2014 Gui Lai (Coming home)
China
Plot
Die Lehrerin Feng Wanyu (in der Folge nur noch Yu genannt) der Mittelschule Guangming hat seit 10 Jahren nichts mehr von ihrem Ehemann, dem Professor Lu Yanshi (in der Folge nur noch Lu genannt), gehört. Während der Kulturrevolution Chinas um das Jahr 1970 soll Lu nun aus einem Gefängnis für politische Häftlinge geflohen sein. Die einzige Tochter, Dan Dan, ist Schülerin einer Tanzakademie und linientreu. Yu und Dan Dan werden verhört. Dan Dan will kooperieren, währenddessen Yu zögert. Lu taucht in der Stadt auf. Dan Dan kommt nach Hause, als sich Besuch einstellt. Die Partei, vertreten durch Deng und seinem Kumpel Liu, suchen nach Lu.
Dan Dan war nur gerade 3 Jahre alt, als der Vater verhaftet wurde und ins Gefängnis wanderte. Obwohl Dan Dan die bessere Tänzerin ist, wird ihr die Kollegin Cui Meifang aus politischen Gründen für die Hauptrolle einer grossen Tanzvorstellung vorgezogen.
Lu nähert sich dem Haus seiner Familie, klettert über eine Leiter über einen Nebeneingang ins Haus. Vor dem Haus befindet sich Wachpersonal, da man mit der Ankunft Lus rechnet.
Lu klopft an die Haustüre. Seine Frau Yu hört das Klopfen. Sie ahnt, dass Lu draussen ist. Während dessen kommt Dan Dan nach Hause. Lu dreht die Türfalle. Gestört durch Dan Dan läuft Lu an ihr vorbei. Dan Dan folgt ihm. Sie schliesst aus der Art, wie sich Lu verhält, dass er Lu sein muss. Schliesslich sprechen die zwei zusammen. Lu ahnt, dass sie Dan Dan sein muss und nennt sie auch so. Er stellt sich als ihr Vater vor. Sie sei gross geworden. Dan Dan kennt Lu nicht. Lu führt aus, dass er nur sie und ihre Mutter sehen wolle. Dan Dan beschert ihm eine Abfuhr, indem sie sagt, dass niemand ihn sehen wolle. Lu bittet Dan Dan Yu auszurichten, dass er sie morgen um 08.00 h beim Bahnhof erwarte.
Lu schreibt Yu einen Zettel und schiebt ihn unter der Wohnungstür durch. Yu sieht den Zettel und hebt ihn auf, liest die Mitteilung.
Dan Dan spricht mit dem Wachmann. Sie steckt ihm, dass sie die Tanzhauptrolle Wu Qinghua in der roten Abteilung der Frauen aus politischen Gründen nicht bekommen habe. Der Geheimdienstmann verspricht mit der Schule zu sprechen. Im Gegenzug wird Dan Dan ihren Vater verraten.
Yu hat beobachtet, wie Dan Dan mit dem Wachmann sprach und macht sich ihren Reim.
Zu Hause kommt es zum Streit zwischen Yu und Dan Dan. Yu wird Dan Dan sagen, dass sie sich seit sie jung sei immer um sie gekümmert habe. Jetzt müsse sie sich um ihren Mann kümmern. Dan Dans Sache sei es, Wu Qinghua zu tanzen.
Yu geht um 08.00 h zum Bahnhof, wo Lu seit 07.30 h auf sie wartet. Auch Dan Dan erscheint am Bahnhof. Yu sucht Lu. Schliesslich wagt sich Lu aus der Deckung, ruft im Durcheinander nach Yu. Diese sieht ihn, aber schon sind die Kommissäre hinter Lu her. Yu sieht das aus ihrer Position und fleht Lu an, zu rennen, aber es nützt nichts. Lu wird geschnappt und abgeführt, in einen Wagen gesteckt und weggefahren.
Trotz des Verrats wird Dan Dan die Hauptrolle als Tänzerin nicht bekommen. Yu weigert sich, die Vorstellung zu besuchen.
3 Jahre später endet die Kulturrevolution. Lu wird aus dem Gefängnis entlassen und kommt mit dem Zug heim. Dan Dan sieht Lu am Bahnhof herumsitzen. Sie erzählt Lu, dass Yu nicht kam, um ihn abzuholen, gibt aber keine weiteren Erklärungen dazu ab. Dan Dan tanzt nicht mehr und arbeitet in einer Textilfabrik.
Lu kehrt heim. Yu öffnet zwar die Türe und begrüsst ihn, bittet ihn, sich zu setzen. Nach einer Weile bemerkt Lu aber, dass Yu ihn offensichtlich nicht erkennt. Yu hält ihn für den Polizeibeamten Fang. Sie wird wütend und bittet Lu, die Wohnung zu verlassen. Dan Dan taucht auf. Lu erzählt ihr, dass Yu ihn nicht erkannt habe. Lu wurde rehabilitiert. Man zeigt Yu den Brief, aber die weint nur und sagt, Lu werde nach Hause kommen. Yu leidet unter Gedächtnisverlust. Schliesslich verlässt Lu die Wohnung. Man bringt ihn erstmal in einem nahen Laden beim Kiosk unter.
Seit der neuerlichen Verhaftung vor 3 Jahren hatte Yu aufgehört, die Türe zu schliessen. Sie wollte sicher sein, dass sie Lu nie mehr rausschliessen würde. In ihrer Wohnung wimmelt es vor Zetteln, welche sie als Erinnerungshilfen geschrieben hat. Yu leidet seit einem Jahr an psychogenischer Amnesie. Dan Dan besucht sie morgens und abends. Sie lebt nicht bei Yu, weil diese nicht will, dass Dan Dan bei ihr lebt.
Lu verfolgt Yu, sieht, dass sie zum Bahnhof läuft und die Neuankömmlinge betrachtet. Sie wartet auf die Passiegiere des Zuges aus Xining wartet und hofft, dass ihr Lu aussteigen wird.
Lu wird ein Brief für Yu mitgegeben. Es ist ein stark verspäteter Brief, den er vom Lager aus geschrieben hat. Im Brief steht, dass er am 5. ankommen werde, ohne allerdings einen Monat dazu zu schreiben. Lu informiert Dan Dan. Der Brief wird Yu von Dan Dan überreicht. Yu liest ihn und macht sich daran, ein Plakat zu malen: darauf steht: Lu......
Dan Dan bittet den wartenden Lu herein, aber Yu erkennt Lu noch immer nicht.
Lu erkundigt sich beim Facharzt Dr. Wang, wie es zur Krankheit Yus kommen konnte. Wang beschreibt diverse Krankheitsursachen, aber einen genauen Grund zu nennen erscheint ihm unmöglich. Der Spezialist meint, man könne da im Moment nicht viel tun, erwähnt immerhin Hypnose als Therapie und andere psychologische Behandlungen, welche es aber in China nicht gäbe. Wang schlägt Lu ein Experiment vor: es ginge um den Deja Vu-Effekt: durch die Vorstellung könne das Hirn ein fiktionales Gedächtnis aufbauen. Durch die Schaffung gleicher Momente im richtigen Leben, könne der Patient das fiktionale Gedächtnis in seinem Unterbewusstsein aktivieren und dieses als wirklich erscheinen lassen. Dies werde erzielt. , indem man Plätze, an welchen man lebte, besuche, sich Filme anschaue, welche man gesehen habe, Musik höre, welcher man gelauscht habe. Briefe, Bücher, alte Fotos seien ebenfalls hilfreich.
Dan Dan bringt die Fotobücher. Ueberall ist Lu herausgeschnitten. Lu fragt, wer das gemacht hätte und Dan Dan bekennt, dass sie dafür verantwortlich war. Die Komissarin Suzhen, welche bei der Verhaftung Lus eine Rolle spielte, hilft Lu. Sie war früher zusammen mit ihrem Mann Wei mit Lu und Yu befreundet, war eine alte Klassenkameradin von Yu und besitzt noch ein Foto aus der Zeit, als die vier mal zusammen waren. Sie ist freundlich zu Lu und gibt ihm das Foto mit. Von Suzhen erfährt Lu, dass sich Wei umgebracht hat.
Lu bittet Dan Dan, Yu zu sagen, dass sie das Foto aufbewahrt habe. Dan Dan zeigt Yu das Foto, auf dem Wei, Suzhen, Lu und sie zu sehen sind. Yu nimmt Dan Dan die Geschichte ab, dass sie das Foto aufbewahrt hat. Gemeinsam sehen sie sich das Foto nochmal an. Yu erkennt Lu tatsächlich auf dem Foto. Wieder führt Yu aus, dass Lu zurückkommen werde. Dan Dan öffnet die Türe und Lu erscheint, aber Yu erkennt ihn noch immer nicht, schliesst Lu die Türe vor der Nase zu. Allerdings sagt Yu zu Dan Dan, dass der Mann ihr familiär vorkomme. Dan Dan sagt ihr, dass dies Lu sei, aber Yu hält ihn noch immer für einen Fremden.
Im Treppenhaus wird Dan Dan traurig. Sie kann nicht verstehen, dass Yu alles vergisst, aber ihren damaligen Verrat nicht. Lu tröstet sie.
Yu will das seit langer Zeit nicht gebrauchte Klavier für Lu stimmen lassen. Lu gibt sich als Klavierstimmer aus. Yu gibt ihm zu trinken und erkennt ihn nicht.
Immer am 5. des Monats macht sich Yu schön und geht zum Bahnhof. Lu spielt Piano als Yu heimkommt. Yu wundert sich über die Töne, den Klang des Spiels. Sie freut sich. Lu spielt weiter und Yu beginnt zu weinen und das Kino wohl mit ihr. Zärtlich hält Yu die Hand auf Lus Schulter. Auch Lu vergisst Tränen. Die Beiden umarmen sich, aber schon erscheint Lu Yu wieder fremd und schlägt ihm die Hand weg. Dan Dan wirkt traurig, meint, die zwei seien wohl einfach zu lange voneinander getrennt gewesen.
Dan Dan sagt Lu, dass Yu nichts davon wisse, dass sie mit dem Tanzen aufgehört habe und wo sie lebe. Es tue ihr so leid, für sie zwei. Aber auch Lu fühlt sich schuldig. Er sagt, gäbe es ihn nicht, würde Dan Dan gut mit der Mutter zusammen leben.
Die Beiden kommen sich menschlich näher und Dan Dan wird Lu hier zum ersten Mal Vater nennen. Sie sagt ihm, dass sie ihn damals an die Kommissäre verraten habe und Lu gesteht, dass er dies bereits wusste. Der Genosse Deng hätte es ihm erzählt.
Bald darauf trifft ein Paket von Lu für Yu ein. Darin befinden sich eine Unmenge von Briefen, welche Lu für Yu geschrieben hatte. Yu bittet Lu, ihr die Briefe vorzulesen, was Lu geduldig tut. Die Briefe gefallen Yu und sie bittet Lu, wiederzukommen und ihr noch mehr Briefe vorzulesen.
Yu wollte nicht, dass Dan Dan eine Tänzerin wird. Sie hätte es lieber gehabt, wenn sich Dan Dan für die Wissenschaft oder die Technologie interessiert hätte. Es sei Lus Wunsch gewesen, dass Dan Dan Tänzerin geworden sei.
Lu stoppt, Yu Briefe vorzulesen. Dan Dan erkundigt sich nach dem Grund. Lu betrachtet es als sinnlos, sieht sich nur noch in der Rolle des Vorlesers und sieht keine Verbesserung von Yus Zustand.
Dan Dan tröstet ihn, sagt ihm, damit wäre er Yu doch nahe gewesen und hätte sich um sie gekümmert. Alles andere spiele doch keine Rolle. Lu hört ihr interessiert zu und beschliesst, dies zu überdenken.
Ueber die Briefe lässt Lu Yu wissen, dass bei allen Fehlern, welche Dan Dan gemacht haben sollte, sie doch nur ein Kind sei. Jeder mache Fehler. Es hänge von ihr ab, eine gute Mutter zu sein. Es wäre nicht richtig gewesen, Dan Dan aus dem Haus zu kicken. Er hoffe, dass Yu sie wieder bei ihr wohnen lassen. Lu wird Dan Dan abholen und sie nach Hause bringen.
Yu öffnet Dan Dan die Türe und bittet sie, die Tanzakademie zu verlassen und nach Hause zu kommen. Als Dan Dan den von Lu geschriebenen Brief liest, weint sie.
Dan Dan wird für Yu und Lu in Yus Wohnung die Hauptrolle Wu Qinghua der roten Abteilung der Frauen tanzen.
Lu bringt Dan Dan Essen. Als Lu Yu sanft zudecken will, verwechselt Yu Lu mit Fang. Lu sei nicht exekutiert worden. Sie habe sich fürs ganze Leben Schuld aufgeladen, aber er könne sie nicht mehr berühren. Sie fordert ihn auf, die Wohnung zu verlassen.Sie werde nicht mehr vergewaltigt werden.
Yu schliesst sich ein, stellt Stühle vor die Türe, um sie abzuriegeln. Lu fragt Dan Dan , wann Fang dies der Mutter angetan habe? Dan Dan meint, sie wäre noch klein gewesen, erinnere sich aber immerhin, dass er sie mal mit einer Schöpfkelle geschlagen habe.
Lu sucht Fangs Wohnung mit einem Schöpflöffel hinter dem Rücken auf. Von dessen Frau erfährt er, dass Fang selber verhaftet worden sei. Die Frau ist eine Furie. Lu lässt den Schöpflöffel hinter seinem Rücken sinken. Auch Fangs Frau wartet mit ihrem Kind verzweifelt auf Fangs ungewisse Rückkehr
Yu wartet sehnlichst auf den Briefevorleser, aber der sei krank, berichtet ihr Dan Dan. Jiaozi wird gekocht. Yu besucht Lu, der krank ans Bett gefesselt ist und bringt ihm die Speise zur Stärkung.
Viele Jahre später: Lu ist merklich älter geworden, genauso wie Yu. Am Tag des 5. des Monats macht sich Yu noch immer schön. Dan Dan hilft ihr in den Mantel. Lu steht mit seiner Rikscha bereit. Man fährt zum Bahnhof. Dan Dan schaut den Zweien traurig nach. Am Bahnhof wartet Yu noch immer auf ihren Lu und Lu wartet wohl auf sich selbst.
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Coming Home ist ein Werk des chinesischen Kultregisseurs Zhang Yimou. Der Film basiert auf dem Roman "Der Kriminelle Lu Yanshi" von Geling Yan.
Allerdings sollen hier nur ca. die letzten 30 Seiten des Romans für den Film massgebend sein (mir liegt der Roman nicht vor).
Zwar spielten die Umstände und Folgen der chinesischen Kulturrevolution im Film durchaus eine Rolle, aber die Verfehlungen des politischen Gefangenen Lu Yanshi werden im Film nicht erläutert.
Der Film wurde vom Publikum durchaus gut aufgenommen und soll weltweit über 47 Millionen Dollar eingespielt haben.
Bei den Kritiken zum Film habe ich von langweilig, zu langsam erzählt, fehlender Tiefe bis zu sehr gutem, unterhaltsamem Film die ganze Bandbreite lesen können. Zweifellos scheint das Werk zu polarisieren. Entweder man liebt den Film oder man mag ihn nicht.
Für die Freunde von Action, leichter, süffiger Unterhaltung, welche sich einfach einen lockeren Filmabend machen wollen, kann ich den Film nicht empfehlen. Für die Anhänger von anspruchsvollem, emotionalem Kino, welche wenigstens rudimentäre China-Kenntnisse besitzen und sich geistig und psychologisch fordern lassen wollen, könnte dieser Film eine wahre Schatztruhe sein.
Man kann Zhang Yimou nicht vorwerfen, er hätte die Familiengeschichte um Lu Yanshi und Feng Wanyu zu hastig erzählt. Bedächtig und gemächlich wird dem Betrachter/der Betrachterin die Familiengeschichte um Professor Lu Yanshi und Feng Wanyu und deren Tochter Dan Dan näher gebracht. Allerdings leitet das Erzähltempo etwas fehl, denn in diesem 111 Minuten langen Werk ist einiges an Inhalt verpackt, werden viele Themen angesprochen und nicht selten hat Zhang Yimou es verstanden, seine aufgetischten Kostbarkeiten gut zu verstecken.
Heldin des Werks ist wohl Feng Wanyu, welche von Zhang Yimous Muse Gong Li gut gespielt wird. Ihr würde ich ein gewisses Overacting bei gewissen Passagen ankreiden. Ich meine, Zhang Yimou hat da an einigen Stellen nicht gut aufgepasst. Weniger wäre da und dort imo besser gewesen. Sie verhält sich zu ihrem Mann loyal und ist die Einzige, welche ihn, als es zur Crunch Time kommt, nicht verrät. Ihre Figur hat mich an Dostojewskis Fürst Myschkin erinnert. Sie liebt ihren Mann, egal was kommen möge und zahlt dafür einen hohen Preis, indem sie vom Polizeikommissar Fang vergewaltigt wird und so wohl unbewusst ihrem gelieben Yanshi die Todesstrafe erspart. Möglich, dass ihr Gedächtnisverlust sie davor bewahrte, völlig verrückt zu werden. Zhang Yimou hat es raffiniert verstanden aufzuzeigen, wie tief Wanyus Liebe ist, denn selbst als sie ihre Entscheidungen kaum mehr rational treffen kann, ist es deutlich, dass sie Yanshi noch immer liebt.
Die Tochter Dan Dan ist eine interessante dramaturgische Figur. Sie ist anfangs linientreu eingestellt. Ihre Tanzbewegungen wirken zwar zunächst unglaublich präzise, aber der Drill ist unangenehm zu spüren. Besonders ausdrucksstark wirkte das zunächst nicht, wenngleich die Perfektion ihres Tanzes eindrücklich war. Jedenfalls war Dan Dans Privatvorstellung für Yanshi und Wanyu in der Wohnung einiges gefühlvoller. Das war eine Meisterleistung der Schauspielerin Zhang Huiwen. Ueberhaupt war Huiwen der heimliche Star der Filmbesetzung. Sie überzeugte sowohl als Anhängerin der Partei, als reuige Sünderin, als Kumpanin von Yanshi, dem sie im Verlaufe des Filmes eine richtige Tochter wurde. Laut der Geschichte hatte Dan Dan keine wirklichen Erinnerungen an Yanshi und diesen Wandel vom Unbekannten zum Vater hat sowohl das Drehbuch als auch die Schauspielerin Huiwen sehr gut hinbekommen.
Lu Yanshi, der von Chen Daoming hervorragend gespielt wird, ist ein würdiger Partner zu Wanyu Feng. Ihre Liebe wird glaubhaft, tief und rein dargestellt. Es ist erstaunlich, was sich Zhang Yimou und wohl auch Geling Yan alles für Yanshi einfallen liessen, um die verschüttete Seele Wanyus freizuschaufeln. Mal betätigt sich Yanshi als Klavierstimmer, mal als Vorleser oder beschafft sich bei der Ex-Verräterin Suzhen ein Foto. Yanshi kämpft verzweifelt darum, dass Wanyu wieder gesund wird. Beim Klavierspiel hatte ich für einen Moment den Eindruck, dass es ihm gelingen könnte und ich habe hier Zhang Yimou im Verdacht, diesen Einschub ganz bewusst gesetzt zu haben. Es ist eigentlich der einzige wirkliche Lichtblick im Film, dass sich Wanyu je von ihrem schweren Trauma erholen könnte. Bei der Klavierszene und beim Abdecken von Wanyu mit der Decke kamen sich Wanyu und Yanshi wohl am Nächsten. Beide Male ging die Sache für Yanshi schlecht aus. Erst als Yanshi seine Ambitionen aufgab und Wanyu so akzeptierte, wie sie sich präsentierte, konnte Yanshi eine gewisse Nähe zu Wanyu wiederherstellen, auch wenn diese eine andere Form annahm, als man es sich als Betrachter gewünscht hätte.
Der Film handelt auch von Verrat. Dan Dan verrät Yanshi, Yanshi verrät seine Familie, Deng verrät sowohl Yanshi als später auch Dan Dan, Wei bringt sich wohl vor lauter Verrat um. Suzhen verrät Yanshi ebenso. Die einzige Akteurin, welche niemanden verrät, ist Wanyu. Sie geht allerdings kaputt dabei.
Ein weiteres Thema, welche im Film nicht zu kurz kommt, ist die Heilung von Verletzungen, vom Verzeihen. Yanshi verzeiht Zhen, Deng, Dan Dan, Fang, Wanyu verzeiht Dan Dan.
Betreffend der Jiaozi-Szene habe ich eine eigene Theorie entwickelt, welche ich Zhang Yimou gerne unterbreiten würde. Wanyu kocht für den kranken Yanshi Jiaozi und bringt es ihm in dessen Wohnung. Es ist das einzige Mal, dass sie dort auftaucht. Für das Zubereiten von Jiaozi braucht es sehr viel Zeit. Das ist kein Gericht, welches man auf die Schnelle kocht, wenn es denn richtig gemacht wird. Jiaozi war für mich immer ein sehr reiner, tiefer Ausdruck der Liebe einer Köchin für den Bekochten. Zudem ist Jiaozi traditionell ein chinesisches Mahl, welches historisch zur Heilung eingesetzt wurde. In den Teig wurden Heilkräuter gelegt, um der Kälte entgegenzuwirken. Es ist möglich, dass Yimou Jiaozi sehr bewusst als Symbol eingesetzt hat. Die Jiaozi-Szene hatte ich mir tief beeindruckt angeschaut und hielt es für einen absoluten Geniestreich Zhang Yimous. Jedenfalls bin ich wohl der Einzige, dem dies aufgefallen ist oder dies so interpretiert hat, denn in keiner Besprechung wird diese Szene erwähnt. Meine Kontakte in China sagen mir eher, dass es möglich ist, dass ich hier zuviele Symbole reininterpretiere. Jiaozi sei ein völlig normales Mahl und stünde grundsätzlich für nichts anderes als für eine Speise. Allerdings sei das heilende Element tatsächlich bekannt und könnte als Symbol richtig sein. Die chinesischen Fachkreise waren von beiden meiner Annahmen jedenfalls nicht restlos überzeugt. Ich würde Zhang Yimou dennoch gerne darauf ansprechen.
Coming Home ist wie von vielen Kritikern angefügt, auch ein deprimierender, trauriger Film. Die Story lastet schwer auf der Leinwand. Als Hoffnungsschimmer taugen höchstens die Akzeptanz des Schicksals, das Leben im hier und jetzt. Sinnbildlich dafür die Schlussszene, als Yanshi im tiefverschneiten Bahnhof in seiner Rikscha zusammen mit Wanyu auf sich selber wartet. Er wirkt nicht unglücklich, was mir immerhin ein leichtes Lächeln abtrotzte.
Persönlich halte ich Coming Home für ein krass unterschätztes Meisterwerk. Psychologisch ist die Geschichte unglaublich fein und schlau erzählt. Zhang Yimou verstand es, das Abtragen von psychischen Verschüttungen sichtbar zu machen. Zurück blieb sowohl bei Lu als auch Yu ein reines, edles Ich. Höhepunkte des Filmes sind die vielfach umstrittene Klavierszene und das psychologische, ruhige Schlussfeuerwerk am Bahnhof.
Der Film ist zwar tatsächlich tieftraurig, aber wenn man ganz genau hinschaut, kann man einen nachhaltigen Trost erkennen. Coming Home ist eine sanfte cineastische Umarmung für Verzweifelte, Hoffnungslose, Traurige, Verletzte. Kälte und Wärme spielen im Film eine grosse Rolle und am Ende bleibt eine seltsame Wärme, welche das Herz und die Seele auf rätselhafte Weise angenehm umgibt.
Der Film ist bei Youtube zur Zeit in voller Länge mit arabischen Untertiteln zu sehen. Bei opensubtitles.org gibts einen englisch sprachigen Untertitel, 720p BluRay, der dazu passt.
感谢z先生。