Mainz - Musikalisches Talent ist keine unbedingte Voraussetzung für Charterfolge - das zeigen TV-Spektakel wie "Deutschland sucht den Superstar". Dass es sogar ganz ohne Castingshows und millionenschwere Marketingetats geht, zeigen jetzt drei türkischstämmige Jugendliche aus der pfälzischen Provinz.
Mit einem schrägen Song inklusive Amateurvideo hat Grup Tekkan - so nennen sich die Jungs - per Internet einen Kult ausgelöst. Nur zwei Wochen, nachdem der Wirbel im Internet seinen Lauf nahm, erscheint an diesem Freitag (24. März) bereits ihre Maxi-Single im Handel: "Wo bist du, mein Sonnenlicht?"
Der Song entstand bei einem Workshop im Jugendtreff ihrer Heimatstadt Germersheim, fand ein halbes Jahr später angeblich ohne ihr Wissen den Weg ins Internet und könnte nun durchaus die Spitze der Charts erobern.
Noch vor kurzem bestimmten für den 18-jährigen Ismail und seine 17-jährigen Kumpels Selcuk und Fatih ihre Jobs im Kernkraftwerk, im elterlichen Betrieb oder die Berufsschule den Alltag. Jetzt liegen Arbeit und Schule auf Eis, und die Jungs träumen von Popstar-Karrieren.
"Wo bist du, mein Sonnenlicht?", fragt das Trio in ihrem Song verzweifelt eine imaginäre Angebetete. Mit ihrer Mischung aus Gesang und Rap treffen sie kaum einen Ton, in Karaoke-Bars würden sie wohl ausgebuht. Auch mit der Grammatik hapert es: "Ich vermisse deinem Aten" lautet eine Zeile. Und ihr Kanakdeutsch im Stile von Stefan und Erkan passt kaum zu einem Liebeslied. Während die Fangemeinde gerade deswegen verrückt nach Grup Tekkan ist, machen sich Gegner in Internet-Foren lustig über sie oder beschimpfen sie.
Nach einem Interview auf der Internetseite der Illustrierten "Bunte" brach die Lawine los: "Dann kamen plötzlich alle Plattenfirmen angerannt, Fernsehen und alles", berichtet Ismail im dpa-Interview. Viele Radiostationen spielten den Song, Stefan Raab holte Grup Tekkan in seine ProSieben-Show "TV Total" und prophezeite: "Das wird eine ganz klare Nummer Eins".
Etwas vorsichtiger ist man bei der Plattenfirma, für die sich die von der ganzen Branche umworbene Gruppe entschied: "Unsere Erwartung heißt Top 5", erklärt Peter Aleksander, Geschäftsführer von Superstar Recordings. Im Büroloft der bisher vor allem im Dancefloor-Bereich erfolgreichen Plattenfirma in Mühltal bei Darmstadt stehen die Telefone nicht mehr still. "Das Potenzial ist riesig", meint Aleksander.
Die drei Teenager haben ihr Zuhause, ihre Familien und Freunde in den vergangenen zwei Wochen so gut wie nicht gesehen. Sie hetzen von Termin zu Termin. "Schlaf, was ist das?", fragen sie lachend beim Interview im Fotostudio. Nach Aufnahmen für einen Klingelton-Anbieter geht es direkt weiter zum nächsten TV-Auftritt. Zwischen dem Promotion-Marathon stehen Besuche im Studio in Mörfelden-Walldorf. Hier wurde die Single nochmal eingesungen. Auch das Album soll hier entstehen und innerhalb der nächsten acht Wochen mit deutschen und türkischen Songs erscheinen.
"Wo sie bisher aufgetaucht sind, flogen ihnen die Herzen zu", berichtet Aleksander und liefert seine Erklärung für den Erfolg: "Sie sind sehr authentisch, da ist nichts marketingtechnisch getrickst worden, und sie sind kein von der Industrie künstlich erzeugtes Produkt. Die Jungs sind so, wie sie sind. Die finden gut, was sie machen und haben den nötigen Humor".
Relativiert wurde mittlerweile allerdings der zunächst vermittelte Eindruck, "Sonnenlicht" sei fast komplett in Eigenregie entstanden. Medien hatten berichtet, die Originalbeats kämen von einem 18-jährigen HipHopper aus Kanada und Text und Melodie zumindest teilweise von der Ruhrpott-Gruppe Sons of Gastarbeita (SOG), die in einem Jugendprojekt den Song mit den Germersheimer Jungs erarbeitet hatten.
Also verbreitete das Hamburger Management eine Stellungnahme: "Die Plattenfirma kann bestätigen, das alle Rechte geklärt sind. Dass dies bei einem so schnellen Hype nicht über Nacht passieren kann, ist Profis und Insidern bekannt." Dem unausweichlich erscheinenden Charterfolg steht also nichts mehr im Wege.