...Muhammad Ali boxte auch für die Schwarzen, Henri Maske boxte für das vereinigte Deutschland. Firat Arslan boxt für den Sieg des Wollens über das Können.
Sein Wille ist ein treuer Gefährte. Firat Arslan kämpft schon so lange, dass er vergessen hat, wann er ihm das erste Mal begegnet ist. Vielleicht damals in der Realschule. Er ist dort ein Außenseiter, einer der lügt, wenn der Lehrer nach den Weihnachtsferien fragt, welche Geschenke unterm Baum lagen. Bei den Arslans in Süßen gibt es keine Geschenke. Sein Vater hat die Familie verlassen, er zahlt keinen Unterhalt. Die Mutter arbeitet in einer Bettfedernfabrik. "******türke", rufen ihn manche. Das ist immer noch besser als "Firat-Dreirad". Er hasst seinen Namen. Ungefähr mit 15 fängt er an zu boxen. Für den Hausgebrauch, auf dem Schulhof, um den anderen das Maul zu stopfen.
Gerold meint es besser mit ihm. "Firat, hör auf mit dem Rauchen", rät sein Freund, ein Fußballer aus dem Filstal. "Warum sollte ich?", fragt er. "Ich zeig's dir", antwortet Gerold, der ein guter Läufer ist. Auf dem Mofa fahren sie zum Joggen in den Wald. Die Runde ist vier Kilometer lang. Nach der ersten muss sich Firat übergeben. "Willst du noch eine Runde?", fragt der Freund. Firat nickt. Er kann kaum noch sprechen, die Lunge brennt. Wieder muss er sich übergeben. Nach der zweiten Runde kommt die gleiche Frage. Firat japst und nickt. Nach der vierten Runde gibt Gerold auf.
Er ist kein geborener Sieger, eher ein gelernter Verlierer
So ähnlich geht es auch mit Dieter, der im Göppinger Freibad das Tauchen übt. Am Anfang ist Dieter besser. Er kann die Luft länger anhalten. Am nächsten Tag trainiert Firat für sich und kommt auf zwei Minuten. Dieter hält dagegen. Am Ende schafft Firat 3:41 Minuten. Er ist fast bewusstlos, als er auftaucht. Große Siege haben ihren Preis
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Mit 18 kommt er über seinen Bruder Meric zum Boxen. Firat ist ein Spätstarter, obenrum steif. Er trainiert im Göppinger Boxclub "Olympia" und stößt irgendwann auf den Landestrainer. Günther Meier drillt die jungen Sportler auf eine gute Schlagtechnik. Bei Firat winkt er ab. Da ist Hopfen und Malz verloren.
Arslan schwitzt im Training manchmal fünf Liter raus
Meier hält alle paar Monate eine Rede und lobt seine Boxer. Der junge Türke kommt nie vor in den Hymnen. Eines Tages, er hört schon nicht mehr hin, sagt der Trainer: "Schaut den Firat an, der hat Biss. Den muss man erst mal schlagen!" Dieser Satz trägt ihn. Es ist die Zeit, in der Firat Arslan einem absurden Vorsatz die Freiheit schenkt: "Ich will Weltmeister werden!" Die anderen im Gym halten ihn für übergeschnappt. Firat Arslan ist es ernst. Er lässt sich einbürgern, macht eine Lehre als Konstruktionsmechaniker und arbeitet jeden Tag an seiner Technik. Mit 27 wird er Profi. In diesem Alter hören andere auf. Die Boxpromoter belächeln ihn. Ein hoffnungsloser Fall. Kein Vertrag, nirgends.....