Das sagen viele Vitali Fans. Er hatte in seinem so kompletten Arsenal auch eine Schwäche, sein Kinn. Das war auf ner Skala von 0 bis 10 maximal ne 7.
[...]Klar hatte Lewis kein Glaskinn oder kein schlechtes, aber es war auch nicht gut, sehr gut oder sogar Allzeitlevel. Nicht nur Ali hatte ein besseres, auch viele andere wie Frazier, Tua, Foreman, Tyson, Vitali, und andere.
Ich kann an Lewis keine Schwäche im Kinn erkennen. Die meisten Boxer wackeln, wenn es einen vollen Treffer auf die 12 gibt. Zu den wenigen Ausnahmen gehört Lewis nicht, aber eine maximal auf Deiner Skala vergebene 7 spricht eher für ein gutes Kinn. Wenn Lewis eine Schwäche hatte, dann seine Arroganz und damit verbundene Konzentrationsschwächen.
Vitalis Kinn war gut bis sehr gut. Sein Punch war am Anfang der Karriere noch gut, da er seine Schläge aber wenig lehrbuchmäßig gestaltete und sein Bewegungsabläufe nicht nur für die Gegner sondern auch für den eigenen Körper sehr unorthodox waren, musste er wegen der ständigen Verletzungen sehr stark umstellen und mehr Schläge ohne Druck aus den Armen bringen.
Im 1-1 Vergleich gegen den 24 jährigen Zenit Ali von 1966 seh ich für Lewis keine echte Siegchance, der war einfach zu schnell und präzise.
Ebenso wie Mike Tyson finde ich Cassius Clay/Muhammad Ali auf dem Weltklasse-Niveau immer stark überhöht. Wäre Doug Jones damals ein Star und kein gut gerankter Aufbaugegner gewesen, Clay/Ali wäre wohlmöglich nie zur Legende geworden. Ebenso wenig wäre er zur Legende geworden, wenn er seine unzweifelhaft bemerkenswerten boxerischen Fähigkeiten nicht mit einem übergroßen Maul verbunden hätte. Ähnlich wie beim heutigen selbstverliebten Fury mag das als Show bei vielen Betrachtern ankommen, ich finde es einfach nur nervig und keineswegs eine Paketvergrößerung. Ali hatte den Vorteil, das Überdecken von Schwächen und nachlassenden Fähigkeiten regeltechnisch durchzubekommen, weil er die große Nummer war. Auch da gibt es in der späteren Boxgeschichte weitere Parallelen. Regeltechnisch hätte man Rope-a-Dope durchaus als illegal unterbinden können, wenn nicht gar müssen. Man kann natürlich sagen, dass Ali im zweiten Norton-Kampf die Championship-Runden für sich gewann, aber auch da wäre ein Punkteurteil für Norton, der ebenfalls zwar ein guter, aber kein überragender Mann war, gerechtfertigt gewesen. Kurzum: Es gibt kaum einen Boxer in der Geschichte, der nicht Schwächen hatte und keine Haken und Ösen in der Boxvita. Lewis war über alles ein komplettes Paket, dass nicht nur beidhändig schlagstark, sondern auch körperlich sehr präsent und taktisch klug gewesen ist. Sein Maß an dirty Tactics hat das Gesamtbild abgerundet. Für Ali ein Gegner auf bemerkenswertem Niveau. Speed ist in einem Kampf auch nicht alles.
Aber auch eine 1973er Version von Formeman, also als der auch 24 war, wär für Lennox eine nur ganz schwer einzunehmende Festung. Big George schlug beidseitig so enorm hart, und kam im Gegensatz zu Lewis wie man gegen Lyle gesehen hat nach Niederschlägen wieder hoch.
Die Beiden würden sich gegenseitig einschenken, aber nie im Leben könnte sich Lennox den vom Leib halten und vermeiden getroffen zu werden.
Foreman war ein gefährlicher Puncher, körperlich sehr präsent und in seiner Prime ein gutes Boxpaket, aber von der Ringintelligenz eher durchschnittlich unterwegs. Lewis war der klar größere Mann mit der deutlich größeren Reichweite, dem im Primevergleich klar höheren Kampfgewicht, der den Kampf auch körperlich gestaltete. Für Foreman eine eher schwierige Nummer. Arroganz-KO-Niederlage für Lewis wäre durchaus denkbar, aber ansonsten sehe ich da für Foreman kaum Land.
Also vom Gesamtpekt der Kampfstärkste HW aller Zeiten ist für mich der 24 jährige Ali von 1966, als er auf seinem absoluten Zenit war.
Das beste Al-Time-Paket ist m.E. Joe Louis aus den 30er-Jahren, danach kommt schon Lewis. Prime Holmes ist auch ganz weit oben, klar vor Vitali und auch vor Tyson.
Man sollte sich übrigens davon verabschieden, dass Niederlagen einen Boxer automatisch zu einem Schlechten machen. Sie gehören zum Boxen dazu. Auf Weltklasse-Niveau kann man gegen andere Weltklasse-Gegner verlieren, manchmal entscheidet die Tagesform oder das Zusammenspiel der jeweiligen einzelnen Stärken und Schwächen.