Oktay Urkal: Wenn ich Weltmeister werde....
"Wenn ich Weltmeister werde, würde ich bei der Landung
den WM-Gürtel aus der Cockpitluke des Flugzeugs halten"
Showdown in Puerto Rico: In der Nacht von Samstag auf Sonntag steigt
der WBA-Weltmeister im Weltergewicht Miguel Cotto (28-0, 23 K.o.´s) zu
seiner Titelverteidigung gegen Oktay Urkal (38-3, 12 K.o.´s) aus
Berlin in den Ring (am 4. März ab 9.00 Uhr beim MDR in voller Länge im
TV). Für viele Boxexperten gilt der puertoricanische Titelverteidiger
im Coliseo Roberto Clemente in San Juan aufgrund seiner enormen
Schlagkraft vor heimischer Kulisse als klarer Favorit. Doch der von
Ulli Wegner trainierte Herausforderer will nichts unversucht lassen,
um den WM-Gürtel aus Puerto Rico nach Deutschland zu holen.
Herr Urkal, trotz Ihrer großartigen WM-Fights gegen Kostya Tszyu und
Vivian Harris gelten Sie vor der WBA-Weltmeisterschaft gegen den in 28
Profikämpfen ungeschlagenen Miguel Cotto eher als Außenseiter. Wie
sehen Sie selbst Ihre Chancen?
Oktay Urkal: "Im Boxsport ist alles möglich. Ich habe mich sehr
konzentriert auf diesen Kampf vorbereitet. Im Sparring lief es
ausgezeichnet. Keine Verletzungen, gute Laktatwerte, auch die
Schlagkraft- und Lauftests brachten hervorragende Ergebnisse. Ich
werde also am 3. März in einer Top-Verfassung in den Ring steigen. Mit
37 Jahren wird das meine letzte Chance sein, den WM-Titel zu gewinnen.
Deshalb habe ich im Vorfeld wirklich alles dafür getan, um diese
Chance zu nutzen."
Im WM-Kampf gegen Kostya Tszyu brachen Sie sich den Kiefer. Glauben
Sie, Sie hätten den Kampf damals ohne dieses Handicap gewonnen?
Oktay Urkal: "Bis zur siebten Runde, als der Kiefer brach, war der
Kampf sehr ausgeglichen. Ich hätte gewinnen können, doch auch mit der
Verletzung war es bis zum Ende ein großartiger Fight."
Gegen Vivian Harris gab es später zwei WM-Niederlagen. Im ersten Kampf
unterlagen Sie knapp nach Punkten, im zweiten Aufeinandertreffen
mussten Sie sich in der elften Runde geschlagen geben…
Oktay Urkal: "Das stimmt, doch den ersten WM-Kampf gegen Harris hätte
man durchaus für mich werten können. Ich dachte nach Ende der zwölf
Runden, dass ich Weltmeister bin. Vor dem zweiten Kampf schwächte mich
in der Vorbereitung zweimal die Grippe. Hinzu kam, dass ich mir im
ersten Kampf die Nase gebrochen hatte und die ganze Sache nicht
vernünftig verheilt war. Deshalb hatte ich starke Probleme mit der
Atmung und war nicht in der Lage, der Klasse von Harris Stand zu
halten."
Sie haben sich in der vergangenen Jahren besonders durch Ihre
Schnellig- und Beweglichkeit einen Namen gemacht. Miguel Cotto hatte
einige Male Probleme mit Kontrahenten, die schnell auf den Beinen
sind. Wird das auch Ihre Strategie für Samstag sein?
Oktay Urkal: "Cotto wird sicherlich versuchen, in gewohnter Art nach
vorne zu marschieren. Doch ich bin mir sicher, dass ich ihn mit meinen
schnellen Aktionen immer wieder überraschen kann. Der Kampf am Samstag
wird zeigen, wer mit seiner Art zu boxen, den Ring als Sieger
verlässt."
Im vergangenen Jahr standen Sie nur zweimal im Ring. Ihre Kontrahenten
kamen dabei nicht aus den oberen Regionen der Weltrangliste. Wollten
Sie kein Risiko eingehen?
Oktay Urkal: "Ja, so war es. Ich hatte mir das Recht, um die WBA-WM zu
boxen, schon im Mai 2005 durch meinen Sieg gegen Frederic Klose
erkämpft. Nach meinem Erfolg gegen Maxim Nesterenko vier Monate später
legte ich den EM-Titel nieder, um mich auf meine WM-Chance zu
konzentrieren. Da sich der WM-Kampf verzögerte, nutzte ich die beiden
Kämpfe dazu, um mich in Form zu bringen."
Miguel Cotto plant für den 9. Juni bereits den nächsten Kampf. Glauben
Sie, dass er Sie unterschätzt?
Oktay Urkal: "Das Gefühl könnte man schon haben. Aber mal ehrlich,
falls er mich wirklich unterschätzen sollte, kann das eigentlich nur
gut für mich sein. Damit steigen meine Chancen, ihn zu besiegen.
Außerdem finde ich, dass damit enormer Druck auf ihm lastet. Das
einheimische Publikum wird ihn zwar frenetisch anfeuern, doch eine
Niederlage, gerade wenn der nächste Kampf schon geplant ist, wäre eine
riesige Enttäuschung für ihn. Ich kann hingegen unbekümmert in den
Ring steigen, denn ich habe nichts zu verlieren."
Haben Sie sich dieses Mal eigentlich anders als sonst vorbereitet?
Oktay Urkal: "Zunächst einmal hatte ich andere Sparringspartner. Sie
sollten dem Stil Cottos nahe kommen. Dazu bin ich sehr früh nach
Puerto Rico gereist, um mich an die Zeitverschiebung von fünf Stunden
und die warmen Temperaturen zu gewöhnen. Mit beiden Faktoren bin ich
gut klar gekommen. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass ich am Samstag
eine gute Leistung zeigen werde."
Haben Sie sich schon überlegt, was passieren würde, wenn Sie als
WBA-Weltmeister nach Berlin zurückkehren würden?
Oktay Urkal: "Na klar. Wenn ich Weltmeister werde, würde ich vor
Freude bei der Landung am Montag in Berlin-Tegel den WM-Gürtel aus der
Cockpitluke des Flugzeugs halten."
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