Wenn ich mir überlege, dass ich mit nur einem minimal anders verlaufenen Tag niemals zum Basketball gekommen wäre, ist beeindruckend zu sehen, wie bedeutend eine einzige Entscheidung sein kann.
Ich bin Gießen auf die Ostschule gegangen, deren Schulsporthalle sinnigerweise die Osthalle ist. Vor einigen Jahren war die deutsche Nationalmannschaft zu einem Testspiel gegen Litauen in Gießen, so dass unser Sportunterricht ausgefallen ist. Wir haben dann von unserer Klassenlehrerin die Wahl bekommen "Entweder denen beim Training zugucken oder mit einem Bus in eine Ausweichhalle gefahren werden und da Sport machen". Ausweichhalle klang nach Spielen anstelle von richtigem Unterricht, zugucken klang doof, also beschlossen wir einstimming, in die Ersatzhalle gefahren werden zu wollen.
Der Tag war gekommen, wir sitzen alle schon brav im Bus... nur unser Sportlehrer taucht nicht auf. Nach gut zehn Minuten wird es dem Lehrer der anderen Klasse, die sich mit uns auch sonst die Halle teilt, zu blöd, alle Schüler der A-Klasse müssen aussteigen. Wir machen uns also auf den Weg zur Halle, in der Hoffnung da unseren Sportlehrer zu treffen, bis auf dem Weg der Erste sagt "Ach, fällt eh aus, wir können gehen!". Drei Viertel der Klasse gehen also heim, nur ich und ein paar Freunde gucken lieber mal nach, wo der Mann bleibt. Treffen ihn dann an der Halle, "Oh, verdammt, ich habs vergessen..." und bekommen von ihm die Möglichkeit, entweder zu gehen oder uns doch das Training anzusehen. Ich weiß heute nicht mehr warum, aber wir sind noch da geblieben.
Nach gut einer Viertelstunde in der Sonne stehen, kamen dann auf einmal die deutschen Spieler an, gingen in die Halle und wir gingen einfach mit. Die Jungs waren alle total locker und nett, ich hab mit Stephen Arigbabu Freiwürfe geworfen (vorsichtig gesagt: technisch etwas unsauber... ähem), der sich sehr nett mit mir unterhalten hat (und darum bis heute in meinem Herzen unter "BB-Heroes" zu finden ist!), und alles war total locker und entspannt. Ich hab mich dann entschieden, auch zum Spiel zu gehen... und als das Licht ausging und "Sirius" gespielt wurden, da war der Moment gekommen, an dem ich mein Herz an diesen Sport verloren habe...
Inzwischen verdiene ich mein Geld mit Basketball (leider nicht als Spieler, aber zumindest dann doch als so was wie ein Journalist
), gebe es wieder für Basketball aus, habe Freunde auf der ganzen Welt, die ich als Fans, Journalisten, Spieler kennengelernt habe, mein Kleiderschrank besteht nur zu 3/4 aus Spalding, k1x und Nike Basketball, ich habe Trikots aus Litauen, Bälle aus China, Schuhe aus der March Madness, zwei Freundinnen über Basketball verloren, eine darüber kennen gelernt, wegen Basketball geweint, wegen Basketball den schönsten Sommer meines Lebens gehabt, verrückte Momente gehabt, am Fernseher gezittert, auf der Tribüne gebrüllt, auf dem Feld gefeiert. Ich habe mit Leuten zumindest mal gezockt, die zumindest Summer League gespielt haben, mit Leuten die für die Nationalmannschaft gespielt haben, mit Leuten die Kreisliga gespielt haben, vom Freiplatz bis zur 11.000-Zuschauer-Halle (die, wenig überraschend, allerdings leer war
). Wenn ich aufstehe, checke ich die Neuzugänge in BBL, NBA und Europa, und wenn ich schlafen gehe, habe ich sie mindestens einmal mit meinem besten Kumpel besprochen. Wenn ich die Uhrzeit wissen will, gucke ich entweder auf die TAG Heuer-Imitation mit der Unterschrift von Yao Ming, die meine Mutter mir aus China mitgebracht hat oder auf mein Handy, wo ein Basketball auf Parkett als Hintergrundbild eingestellt ist. Jeden zweiten Tag frage ich mich, ob ich nicht eigentlich bescheuert bin, das alles zu machen, und jedes Mal komme ich wieder zu der gleichen Antwort: "Ja..." - aber wenn ich dann alleine in "meiner" Halle stehe, zwei Mal der Ball aufs Parkett knallt um dann (mehr oder weniger
) im Korb zu landen, dann denke ich mir "... aber verdammt, ich lieb den ****** eben..."
Ich weiß nicht, was ich heute so machen würde, wenn mein Sportlehrer damals pünktlich gewesen wäre. Aber ich bin ihm verdammt dankbar, dass er es nicht war.