb-rote Karte 2, für einen Spielabbruch gleich 30 Punkte. "Das funktioniert, die Zahl der roten Karten ist rückläufig", lobt Wilfried Masuch, Vorsitzender im FVN-Fußballausschuss.
Den Titel "fairste Mannschaft vom Niederrhein" und 3500 Euro Prämie teilten sich nach der Saison 2004/05 die Bezirksligisten VfB Homberg II aus Duisburg und TuB Bocholt. Zu den schwarzen Schafen ihrer Spielklasse gehörten hingegen die Landesliga-Kicker von Altenessen 18, verursacht durch diverse rote Karten und einen Spielabbruch. "Für den Abbruch konnten wir nichts, das haben Zuschauer der Gäste zu verantworten", sagt Trainer Rolf Gramatke.
Tatsächlich seien es eher Außenstehende als Aktive, die "den Ball ins Rollen bringen", das sieht auch Karl Berheide so, der Fußballausschuss-Vorsitzende im Kreis 13, dem Essener Nordwesten: "Der schlechte Einfluss kommt von außen", sagt Berheide, "insbesondere bei ausländischen Vereinen."
Moment mal, hat er wirklich "bei ausländischen Vereinen" gesagt? Ja, hat er, er meint die wachsende Zahl der Mannschaften, in denen sich nur türkische, nur jugoslawische oder nur marokkanische Spieler zusammenfinden. Und Berheide bekommt dafür auch Rückendeckung von Altenessens Trainer: "Alle reden darüber, aber keiner wagt, es auszusprechen." Aus Angst, in die "rechte Ecke" gedrängt zu werden, wie auch weitere Amateurfußballer befürchten.
In Osnabrück sorgte vor zwei Jahren der Kreisligist SV Kosova für Angst und Schrecken. Tritte, Drohungen, Beleidigungen gehörten zu den Spielen wie die Tore. Ein Problem sinkender Hemmschwellen, wie auch außerhalb der Plätze. Ein Problem der Ballungsräume ohnehin. Aber: "Leider stimmt es", sagt Henning Schick, Referatsleiter Soziales beim Niedersächsischen Fußballverband: "Der Ausländeranteil an der Gewalt im Fußball ist überproportional hoch." Andererseits würden gerade türkische Teams oft mit Schmähungen und Beleidigungen empfangen. Da wird Fußball zur Frage der Ehre.
Um den Vorfällen zu begegnen, bleiben dem Verbandswesen die Spruchkammern. Hier werden Vergehen behandelt, je nach Schwere auf Kreis-, Bezirks- oder Verbandsebene. "Die Druckmittel Ausschluss, Punktabzug und Zwangsabstieg haben Wirkung gezeigt", beurteilt Wilfried Masuch, solch drastische Maßnahmen mussten in den letzten Jahren gar nicht ergriffen werden. Zudem wurden die gastgebenden Vereine stärker in die Pflicht genommen, für Ruhe zu sorgen. Andernfalls werden Ordnungsgelder aufgebrummt.
"Je schwächer die Liga, desto mehr Ausschreitungen", rechnet Karl Berheide vor. Im Moment aber herrsche "zum Glück Ruhe". Jedenfalls in Essen-Nordwest. "Aber wer weiß, wie lange noch?" Es ist ja erst ein gutes Jahr her, dass etwa Sylvester Januszewski eine fünfjährige Sperre einfuhr. Der Spieler von Juspo Altenessen hatte einen Schiedsrichter rüde um- und zusammengetreten. Anlass für seinen Frust: Die Partie gegen die Ballfreunde Bergeborbeck war ein Relegationsspiel und ging für Januszewskis Kreisligisten 1:5 verloren: Abstieg."Der schlechte Einfluss kommt von außen."
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"Das Spiel hat Regeln"
"Aggression und Gewalt im Amateurfußball" heißt eine Studie, die 2002 aus dem Projekt "Gegen Gewalt im Fußballsport" des Fußballverbands Mittelrhein entstand. Autor ist der Kölner Politologe H.-Georg Lützenkirchen. Mit ihm sprach Annika Fischer.
Auf den Fußballplätzen wird nicht nur gepölt, sondern geprügelt. Nimmt die Gewalt zu?
Lützenkirchen: Die Qualität ändert sich. Die Formen von Aggression werden brutaler. Und es gibt etwas Neues: Schon die Junioren greifen in ein Arsenal von Provokationen, um andere zu verletzen. Daraus entsteht dann Gewalt.
Fouls gehören zum Spiel. Wo liegen die Grenzen?
Lützenkirchen: Ein gewisses körperliches Moment gehört in der Tat dazu. Aber das Spiel hat Regeln, und die haben mit Aggression nichts zu tun. Ein "faires Foul" kann es also eigentlich gar nicht geben.
Fördern Aggressionen nicht auch die sportliche Leistung?
Lützenkirchen: Es gibt Aggression, die ist nötig und sinnvoll, um zu gewinnen. Die andere ist die, die von außen kommt: Wenn Frust im Alltag, etwa Arbeitslosigkeit, zu rabaukigem Verhalten führt. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Sorge machen mir aber auch die Zuschauer: Da werden Eltern mit überzogenem Ehrgeiz, die sich einmischen, zum Risikofaktor.
An Prügeleien sind häufig ausländische Vereine beteiligt. Darüber spricht niemand gern.
Lützenkirchen: Man hat Angst, als ausländerfeindlich zu gelten. Aber darum geht es nicht. Für viele Spieler ausländischer Herkunft spielt der Fußball eine große Rolle zur Wahrung eigener Identität. In ihrer Kultur besitzt etwa Ehre einen höheren Stellenwert - da sind sie leichter zu provozieren. Wir müssen sensibler miteinander umgehen.
Was kann man tun?
Lützenkirchen: Wir bieten Seminare an, wo Schlichtung und Eingreifen trainiert werden. Der Deutsche Fußballbund hat Lehrmaterial für Trainer und Betreuer herausgegeben. Das Problem ist erkannt, nur: Nichts ändert sich von heute auf morgen.
Profis prügeln sich selten.
Lützenkirchen: Im Amateurfußball finden die realen Probleme der Gesellschaft statt. Aber die Profis sind auch nicht gerade gute Vorbilder: Wenn die am Samstag vor der Kamera den Schiedsrichter beschimpfen, wird dieses Verhalten am Sonntag sofort nachgeahmt. Die Fußballer sind sich nicht bewusst, dass sie auch eine Vorreiterrolle spielen.
Das geht ja richtig deftig ab
Da macht es doch spaß Schiri zu sein ,oder
Keilerei in der Kreisklasse
Zweimal elf Wittener hatten sich gerade 2:1 getrennt, da waren auf einmal 40 auf dem Spielfeld, und es war kein Spiel mehr: Nach einer Massenschlägerei landete ein 19-Jähriger schwer verletzt im Krankenhaus. Später hieß es, es sei um einen rüden Tritt gegangen, einen Sprung in die Hacken und einen Haufen böser Beleidigungen: Jedenfalls war ein Kosovo-Albaner betroffen und seine Familie hatte sich eingemischt, und das alles sah man hinterher auf dem Material eines Kamerateams, das zufällig auf dem Platz war. Thema des Films: Fußballkultur im Revier.
So erfuhr die Öffentlichkeit davon und auch, weil der Schiedsrichter nach dieser Kreisliga-Begegnung im September einen Sonderbericht schrieb, schon wegen des Schwerverletzten. Sonst hört man meistens nichts. "Aber intern spricht jeder darüber", sagt ein Essener Amateurspieler. Man kenne "seine Mannschaften, von denen man weiß: Wenn denen im normalen Zweikampf was nicht passt, dann gibt´s auffe Zwölf". Von Prügeleien am Strafraum wird da berichtet, von Drohungen nach einem Gegentor, von Teams, die bekannt sind für ihre "Lust auf Randale". Und es beginnt schon bei der kleinen Jugend.
Der Fußball-Verband Niederrhein (FVN) hat auf die Ausschreitungen reagiert: Er führte eine Fair-Play-Wertung ein, in die sämtliche Vergehen einer Saison einfließen. So gibt es für eine gelb-rote Karte 2, für einen Spielabbruch gleich 30 Punkte. "Das funktioniert, die Zahl der roten Karten ist rückläufig", lobt Wilfried Masuch, Vorsitzender im FVN-Fußballausschuss.
Den Titel "fairste Mannschaft vom Niederrhein" und 3500 Euro Prämie teilten sich nach der Saison 2004/05 die Bezirksligisten VfB Homberg II aus Duisburg und TuB Bocholt. Zu den schwarzen Schafen ihrer Spielklasse gehörten hingegen die Landesliga-Kicker von Altenessen 18, verursacht durch diverse rote Karten und einen Spielabbruch. "Für den Abbruch konnten wir nichts, das haben Zuschauer der Gäste zu verantworten", sagt Trainer Rolf Gramatke.
Tatsächlich seien es eher Außenstehende als Aktive, die "den Ball ins Rollen bringen", das sieht auch Karl Berheide so, der Fußballausschuss-Vorsitzende im Kreis 13, dem Essener Nordwesten: "Der schlechte Einfluss kommt von außen", sagt Berheide, "insbesondere bei ausländischen Vereinen."
Moment mal, hat er wirklich "bei ausländischen Vereinen" gesagt? Ja, hat er, er meint die wachsende Zahl der Mannschaften, in denen sich nur türkische, nur jugoslawische oder nur marokkanische Spieler zusammenfinden. Und Berheide bekommt dafür auch Rückendeckung von Altenessens Trainer: "Alle reden darüber, aber keiner wagt, es auszusprechen." Aus Angst, in die "rechte Ecke" gedrängt zu werden, wie auch weitere Amateurfußballer befürchten.
In Osnabrück sorgte vor zwei Jahren der Kreisligist SV Kosova für Angst und Schrecken. Tritte, Drohungen, Beleidigungen gehörten zu den Spielen wie die Tore. Ein Problem sinkender Hemmschwellen, wie auch außerhalb der Plätze. Ein Problem der Ballungsräume ohnehin. Aber: "Leider stimmt es", sagt Henning Schick, Referatsleiter Soziales beim Niedersächsischen Fußballverband: "Der Ausländeranteil an der Gewalt im Fußball ist überproportional hoch." Andererseits würden gerade türkische Teams oft mit Schmähungen und Beleidigungen empfangen. Da wird Fußball zur Frage der Ehre.
Um den Vorfällen zu begegnen, bleiben dem Verbandswesen die Spruchkammern. Hier werden Vergehen behandelt, je nach Schwere auf Kreis-, Bezirks- oder Verbandsebene. "Die Druckmittel Ausschluss, Punktabzug und Zwangsabstieg haben Wirkung gezeigt", beurteilt Wilfried Masuch, solch drastische Maßnahmen mussten in den letzten Jahren gar nicht ergriffen werden. Zudem wurden die gastgebenden Vereine stärker in die Pflicht genommen, für Ruhe zu sorgen. Andernfalls werden Ordnungsgelder aufgebrummt.
"Je schwächer die Liga, desto mehr Ausschreitungen", rechnet Karl Berheide vor. Im Moment aber herrsche "zum Glück Ruhe". Jedenfalls in Essen-Nordwest. "Aber wer weiß, wie lange noch?" Es ist ja erst ein gutes Jahr her, dass etwa Sylvester Januszewski eine fünfjährige Sperre einfuhr. Der Spieler von Juspo Altenessen hatte einen Schiedsrichter rüde um- und zusammengetreten. Anlass für seinen Frust: Die Partie gegen die Ballfreunde Bergeborbeck war ein Relegationsspiel und ging für Januszewskis Kreisligisten 1:5 verloren: Abstieg."Der schlechte Einfluss kommt von außen."
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"Das Spiel hat Regeln"
"Aggression und Gewalt im Amateurfußball" heißt eine Studie, die 2002 aus dem Projekt "Gegen Gewalt im Fußballsport" des Fußballverbands Mittelrhein entstand. Autor ist der Kölner Politologe H.-Georg Lützenkirchen. Mit ihm sprach Annika Fischer.
Auf den Fußballplätzen wird nicht nur gepölt, sondern geprügelt. Nimmt die Gewalt zu?
Lützenkirchen: Die Qualität ändert sich. Die Formen von Aggression werden brutaler. Und es gibt etwas Neues: Schon die Junioren greifen in ein Arsenal von Provokationen, um andere zu verletzen. Daraus entsteht dann Gewalt.
Fouls gehören zum Spiel. Wo liegen die Grenzen?
Lützenkirchen: Ein gewisses körperliches Moment gehört in der Tat dazu. Aber das Spiel hat Regeln, und die haben mit Aggression nichts zu tun. Ein "faires Foul" kann es also eigentlich gar nicht geben.
Fördern Aggressionen nicht auch die sportliche Leistung?
Lützenkirchen: Es gibt Aggression, die ist nötig und sinnvoll, um zu gewinnen. Die andere ist die, die von außen kommt: Wenn Frust im Alltag, etwa Arbeitslosigkeit, zu rabaukigem Verhalten führt. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Sorge machen mir aber auch die Zuschauer: Da werden Eltern mit überzogenem Ehrgeiz, die sich einmischen, zum Risikofaktor.
An Prügeleien sind häufig ausländische Vereine beteiligt. Darüber spricht niemand gern.
Lützenkirchen: Man hat Angst, als ausländerfeindlich zu gelten. Aber darum geht es nicht. Für viele Spieler ausländischer Herkunft spielt der Fußball eine große Rolle zur Wahrung eigener Identität. In ihrer Kultur besitzt etwa Ehre einen höheren Stellenwert - da sind sie leichter zu provozieren. Wir müssen sensibler miteinander umgehen.
Was kann man tun?
Lützenkirchen: Wir bieten Seminare an, wo Schlichtung und Eingreifen trainiert werden. Der Deutsche Fußballbund hat Lehrmaterial für Trainer und Betreuer herausgegeben. Das Problem ist erkannt, nur: Nichts ändert sich von heute auf morgen.
Profis prügeln sich selten.
Lützenkirchen: Im Amateurfußball finden die realen Probleme der Gesellschaft statt. Aber die Profis sind auch nicht gerade gute Vorbilder: Wenn die am Samstag vor der Kamera den Schiedsrichter beschimpfen, wird dieses Verhalten am Sonntag sofort nachgeahmt. Die Fußballer sind sich nicht bewusst, dass sie auch eine Vorreiterrolle spielen.
Das geht ja richtig deftig ab
Da macht es doch spaß Schiri zu sein ,oder