Erol Ceylan:
Diese kontroversen Entscheidungen sind hausgemachte Probleme. Das Profiboxen steckt in einer Krise. Es findet hier eine Marktbereinigung statt. Die Fernsehsender, die die Kämpfe vorher immer finanziert haben, sind nicht mehr da. Investoren für große Kämpfe findet man nicht mehr so leicht – und jeder Veranstalter, der sehr viel investiert und ein Risiko eingeht, darf dann auch im eigenen Land Prophet sein. Soll heissen: Die Punktrichter und Verbände versuchen an dieser Stelle solidarisch zu sein. Aber ein Punktrichter, der weiss, dass die Hausecke die rote oder die blaue Ecke ist, guckt natürlich immer drauf, dass der Boxer dieser Ecke mit einem 1:0 ins Rennen geht. Diesen Weltmeisterbonus gibt also in der Tat auch für Veranstalter – einen Veranstalterbonus. Und das ist es eben: Viele Leute finanzieren das Geschäft und wenn Punktrichter oder Delegierte so etwas bedenken müssen, dann sind Sie verunsichert. Und bei knappen Kämpfen sind sie dann großzügiger gegenüber dem Veranstalter. Wenn jetzt ein Fernsehsender sagt: “Wir sind diejenigen, die die Kämpfe ansetzen”, und dann auch auf das Matchmaking achten, Fachleute einsetzen würde, wie es zB HBO macht, würde sich sehr viel ändern. HBO entscheidet knallhart, ob es ein WM-Kampf ist, und welchen Gegner ein Boxer haben darf oder nicht. Die haben zumindest ein Veto-Recht, wenn sie den Gegner nicht akzeptieren. Das haben die deutschen Fernsehsender leider nicht. Es wäre vielleicht eine Erleichterung, wenn das Fernsehen so etwas mitbestimmen würde. In der Konsequenz würde auch den Ringrichtern und Verbänden die Last von den Schultern genommen. Das hängt also mit dem System zusammen – es ist kein bewusstes Be*******en. Es gibt Beispiele von Boxern aus dem gleichen Stall, die gegeneinander boxen und den “Hauptkampf” im Vorfeld um die Hausecke austragen. Ist die Hausecke unklar, schauen die Punktrichter irritiert und wissen nicht, wie sie punkten sollen.