Apollo Schwabing
Nachwuchsspieler
FAZ.NET-Spezial
Müde, mutlos, mausgrau
Von Roland Zorn
03. Oktober 2005 Die einen mobilisierten ihre letzten Reserven, andere verbrauchten ihre letzte Kraft: höchste Zeit, eine Herbstpause einzulegen. Wer nach einem knappen Viertel der Bundesliga-Saison vorläufige Einsichten gewinnen wollte, erfuhr am Wochenende soviel über kranke, verletzte, geschwächte Profis wie sonst erst im tiefen Fußballwinter. Dabei sollte doch diese Spielzeit permanent Appetit machen auf die Weltmeisterschaft 2006 am hell erleuchteten Fußball-Standort Deutschland.
Was aber sieht der Fußball-Liebhaber schon in diesem Frühherbst? Viel zu viele müde, mutlose Mannschaften, die zuallerletzt an sich und ihre eigenen Fähigkeiten glauben. Mehr Grau in Grau war nie auf den letzten Plätzen dieser Liga, die so bunt wie das pralle Leben beworben wird und dabei oft genug eintönig wie ein Nebelhorn an einem frühen Oktobermorgen anmutet.
Mal sind es die Bielefelder, mal die Nürnberger, mal die Frankfurter, mal die Lauterer, die einen selbstgenügsamen, leblosen Eindruck erwecken. Ein Blick auf das weit auseinandergezogene Feld zwischen den vier respektablen Spitzenteams und jenen Mannschaften, die sich im halben Dutzend billiger am Ende der Tabelle aneinander wärmen, erinnert an die Verhältnisse in europäischen Durchschnittsligen. In den Niederlanden, Belgien oder Griechenland schauen die armen Verwandten schon seit langem nur noch demütig zu den paar Großen des Fußballbetriebs auf.
Reich und arm, gut und schlecht, stark und schwach - selten zeichneten sich die Kontraste so scharf ab wie in dieser Bundesliga-Serie, die ihre Überraschungsmomente bis jetzt sorgsam verborgen hält. Und doch scheint das hochverehrte Publikum jede Woche aufs neue seine helle Freude am zähen Spielfluß zu haben. Mit der Geduld des Anglers sitzen oder stehen jeweils mehr als 300.000 Zuschauer in den Arenen und vergnügen sich daran, daß die Stadien neu sind und deren Komfort groß ist. Was ihnen zu Füßen in unschöner Regelmäßigkeit geboten wird, stört die Kundschaft inzwischen nur noch peripher. Grobe Unmutsäußerungen und laute Proteste gegen Spieler, Trainer oder Geschäftsführer - wie am Samstag wider den Leverkusener Fußballboss Holzhäuser - fallen im Chor der Gleich- und Langmütigen derzeit nur punktuell auf. Der Star ist das Stadion, so weit ist es an manchem Ligaschauplatz schon gekommen.
Die rühmlichen Ausnahmen, die an Rasse und Klasse dieses einst klassenlosen Spiels erinnern, gibt es. Zum Glück jammert beim Hamburger SV niemand über den Dauerstress der ersten Saisonwochen. Der HSV nimmt jedes Spiel so an und auf sich, als wäre es ein einziger Spaß, immer neue Grenzerfahrungen im Ausschöpfen der eigenen Qualitäten zu sammeln. Mit ihrer ungestillten Lust auf Fußball könnten die Norddeutschen derzeit Vergnügungssteuern erheben - und fänden ein zahlungswilliges Publikum. Man ist ja so dankbar für ein bißchen Fußball zum Träumen. Den bietet, in der Achterbahnvariante, momentan auch Werder Bremen von Fall zu Fall.
Dagegen liefern die beiden vermeintlich Größten der Liga, die kühlen Bayern und die bemühten Schalker, ihre erklärten Herausforderer, im Ligaalltag derzeit lieber die passenden Ergebnisse statt die erhofften Erlebnisse gleich dazu. Die da oben sind zumindest im Augenblick für die Spannung der Liga zuständig, die da unten für die Langeweile. Das große Klassen-Los sah mal anders aus. Wer immer behauptet hat, der Fußball sei das unberechenbarste aller Spiele, besuche besser nicht ein Bundesligaspiel des Jahrgangs 2005/06. Er könnte den Verlust einer schönen Illusion beklagen.
Dieser Artikel beschreibt das (auch schon hier im Forum angedeutete) Niveau der diesjaehrigen Bundesligasaison und dazu passen auch die bisherigen (mit Ausnahme des Spiels Schalke 04 - AC Mailand) Europapokalauftritte der deutschen Mannschaften sowie die Qualität der Berichterstattung in diversen Medien. Fehden zwischen Assauer und Rangnick, Kahns Liebesleben oder der Haarschnitt von Frau van der Vaart bestimmen die Schlagzeilen, die sportliche (und kritische) Berichterstattung bleibt auf der Strecke. Dem Fan wird aufgrund der hohen Zuschauerzahlen eine gewisse Qualität der Bundesliga vorgegaukelt und am Ende steht wieder einmal der Frust dass man international nix gerissen hat. Hat die Bundesliga an Qualität verloren?
Persönlich habe ich jetzt 6 der Spieltage auf Premiere verfolgen koennen, und in der Tat hat mich bisher z.B. kein Spiel der Bayern (Ausnahme das gegen Leverkusen) vom Hocker gerissen. Oder bin ich als Sesselfan zu kritisch? :confused:
Müde, mutlos, mausgrau
Von Roland Zorn
03. Oktober 2005 Die einen mobilisierten ihre letzten Reserven, andere verbrauchten ihre letzte Kraft: höchste Zeit, eine Herbstpause einzulegen. Wer nach einem knappen Viertel der Bundesliga-Saison vorläufige Einsichten gewinnen wollte, erfuhr am Wochenende soviel über kranke, verletzte, geschwächte Profis wie sonst erst im tiefen Fußballwinter. Dabei sollte doch diese Spielzeit permanent Appetit machen auf die Weltmeisterschaft 2006 am hell erleuchteten Fußball-Standort Deutschland.
Was aber sieht der Fußball-Liebhaber schon in diesem Frühherbst? Viel zu viele müde, mutlose Mannschaften, die zuallerletzt an sich und ihre eigenen Fähigkeiten glauben. Mehr Grau in Grau war nie auf den letzten Plätzen dieser Liga, die so bunt wie das pralle Leben beworben wird und dabei oft genug eintönig wie ein Nebelhorn an einem frühen Oktobermorgen anmutet.
Mal sind es die Bielefelder, mal die Nürnberger, mal die Frankfurter, mal die Lauterer, die einen selbstgenügsamen, leblosen Eindruck erwecken. Ein Blick auf das weit auseinandergezogene Feld zwischen den vier respektablen Spitzenteams und jenen Mannschaften, die sich im halben Dutzend billiger am Ende der Tabelle aneinander wärmen, erinnert an die Verhältnisse in europäischen Durchschnittsligen. In den Niederlanden, Belgien oder Griechenland schauen die armen Verwandten schon seit langem nur noch demütig zu den paar Großen des Fußballbetriebs auf.
Reich und arm, gut und schlecht, stark und schwach - selten zeichneten sich die Kontraste so scharf ab wie in dieser Bundesliga-Serie, die ihre Überraschungsmomente bis jetzt sorgsam verborgen hält. Und doch scheint das hochverehrte Publikum jede Woche aufs neue seine helle Freude am zähen Spielfluß zu haben. Mit der Geduld des Anglers sitzen oder stehen jeweils mehr als 300.000 Zuschauer in den Arenen und vergnügen sich daran, daß die Stadien neu sind und deren Komfort groß ist. Was ihnen zu Füßen in unschöner Regelmäßigkeit geboten wird, stört die Kundschaft inzwischen nur noch peripher. Grobe Unmutsäußerungen und laute Proteste gegen Spieler, Trainer oder Geschäftsführer - wie am Samstag wider den Leverkusener Fußballboss Holzhäuser - fallen im Chor der Gleich- und Langmütigen derzeit nur punktuell auf. Der Star ist das Stadion, so weit ist es an manchem Ligaschauplatz schon gekommen.
Die rühmlichen Ausnahmen, die an Rasse und Klasse dieses einst klassenlosen Spiels erinnern, gibt es. Zum Glück jammert beim Hamburger SV niemand über den Dauerstress der ersten Saisonwochen. Der HSV nimmt jedes Spiel so an und auf sich, als wäre es ein einziger Spaß, immer neue Grenzerfahrungen im Ausschöpfen der eigenen Qualitäten zu sammeln. Mit ihrer ungestillten Lust auf Fußball könnten die Norddeutschen derzeit Vergnügungssteuern erheben - und fänden ein zahlungswilliges Publikum. Man ist ja so dankbar für ein bißchen Fußball zum Träumen. Den bietet, in der Achterbahnvariante, momentan auch Werder Bremen von Fall zu Fall.
Dagegen liefern die beiden vermeintlich Größten der Liga, die kühlen Bayern und die bemühten Schalker, ihre erklärten Herausforderer, im Ligaalltag derzeit lieber die passenden Ergebnisse statt die erhofften Erlebnisse gleich dazu. Die da oben sind zumindest im Augenblick für die Spannung der Liga zuständig, die da unten für die Langeweile. Das große Klassen-Los sah mal anders aus. Wer immer behauptet hat, der Fußball sei das unberechenbarste aller Spiele, besuche besser nicht ein Bundesligaspiel des Jahrgangs 2005/06. Er könnte den Verlust einer schönen Illusion beklagen.
Dieser Artikel beschreibt das (auch schon hier im Forum angedeutete) Niveau der diesjaehrigen Bundesligasaison und dazu passen auch die bisherigen (mit Ausnahme des Spiels Schalke 04 - AC Mailand) Europapokalauftritte der deutschen Mannschaften sowie die Qualität der Berichterstattung in diversen Medien. Fehden zwischen Assauer und Rangnick, Kahns Liebesleben oder der Haarschnitt von Frau van der Vaart bestimmen die Schlagzeilen, die sportliche (und kritische) Berichterstattung bleibt auf der Strecke. Dem Fan wird aufgrund der hohen Zuschauerzahlen eine gewisse Qualität der Bundesliga vorgegaukelt und am Ende steht wieder einmal der Frust dass man international nix gerissen hat. Hat die Bundesliga an Qualität verloren?
Persönlich habe ich jetzt 6 der Spieltage auf Premiere verfolgen koennen, und in der Tat hat mich bisher z.B. kein Spiel der Bayern (Ausnahme das gegen Leverkusen) vom Hocker gerissen. Oder bin ich als Sesselfan zu kritisch? :confused: