Mythos Heimvorteil


Jerry

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Wir wissen alle: Es gibt den Heimvorteil. Fast jede Mannschaft ist zu Hause (deutlich) stärker. Der Support der eigenen Fans wird immer als größter Faktor angesehen und natürlich der geringere Reisestress. Doch wird das alles zu hoch gehangen?

In der BuLi steht aktuell ausgerechnet Hertha auf Platz 1 der Heimtabelle. 10-1-1 lautet die Bilanz. Bayern fast geschlagen, Dortmund gestern besiegt. Dabei ist Hertha nunmal - vor allem durch das Stadion - nicht dafür bekannt, dass es sich um einen Hexenkessel handelt. Kein Gegner kommt nach Berlin und hat "Angst" vor der brennenden Atmosphäre, in der zumeist gefühlt halbleeren Schüssel. Auch die Anreise nach Berlin dürfte zwar etwas weiter sein, aber dafür kann man locker immer den Flugweg direkt nach Berlin nehmen. Wie ist also am Beispiel von Hertha die Heimstärke in diesem Jahr zu erklären? Purer Zufall? Oder sind es die Gegner nicht mehr gewohnt in einem Leichtathletikstadion zu spielen?:clown:

Meine Anfangsthese zur Diskussion: Heimvorteil findet viel mehr im Kopf der Spieler/Trainer statt als dass dieser tatsächlich durch die Umstände gegeben ist (Ausnahme Hexenkessel und tatsächlich hoch stimmungsvolle Buden, die sicher Einfluss haben).
Demnach gehen Profis aus "Gewohnheit" anders an Spiele auswärts ran. Gerade bei Dardai bemerke ich oft wie er halt klar andere taktische Ausrichtungen wählt, wenn das Spiel auswärts ist und auch komplett anders spricht, wenn es um Heimspiele geht. Dies wird er nicht nur gegenüber der Presse tun, sondern auch gegenüber den Spielern. Und natürlich geht man als Spieler dann auch unterschiedlich in ein Spiel, wenn ein Trainer sagt "Mindestens 1 Punkt heute auswärts IN Augsburg muss unser Ziel sein" oder er sagt "Augsburg kommt heute zu uns. Da müssen wir die 3 Punkte in Berlin behalten".
 

MS

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Distraction City Berlin. ;)

In der NBA gibt es auch den Mythos, dass Auswärtsteams in LA, Miami und New York unabhängig von der Klasse des Heimteams schlechter abschneiden, weil die Heimstadt zu viel Ablenkung bietet.

Wie sehr das auf das Beispiel Hertha passt kann ich nicht sagen.
 
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Gast_481

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Das kann von vielen Faktoren abhängen. Der lokale Zweitligist hier ist zu Hause eine Null, dafür auswärts eine Macht. Grund 1: Sicher wie Jerry sagt im Kopf. Nachdem man auswärts zig Spiele gewonnen hat, zu Hause zig Niederlagen kassiert hat, hat sich so etwas manifestiert. Dh, man geht die Spiele automatisch anders ran. Grund 2: Die Mannschaft ist extrem spielstark. Zu Hause haben sie einen Kartoffelacker, auf dem sie vorallem gegen Kick'n'Rush-Teams permanent beschissen aussehen, während sie auswärts auf Kunstrasen häufig glänzen.
 

VvJ-Ente

Verdammter Wohltäter
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Ich glaube schon, dass der Heimvorteil ein Faktor ist. Beispielsweise dadurch, dass man zusätzliche "Landmarken" hat, an denen man sich im Defensivverhalten orientieren kann. Oder bei nicht ganz perfekten Rasenflächen, weiß man von der 1.Minute an, wo der Boden besonders rutschig ist, und an welchen Stellen man Kurzpassspiel besser sein lässt, weil der Ball dort gerne verspringt. Bei entsprechendem Publikum kann ich mir auch vorstellen, dass die einen nach vorne peitschen können, und umgekehrt die Gastmannschaft psychisch unter Druck setzen kann. Aber Heimvorteil ist nur einer der Faktoren, und eine schlechte Mannschaft wird durch den Heimvorteil keine 50 Punkte holen...
 

MS

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Verschiedene Faktoren führen zum Heimvorteil. Zum einen natürlich die eigenen Fans und die bekannten Gegebenheiten, die den Fokus auf das Wesentliche schärfen.
Zum anderen - für mich noch wesentlicher und banaler -, dass man unterbewusst als Gast Team mit einem Punkt zufriedener ist und im Gegenzug das Heimteam von Beginn an weiß, dass es mehr tun muss. Unterbewusste "Gedanken" halte ich im deutschen Profisport sowieso für zu unerforscht, was der ganzen Thematik nicht gerecht wird. In Madrid arbeitet man zB gezielt mit Mental Trainern, die das Unterbewusstsein bewusst zu beeinflussen versuchen.
 

liberalmente

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Ich glaube auch, dass die Fans da generell überschätzt werden (natürlich vor allem von sich selbst ;)). Als absolute Aussage taugt das nicht, die berühmten Hexenkessel spielen sicher eine Rolle. Und sehr junge Mannschaften lassen sich eher von Stimmung um sie herum beeinflussen als erfahrene Mannschaften, die schon "alles gesehen haben".

Den größten Einfluss des Hexenskessels sehe ich übrigens nicht einmal auf den Gegner, sondern auf den SR. Ein gutes, aktuelles Beispiel ist sicher Aytekin bei Barca - PSG. Ja, das waren krasse Fehlentscheidungen, vor allem der Elfmeter. Das sollte, egal wo, nicht passieren. Aber in Paris pfeift er den Elfmeter mMn sicher nicht. So eine aufgeheizte Stimmung hat einfach Einfluss auf die menschliche Psyche, selbst bei Profis, die wissen, dass sie sich nicht davon beeinflussen lassen sollten. Hat nichts mit dem Heimvorteil zu tun, aber deswegen ist es auch effektiv, den SR das Spiel über "zu bearbeiten". Auch da ist der 2. Elfmeter ein gutes Beispiel für. Ich habe längst nicht das gesamte Spiel gesehen, aber schon in den Teilen des Spiels, die ich gesehen habe, hat Suarez sehr oft Elfmeter gefordert. Ist auch wieder menschliche Psyche, sich da irgendwann von beeinflussen zu lassen.

Deswegen ist der Spruch "Beim SR meckern hat noch nie etwas gebracht" auch falsch. Es kann, leider, sehr wohl etwas bringen. Natürlich nicht bei der konkreten Entscheidung. Ein SR hat sich wahrscheinlich noch nie von dem Spieler, von dem er ein Foul gesehen hat, davon überzeugen lassen, dass es doch kein Foul war. ;) Aber im weiteren Spielverlauf kann das Meckern schon Einfluss nehmen. Und wie gesagt, dauerndes Brüllen der Fans, eine aufgeheizte Stimmung, funktioniert da ebenso, nach derselben psychologischen Logik.

Dazu gibt es, wenn auch eher selten, natürlich auch ganz konkrete, "handfeste" Heimvorteile wie die Größe des Platzes. Im Camp Nou ist der absolut riesig, das hilft Barca. Weil es der Gegner nicht so gewohnt ist. In Freiburg und früher im Highbury von Arsenal war der Platz deutlich kleiner als gewohnt - auch hier ist wieder ein konkreter Vorteil da. Das lässt sich mMn fast schon mit einem Kunstrasenplatz im Amateurfußball vergleichen. Sobald der Platz signifikant anders ist als der Platz, den der Gegner gewohnt ist, hat das Heimteam einen Vorteil.

Aber Jerrys Punkt mit der Erwartungshaltung spielt mMn schon auch eine große Rolle. Das fängt in den Köpfen der Trainer an, führt zur entsprechenden Aufstellung und Taktik und zur Ansprache an die Mannschaft (nicht nur vor dem Spiel, über die gesamte Woche). Und natürlich spielt es eine Rolle, ob das Ziel ein Punkt ist oder ob man unbedingt gewinnen will.

Als Denkanstoß würde ich da aber US-Sport einwerfen, vor allem Football (Baseball und NBA hat so derart viele Spiele und Reisestress, dass ein Heimvorteil mMn natürlich da ist). Im Football hast du schön viel Pause, kannst entspannt reisen. Und es gibt kein Unentschieden. D.h. auch das Auswärtsteam hat natürlich das Ziel, zu gewinnen. Ansonsten bräuchte man gar nicht anreisen. ;) So ganz kann man sich auch im Football nicht von der Erwartungshaltung lösen. Wenn du auswärts spielst wirst du in der Regel eine konservativere Taktik wählen, vielleicht nicht gar so viel Risiko eingehen (gibt im Football den Spruch von Trainern: wir wollen am Ende des Spiels einfach noch eine Chance haben, das Spiel zu gewinnen, ein Rückstand ist kein Problem, solange er nicht zu groß wird). Aber das ist kein Vergleich zum Fußball. Und trotzdem gibt es einen spürbaren und signifikanten Heimvorteil von 3 Punkten (bei den Bookies).
 
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Gast_481

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Alles kann, nichts muss. Bei Schiedsrichtern habe ich auch schon das Gegenteil gesehen. Je mehr er vom Heimteam und den Fans beackert wurde und beleidigt, desto mehr pfiff er tendenziell für die Auswärtsmannschaft, nach dem Motto "ihr könnt mich nicht beeinflussen", wobei er dann aber zum Gegenteil beeinflusst wurde. Ich denke da spielt wirklich die Psyche, insbesondere die unterbewusste Komponente, eine sehr grosse Rolle. Bin da schon bei MS.
 

MGM-GRAND

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Alles kann, nichts muss. Bei Schiedsrichtern habe ich auch schon das Gegenteil gesehen. Je mehr er vom Heimteam und den Fans beackert wurde und beleidigt, desto mehr pfiff er tendenziell für die Auswärtsmannschaft, nach dem Motto "ihr könnt mich nicht beeinflussen", wobei er dann aber zum Gegenteil beeinflusst wurde. Ich denke da spielt wirklich die Psyche, insbesondere die unterbewusste Komponente, eine sehr grosse Rolle. Bin da schon bei MS.

Kenne es eher andersrum.
Die Schiedsrichter haben wenig Bock auf Stress und Drohungen und pfeifen für Heimmannschaft.
Zudem wenn viel gebrüllt vom Publikum wird mit Foul, Rote karte etc. lässt sich ein Schiri der nicht direkt Dran war auch beeinflussen.
Dazu halt die Fans die gerade im Amateurbereich eher eine Art Drohkulisse aufbauen für die gegnerischen Spieler.

Dazu dann Kleinigkeiten, man kennt den Platz, man kennt die Bälle, man kennt die Umkleide, man fühlt sich wohler, man hat keine längere Anreise. Alles kleine Faktoren die sich summieren.
 
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Gast_481

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Natürlich gibt es das andersrum auch. Sage ja nichts Anderes. Sage nur, dass es die von mir genannte Variante auch gibt. War erst gestern an so einem Spiel.
 

liberalmente

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Natürlich gibt es das andersrum auch. Sage ja nichts Anderes. Sage nur, dass es die von mir genannte Variante auch gibt. War erst gestern an so einem Spiel.

Im Amateurbereich ganz sicher. Da haben Schiedsrichter ja auch komplette Narrenfreiheit und können tun und lassen, was sie wollen (je tiefer die Klasse, desto größer die Narrenfreiheit). Wenn dir das Meckern einer Mannschaft gegen den Strich geht verpfeifst du sie halt. So what? Die einzige abstrakte Gefahr ist, dass zufällig mal ein Beobachter da wäre, wenn sie Mist pfeifen. Aber eher eine abstrakte Gefahr, nach meiner Erfahrung. Lässt sich nicht ändern, ist ja eh schon schwer genug, SR im Amateurbereich zu finden, die kannst du nicht alle kontrollieren. Da musst du auf das gute, faire im Menschen hoffen. Aber wir alle wissen, dass nicht alle Menschen so sind.

Im Profibereich, sobald Kameras mit dabei sind, gibt es aber absolut eine Kontrolle über den SR. Deswegen kann man sich da nicht gehen lassen und nach Lust und Laune pfeifen, zumindest wenn man ansatzweise aufsteigen will. Und wenn das dann so ist, dann hat meckern mMn einen positiven Einfluss auf kommende SR Entscheidungen. Nicht immer, nicht bei jedem SR, aber schon häufig.
 
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Gast_481

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Meine Beispiele stammen allesamt aus dem Profibereich. Verpfeifen heisst ja nicht zwingend den Övrebö machen und gefühlt 2000 Handspiele übersehen. Da bisschen Zeitverzögerung durchgehen lassen, dort mal ein Foul geben, welches man auf der Gegenseite hätte durchgehen lassen. Und wenn sie meckern, dann gibts das noch 2-3 mal zusätzlich. Kannst du mit Kameras kommen wie du willst. Tatsachenentscheid etc.
 

liberalmente

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Ich will gar nicht abstreiten, dass es das gibt. Gerade bei Schiedsrichtern mit sehr großem Ego. Wenn ich zum Beispiel als Trainer/Spieler überlegen würde, was bei Wolfgang Stark die beste Methode ist, um Pfiffe von ihm zu bekommen, dann würde ich bei ihm nicht motzen, sondern ganz lieb sein, Fouls eingestehen und den Gegner motzen lassen. Stark nimmt sich selbst unheimlich wichtig und hält sich für den Größten. Da kann Kritik ganz schnell ins Gegenteil ausschlagen, nach dem Motto "Na dir Großmaul zeige ich es." Wie du es skizziert hast.

Aber mMn sind das eher die Ausnahmen. Die meisten SR nehmen sich nicht so wichtig wie Stark. Was ich angenehm finde. Und es ist völlig klar, dass sich kein SR, der etwas auf sich hält, sich beeinflussen lassen will. Aber bei vielen klappt das Spiel mit dem Dauermotzen mMn.

Die Bayern sind da verdammt gut darin und zwar kollektiv, nicht nur einzelne Spieler. Aber letztlich ist das eher internationale Erfahrung. Denn die drei großen spanischen Teams stehen den Bayern, wenn überhaupt, in nichts nach. Während der BVB bei so etwas sehr naiv/brav ist. Kann man gut und fair finden, aber auch für einen Wettbewerbsnachteil halten. ;)
 
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Gast_481

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Mir ging es ja nur darum, dass der Heimvorteil zwar kein Mythos ist, aber es sogar Teams gibt, die sogar einen Heimnachteil haben. Und dass sich die unterbewussten Komponenten die dazu führen können auch umdrehen können.
 

PistolPete7

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Ich schätze wenn man viele Jahre in einer Liga ist und hier und da gespielt hat, gelernt hat mit dem Druck umzugehen, dann ist der Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspiel nur marginal. Kobe Bryant hat auch nach vielen Jahren gesagt, dass es sicher was besonderes ist für die Lakers zu spielen, aber am Schluss doch irgendwie überall zu Hause war, weil er die gegnerischen Arenen und Fans einfach sehr gut kannte. Für junge Spieler stelle ich mir sowas natürlich schwerer vor.
 

Apollo Schwabing

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Weiss ich nicht.
Hier ein interessanter Spiegel.de Artikel darüber aus dem Jahre 2015:

http://www.spiegel.de/sport/fussbal...he-datenanalyse-der-bundesliga-a-1068911.html

Viele der hier erwähnten Gründe werden dort angesprochen. Statistisch gesehen geht der Heimvorteil übrigens weltweit zurück.

Und hier noch ein interessanter Thread aus dem Jahre 2010:

http://sportforen.de/threads/warum-gibt-es-den-heimvorteil-kaum-noch.49668/

Der Anfangspost:

Nur 13 Auswärtssiege gab es mehr als Heimsiege. 1997 zB waren es zum gleichen Zeitpunkt 40. Mittlerweile spielt es keine große Rolle mehr , wo ein Spiel stattfindet. Aber woran liegts das? Vielleicht am Bossmannurteil, weil der regionale Bezug und die Identifikation mit dem Klub und der Heimatstadt fehlt? Oder vielleicht auch daran, dass sich die Schiris mittlerweile weniger vom Publikum beeinflussen lassen? Was denkt ihr?
 
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