rohanff schrieb:
Waere bestimmt interessant zu lesen, was die Profis dazu sagen.
Vielleicht meldet sich z.B. der Tullipan hier zu Worte.
Nun, zu Tabs habe ich ein ziemlich zwiespältiges Verhältnis.
Die "Tabulatur" ist ja genau genommen eine erst in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Amateur"unterhaltungs"musiker wiederbelebte Schreibweise, die ihren Ursprung in der Renaissance (grob gesagt 15./16.Jh.) hat; also in Zeiten, in denen die uns heute bekannte Notenschrift sich noch in den Kinderschuhen befand. Damals wurde nicht der zu spielende Ton aufgeschrieben, sondern der (den richtigen Ton erzeugende) Punkt auf dem Griffbrett, den der Spieler zu greifen hatte. Die Nachteile, die diese Schreibweise mit sich bringt, sind nicht von der Hand zu weisen: Eine Stimmführung (innerhalb einer mehrstimmigen Bewegung) ist auf diese Weise nicht darstellbar, und (was imo viel schwerer wiegt) der Gitarrist/Bassist begibt sich in eine Art "Gitarristenghetto", da er auf diese Art und Weise sich wiederum nur mit anderen Gitarristen austauschen kann - andere Musiker (Pianisten/Bläser etc.) können mit dieser Schrift nicht das Geringste anfangen, genauso wie eben der tabgewohnte Gitarrist nichts aus den Aufzeichnungen dieser anderen Musiker (die ja normalerweise die "konventionelle Notenschrift verwenden) herauslesen kann.
Insofern lehne ich Tabs grundsätzlich mal ab - "richtig" Notenlesen ist nicht sehr viel schwieriger und bei Weitem effektiver.
Von den Tabs, die man aus dem Netz sich laden kann, sind schätzungsweise gut 99% von irgendwelchen (meist sehr jungen) Nachwuchs-/Hobbymusikern verfaßt, die glauben, durch Heraushören die "richtigen" Griffe zu kennen. Bisher habe ich noch nicht eine einzige Tabulatur gefunden (abgesehen von Originaltabulaturen auf den diversen "official websites"), die wirklich richtig gewesen wäre (die "Richtigkeitsquote" würde ich in den meisten Fällen irgendwo zwischen 30 und 95% ansiedeln - z.T. kann man da absolut haarsträubende Sachen finden). Insofern auch hier für mich nicht brauchbar.
Daß nun die besagte Organisation ("MPA") eine derartige Kampagne fährt, finde ich allerdings mindestens genau so haarsträubend. Erstens wird kein Künstler dieser Welt auch nur den geringsten Schaden haben, wenn ein Teen die Songs seines Lieblingsgitarristen nachzuspielen versucht (im Gegenteil: es ist ein Grund, stolz zu sein). Wenn es dabei soweit kommt, daß diese Songs dann öffentlich aufgeführt werden, verdienen die Komponisten auch noch daran (von wegen GEMA - falls angemeldete Veranstaltung!). Auf CD pressen geht sowieso nur mit Genehmigung des Originalverlags (kein Presswerk dieser Welt druckt Coversongs ohne diese Genehmigung), also würde auch hier daran verdient. Insofern verstehe ich nicht im Geringtsen, was diese Leute bezwecken wollen (die Copyrightschiene bewegt sich allerdings schon seit ein paar Jahren auf einem außerordentlich "paranoid" angehauchten Pfad - nicht nur im Musikbereich
).
Grundsätzlich vertrete ich (vor allem meinen Schülern gegenüber) die Meinung, daß MUSIK mit HÖREN zu tun hat, nicht mit LESEN. Es wird bei mir kein Schüler gezwungen, Notenlesen zu lernen (muß nicht sein - tausende Beispiele genialer Musiker konnten es auch nicht!). Allerdings "trimme" ich die Jungs und Mädels auf das "analytische" Hören von Musik - so wie ein Parfumeur versucht, durch "Hineinriechen" die einzelnen Bestandteile eines Parfums zu riechen (interessanterweise unterscheiden diese Herren üder 1500 (!!!) verschiedene Duftnoten). Mit genug Training (auch hier ist alles nur "Gewohnheitssache", will sagen, durch immer wieder Tun wird es zu "Routine") ist ein durchschnittlich begabter Schüler nach etwa 3-4 Jahren so weit, so gut wie ALLES selbst hören zu können - und dann braucht er weder Tabs, noch Noten, um "seine" Musik spielen zu können. Er ist sozusagen im "musikalischen Schlaraffenland" angekommen!
Soviel von meiner Seite zur Thematik der Tabs - ich verspreche, nie wieder ein so lang
(weilig)es posting zu schreiben.
Wer's trotzdem gelesen hat, den beglückwünsche ich zu seiner Ausdauer und danke ihm für die Aufmerksamkeit ("thanks for coming to the concert & good night").
Gruuuß