Äh, nein. Chi Sao ist Wing Chun und nicht einmal dort in den diversen Derivaten wirklich gleich. Im Taijiquan gibt es auch mindestens 3 Kernvarianten von Pushing Hands (Tuishou), Wu-Stil, Yang-Stil, Chen-Stil plus diverse Untervarianten, die sich erheblich unterscheiden (und mitunter völlig nutzlos sind) und mit Chisao wirklich überhaupt nichts zu tun haben.
Ohne den Kontext einer Kampfführung, wie sie vor der Nutzung als öffentliche Bespaßung von Alten und Reichen Ende des 19. Jahrhunderts vorhanden war, ist das nur eine Art von "Gymnastik" mit Kampfkunstbezug und, ernsthaft trainiert, etwas das nur Clinch-Skills thematisiert. Der Hintergrund als Kampfmethodik ist zwischen etwa 1650 und 1870 vorhanden gewesen, das ist im günstigsten Fall 150 Jahre her. Weder der Eingang in den Clinch noch der Ausgang werden heute noch häufiger, systematisch oder ernsthaft geübt. Das ist, als würde man im Boxen nur noch den Clinch üben, und Beinarbeit, jedwedes Schlagen, Meiden und dergleichen komplett weglassen. Wieviel würde noch übrig bleiben? Nichts. Nur Geschichten von Roy Jones und Mike Tyson. 1850 hat die Familie Yang das Elitemilitär trainiert, man kann davon ausgehen, dass es den Mongolen mit ihrer extrem starken Ringertradition aufgefallen wäre, wenn die nichts können. Das auf heute übertragen wäre aber, als würde man sagen, weil ich Roy-Jones-Kämpfe auf Video gesehen habe, kann ich boxen. Niemand weiß, wie das vor 150-375 Jahren ausgesehen hat.
Witzigerweise ist die Trainingsmethodik fast jeder Taijiquan-Variante aber höchst nützlich, nämlich für Sport und Fitness. Die gezielte Wirkung auf Muskulatur, Balance, Stabilität, Reflexe und dergleichen ist nur mit den gleichen Mitteln (extrem langsame Bewegung, Balancewechsel, Stampfübungen, Biegemomente auf Knochen) machbar, man kann das auch ohne den Rest kondensieren. Was "Kampffähigkeiten" angeht, sind Bajiquan, Baguazhang oder Xing Yi wesentlich wirksamer und in ihrem Training bekannter, aber kompetenten Unterricht zu bekommen ein Riesenproblem. Die Leute sterben aus, die das noch als Leibwächter der taiwanesischen Präsidenten trainiert haben, oder sind inzwischen über 80.
Kompetent in Deutschland BJJ zu lernen ist wesentlich einfacher. Und für die Muskulatur- und Stoffwechselwirkung kann man tatsächlich mit ein bisschen Aufpassen auf Details (SEHR langsam anfangen, nichts anspannen, nichts denken, einfach tun) vom Taijiquan-Video auf Youtube lernen und das einfach jeden Tag 15-20 Minuten machen. Sollte irgendwann beim einen oder anderen die extreme Kraftwirkung die sich einstellen kann (aber nicht muss) auftreten, kann man das immer noch mit dem auch so funktionierenden BJJ verbinden. Im Ballsport ist das auch sehr nützlich.