Ich denke auch, dass sich die Amerikaner darauf einrichten müssen, auf absehbare Zeit im Heavyweight keine wirklich herausragenden Athleten mehr hervorzubringen. Dafür gibt’s viele Gründe, und einige sind ja hier schon genannt worden: Dass für viele junge Sportler eine Karriere im Football oder Basketball attraktiver erscheint, ist richtig. Darüber hinaus spielt aber vielleicht auch eine Rolle, dass Boxen drüben seit vielen Jahren fast nur noch im Pay-TV übertragen wird, was in den Zeiten von Ali und Frazier noch anders war. Das Boxen ist so auch in den Medien drüben schrittweise in eine Nische geschoben worden, aus der es kaum noch rauskommt. Sicher, die Tyson-Kämpfe haben damals noch Millionen Menschen gekauft, aber heutzutage haben viele Amerikaner einfach keine Lust, extra Geld für Boxer zu zahlen, deren Namen sie noch nicht mal aussprechen können. Vordergründig ist das ein Problem von HBO und Showtime, aber es trifft auch den Boxsport in den Staaten insgesamt!
Imo liegt der Hauptgrund für die Misere aber vor allem am Amateursystem, das in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren komplett runtergewirtschaftet worden ist. Das ging wahrscheinlich schon in den Achtzigern los, aber der Erfolg von Tyson hat die Probleme und ihre Folgen damals halt noch „kaschiert“. Der Laden, der diesen Murks zu verantworten hat, ist der amerikanische Amateurboxverband USA Boxing. Ich habe keinen Schimmer, wie die organisiert sind, aber ein starker Verband ist es sicher nicht, wohl eher ein Sammelsurium an einzelnen Gremien, die in den verschiedenen Bundesstaaten jahrelang so vor sich hin gewurschtelt haben. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Don King vor einiger Zeit mal versucht, USA Boxing mit ein paar Millionen Dollar frisches Leben einzuhauchen, z.B. damit die neue Gyms bauen und ein ordentliches Marketing für den Nachwuchs betreiben. Aber ziemlich schnell gab er entnervt auf, weil das ganze Geld irgendwo im Nichts versickert ist.
Inzwischen gibt es aber wohl immerhin zaghafte Versuche, diese Probleme in den Griff zu kriegen. Ein Freund hat mir erzählt, dass drüben vor einiger Zeit ein Programm aufgelegt wurde, dass „Gloves not guns“ oder so ähnlich heißt und versucht, den Nachwuchs stärker zu fördern. Ob das gelingt? Keine Ahnung, bei der notorischen Geldknappheit des Verbands sind da wohl mittelfristig keine Wunderdinge zu erwarten. Ich denke, dass es noch Jahre dauern wird, bis die Heavyweight-Szene in den Staaten sich von den Versäumnissen der Vergangenheit erholt hat, wenn sie es denn überhaupt schafft. Bis dahin werden wir wohl von drüben entweder weiter mit Altstars wie Rahman oder Ruiz „versorgt“ werden, oder mit Leuten wie Arreola und Chambers vorlieb nehmen müssen, die zwar nicht schlecht sind, aber wohl kaum eine ernsthafte Perspektive auf einen WM-Gürtel haben!