"Star Trek: Nemesis" - eine Betrachtung von Malte Kirchner
Das Dilemma von Star Trek als Science Fiction-Serie war es über Jahrzehnte, die Zukunft darstellen zu wollen, aber wegen fehlender Möglichkeiten oder zu niedrigen Budgets nicht darstellen zu können. Woran andere SF-Serien scheiterten, das machten die Autoren von Star Trek zur Tugend: Die Themen standen im Vordergrund und Konflikte wurden zwar unter Androhung großer Taten, jedoch am Ende stets menschlich gelöst. Seit dem Einzug der günstigeren Computertechnik als Ersatz für die Modell-Spezialeffekte kann Star Trek nunmehr auch darstellen, was sich der Zuschauer sonst oft nur denken konnte.
Nemesis erzählt die Geschichte eines Jean-Luc Picard, der sich selber untreu werden muss, um sein geklontes Selbst zu besiegen. Doch der gutgemeinte Ansatz verschwimmt angesichts eines Picards, der bereits von Anfang an schon ungewohnt draufgängerisch wirkt. Obwohl Shinzon dem von vornherein bestehenden Mißtrauen zwar gerecht wird, ist die angriffslustige Haltung ihm gegenüber von Anfang an vorhanden. Am Ende fragt sich der Zuschauer, wer hier eigentlich wen bekämpft: Shinzon seine Gen-Vorlage oder Picard seinen anscheinend ohnehin lästigen Klon.
Weitaus vielseitiger ist da Shinzon: Er hegt einen Groll gegen seine Unterdrücker, die Romulaner, Solidarität mit seinen Befreiern und Förderern, den Remanern, und eine Haßliebe gegen seinen Ursprung, Picard und nicht zuletzt die Menschheit. Tom Hardy stellt in Nemesis einen Bösewicht dar, der stellenweise fast schon liebenswert wirkt. Glaubwürdig ist der Wechsel von seinem kindlichen Interesse für das Vorbild seiner Schöpfung, Picard, in den plötzlichen Fanatismus, ihn zerstören zu wollen - um sich selber die Einzigartigkeit zurückzugeben und eine eigene Identität zu schaffen.
... Anknüpfen an alte Traditionen ...
Obwohl vieles kritikwürdig ist, ist der Kern der Handlung - das Klonen, dessen Einsatz als Waffe und die Konfrontation des Geklonten mit seinem Klon - ein interessantes und für Star Trek typisches Thema. Vor allem die zwischenmenschlichen Auswirkungen waren stets Thema der Serie und so knüpft Nemesis zumindest diesbezüglich an alte Traditionen an.
Trotz verheißungsvoller Einleitung ist der Geschichte jedoch kein Tiefgang beschieden. Wertvolle Charaktermomente zwischen Picard und Shinzon hören ausgerechnet dann auf, wenn sie das Potenzial entwickeln, ein Höhepunkt zu werden. Die Handlung wird teilweise geradezu abgewürgt, um möglichst schnell zum vorherrschenden Element zurückzukommen: Gefechte und Schlachten.
Verfolgungsjagden wie auf dem Planeten, auf dem die Besatzung Datas Ebenbild und Shinzons Köder B-4 findet, sind reiner Selbstzweck. Es leuchtet weder ein, warum sich Picard, Data und Worf auf der unebenen Planetenoberfläche mit einem Räder-Fahrzeug fortbewegen, wo doch ein Raumgleiter viel effektiver wäre, noch warum die plötzlich auftauchenden Planetenbewohner ebenfalls über genau solche Fahrzeuge verfügen.
"Er will mir in die Augen schauen", sagt Picard, als Shinzon sich mit seinem Schiff der Enterprise gefährlich nähert und was Shinzon da sieht, erstaunt auch den Star Trek-erfahrenen Zuschauer. Eine Schiffskollision ist wahrlich ungewöhnlich für einen Jean-Luc Picard, doch andererseits auch richtiggehend einfallslos und plump. Der prügelnde Picard ist ein schlechter Ersatz für Captain James T. Kirk, bei dem dererlei Lösungen auf der Tagesordnungen standen und eigentlich sollte "Generations" eine neue Ära einleiten, mit einer Generation, die Lösungen anders anpackt.
John Logan schrieb eine für Star Trek unmotivierte Geschichte, die gerade wegen ihrer Offensichtlichkeit zuviel Aufschluß über hintergründige Zweckmäßigkeiten beim Entstehungsprozess des Filmes gibt: So bleibt es dem Zuschauer nicht verborgen, dass Datas Selbstopferung bereits im nächsten Film durch seinen "Bruder" B-4 relativiert werden könnte. Eine spannungsreiche Wiedergeburt, wie die Spocks in Star Trek III, ist durch das zu eindeutige Handeln von vornherein ausgeschlossen.
... Undefinierbare Nebenhandlungen ...
Besonders seltsam muten die Nebenhandlungen an. Die rechte Hand Shinzons tritt wortwörtlich nicht aus dem Schatten. Riker nimmt eine äußerst fragwürdige Rolle in dem Film ein, weil sein Einzelgefecht gemessen an seiner Bedeutung viel zu viel Platz einnimmt. Ähnlich verhält es sich mit der Rolle Trois, die geistig vergewaltigt wird und anschließend eine undefinierbare Rolle in der Handlung einnimmt, die in keiner Weise einleuchtet.
Untypisch und geradezu störend wirken die Kamera-Naheinstellungen auf die Gesichter. Stuart Baird versuchte sich an unkonventionellen Methoden, die jedoch schon nach kurzer Zeit einen starken Hang zur Einseitigkeit entwickeln. Die Zentrierung von einzelnen Charakteren ist vielen Szenen abträglich.
Positiv fällt hingegen die musikalische Untermalung des Films auf. Die Fanfaren stehen in Nemesis eher im Hintergrund, was für Jerry Goldsmith sehr ungewöhnlich ist. Ihm gelang dieses Mal ein stimmungsvoller Soundtrack, der den Film sehr gut untermalt.
Nemesis zeigt, dass hohe Budgets und ein großer Aufwand an Spezialeffekten keinen guten Film ausmachen. Von einem Film, der den Anspruch stellt, der letzte mit dieser Besatzung zu sein und der erst nach mehreren Jahren Pause produziert wurde, kann der Zuschauer mehr erwarten. Statt eines Science Fiction-Films mit komplizierten Konflikten und intelligenten Lösung regieren Befindlichkeiten und die Faust. Das entbehrt zwar nicht einer gewißen Unterhaltsamkeit, steht jedoch gemessen an neun vorherigen Episoden den Ansprüchen an einen Star Trek-Film erheblich nach.