Ich finde den Umgang mit Frings nicht wirklich scheinheilig. Dass er sich vor der WM-Saison als BT noch alle Optionen offen ließ. ist nicht scheinheilig, sondern selbstverständlich. Jetzt hat er dem Spieler in einem persönlichen Gespräch Monate vor der Nominierung mitgeteilt, dass er nicht mehr mit ihm plant - früh genug, um ein Kahn/Lehmann II hin-und-her zu vermeiden.
Sicher hätte man Frings mitnehmen können - er ist vom heutigen Leistungsvermögen her einer von mehrerern Alternativen für die zweite 6 (hinter Rolfes und Schweinsteiger, vielleicht gleichauf mit Khedira, vor Hitzsperger).
Aber:
1. ist er für einen definitiven Stammplatz nicht mehr gut genug. Seine Untauglichkeit als möglicher Ersatzspieler hat Frings gerade erst wieder öffentlich über die Medien unter Beweis gestellt. Nimmt man dazu, dass er mit Ballack einen persönlichen Fürsprecher im Team hat, ist das ein Risiko im Hinblick auf Ruhe im Karton während des Turniers. Wie schnell kann es passieren, dass Bild und Co während der WM Kapitän und Bundestrainer gegeneinander ausspielen? Mir kann niemand weismachen, dass ein Reservist Frings kein betriebsklimatisches Risiko darstellt. Es geht dabei auch nicht um "pflegeleicht" oder "man will keine mündigen Spieler" - Frings sagt zwar immer seine Meinung, wirklich gehaltvolles ist aber eher selten dabei. Klappe aufreissen ist nicht zwingend gleichzusetzen mit Führungsqualität.
2. ist bei der WM mit sehr schnellem, athletischem Spiel zu rechnen. Das ist onehin schwierig genug, mit zwei 34jährigen in der Mittelfeldzentrale aber kaum machbar. Italien (2008), Frankreich (2002) und auch Deutschland selbst (1994) sind prominente Beispiele dafür, dass Erfahrung fehlende Dynamik bei einem Turnier auf diesem Niveau nicht unbedingt wettmacht. Der dann zwangsläufig harte Bruch nach der WM tut dann sein Übriges.
Durch die verkürzte Winterpause wird es noch schwieriger, eine topfitte Mannschaft an den Start zu bringen, ausserdem findet die WM im Winter statt, was die Muskulatur noch zusätzlich beansprucht. Für ältere Spieler, die von Haus aus schon längere Regeneration benötigen, ist das ein grösseres Problem als für jüngere. Klingt komisch, ist aber so. Gerade auch Frings ist im Winter, eben wegen seiner sehr auf Fitness basierenden Spielweise gefährdet: es ist nicht zwingend ein Zufall, dass er im fortgeschrittenem Alter sowohl in diesem, als auch schon im letzten Winter in schlechter Form ist.
Das wäre alles hinnehmbar, wenn er eben immer noch in ähnlicher Verfassung und sportlicher Leistungsträger wie 2006 wäre...ist er aber nicht. Seine EM war ausgesprochen schwach, die Leistungen auch im Verein in der Folgesaison ebenso, sein Verhalten erst recht. In dieser Saison spielt er besser, keine Frage: er spielt eine ordentliche Saison, aber keine überragende. Jedenfalls keine, die eine Nominierung erzwingen würde. Wäre Frings der Typ Spieler, der auch als Nummer 16-22 gerne mitfährt, um seine Erfahrung einzubringen, wenn sie gebraucht wird - aber eben auch nicht muckt, wenn sie vielleicht im gesamten Turnier gar nicht gebraucht wird, könnte man ihn sicher mitnehmen. Aber der Typ ist er doch hinten und vorne nicht.
Wenn ein Spieler seines Alters mit seiner aktuellen Leistungsfähigkeit und Position (eben der, dass er sich mächtig ins Zeug legen und an seine aktuelle Leistungsgrenze gehen muss, um im Kader zu sein) wenige Wochen vor dem Fitnesstest, der ja letztlich eine Art Nominierung des vorläufigen Kaders ist, zum wiederholten Male über die Medien kundtut, dass es bei ihm ja gar nicht um Leistung gehe (übrigens durchaus eine Bremer Unart. Wiese ist da leider sehr ähnlich gestrickt)....dann darf er sich doch nicht ernsthaft wundern, wenn der Bundestrainer sagt: das Risiko Frings gehe ich nicht ein.