Stiverne ist in meinen Augen ein absolut grottiger Boxer.
Stiverne ist so plattfüßig und langsam auf den Beinen, wie man es nur sein kann. Er hat eine miese Deckung, ist unbeweglich im Oberkörper, hat keine Kondition und der Jab ist absolut brotloses Gestocher.
Sein "Gameplan", wenn man das so nennen kann, ist einfach grauenhaft! Er kann keinen Druck auf den Gegner aufbauen, kann ihn nicht bei der Entfaltung stören und macht im Grunde nichts, außer konditionslos in den Ringseilen zu hängen und den Gegner "einzuladen", um die Chance auf einen Konter zu bekommen.
Wilder würde höchstwahrscheinlich unter dem Druck eines guten "Marschierers" oder "Wühlers" zusammenbrechen. Er hat zu lange Arme, um in deren bevorzugter Distanz viel auszurichten und im Rückwärtsgang sieht er sehr bescheiden aus. Stiverne hingegen lässt ihm einfach viel zu viele Freiräume und genau das ist der springende Punkt, man muss Wilder unter Druck setzen, Stiverne kann das nicht.
Alles, was Stiverne kann, ist mit einem ganz ordentlichen Handspeed, der aber absolut nichts Besonderes ist, recht hart und präzise zu kontern, wenn der Gegner entsprechend nah, am besten Kopf and Kopf, an ihm dran steht. Ansonsten hat er vielleicht noch ganz gute Nehmerfähigkeiten, aber das wars dann auch schon.
Wilder hat noch niemanden geboxt? Wen hat Stiverne, außer einen abgehangenen Arreola, geboxt? Der Jab vom alten Ray Austin war, aus boxerischer Sicht, schon fast zu viel für Stiverne, hier konnte er die Punktniederlage gerade noch abwenden. Ansonsten muss man sich schon eine Weile durch seinen Kampfrekord "klicken", um mal auf den ein oder anderen Namen mit weniger als 20-30 Niederlagen zu stoßen. Aber selbst gegen die musste er oft genug über die volle Distanz.
Stiverne hat Austin und Arreola geboxt, Wilder hingegen Harrison, Liakhovich und Scott, wo ist da der himmelweite Unterschied?
Wer groß ist und halbwegs lang boxen kann, ist der reinste Albtraum für Stiverne. Was will Stiverne machen, wenn zB ein Ustinov seine "Klitschko-ultralight"-Taktik aus dem Tua-Kampf anwendet? Stiverne kann doch gar keine Distanzen überbrücken, geschweige denn dabei vernünftig zuschlagen. Ustinov würde den einfach am Jab verhungern lassen und eine langweilige UD einfahren. Wie soll Stiverne an seinen Kopf rankommen?
Was den Kampf spannend macht ist, dass Wilder zum ersten mal auf einen Gegner trifft, der nicht vom ersten Schlag umfällt, selbst punchen kann und tatsächlich zum Gewinnen kommt. Eine "Meisterprüfung" sehe ich in Stiverne allerdings nicht. Dass Wilder sicher gewinnt, kann ich aber auch nicht sagen, weil er mit seinen knapp 30 Jahren eben noch nie mit Gegenwehr konfrontiert wurde und ich schlicht nicht weiss, wie er darauf reagiert.
Trotzdem, selbst für einen Hype ohne viel dahinter ist es kein Hexenwerk, seine Größen-, Reichweiten-, Fitness- und vor allem Mobilitätsvorteile halbwegs sinnvoll einzusetzen. Wenn Wilder das macht, gewinnt er.
Er sollte die Beine nutzen, hinter dem langen Jab bleiben und nicht naiv und ungeduldig früh auf den KO gehen, sondern erst wenn Stiverne müde wird, anfangen vermehrt den rechten Hammer auszupacken, etc...
Wilder muss nicht "The Real Deal" sein, um Stiverne zu besiegen, da reicht ein halbwegs intelligenter Gameplan, in dem er seine oben genannten Vorteile ausspielt.
Ich tippe auf einen KO-Sieg für Wilder in Runde 5-7.
Danach wird er, denke ich, den Titel melken und behaupten Klitschko würde ihn ducken. Wilder hat bisher noch nie Interesse an einem starken Gegner gezeigt, er hätte Chisora boxen können, hat er aber nicht. Woher soll das Interesse nach dem Titelgewinn auf einmal kommen? Wilder ist jung und super zu vermarkten, er braucht keinen "Alles oder Nichts"-Kampf gegen einen deutlich erfahreneren Boxer.