Entwertet es den Sport Formel 1 nicht, wenn ein viermaliger Weltmeister nicht mal annähernd der beste Fahrer ist?
Es ist die Frage, was man für einen Motorsport sehen will.
Bei der Formel1 spielt die Komponente Fahrzeug immer eine immens starke Rolle. Mansell galt zwar als talentiert (z.B. auch als er bei Ferrari fuhr) ... aber nie als so gut wie Senna, obgleich er diesem 1992 um die Ohren fuhr.
Natürlich gilt trotzdem, dass ein Fahrer eine bestimmte Klasse haben muss, um siegreich zu sein. Man kann nicht jeden beliebigen Fahrer in einen RedBull setzen und erwarten, dass er eine Leistung wie Vettel bringt.
Patrese ist 1992 so eben Vize-Champion geworden und Rookie Hill 1993 knapp Dritter. Vielleicht hätten sie mehr Punkte abgesahnt, wenn ihre Teamkollegen nicht von Sieg zu Sieg gefahren wären ... aber sie hätten ihre Konkurrenz nicht derartig dominiert.
Freilich ist Vettel ein starker Fahrer, daran gibt es - denke ich - keinen Zweifel. Doch ebenso wie andere Piloten hat auch Vettel seine Stärken und Schwächen. Die gibt es auch bei Hamilton und Alonso und kommen auch bei diesen mal mehr und mal weniger zum Tragen.
Es bleibt dann immer die subjektive Meinung der Beobachter welche Stärken und welche Schwächen schwerer wiegen.
Sogar der Vergleich innerhalb eines Teams ist schwierig, da die Fahrer mit dem jeweiligen Material unterschiedlich gut zurecht kommen. Es hängt also auch manches davon ab, wie sehr der Wagen zu ihrem Fahrstil passt.
Das macht sich z.B. bei Vettel im Vergleich zu seinen Teamkollegen bemerkbar. Webber holte Zeit am Kurvenausgang, Vettel gewinnt sie am Kurveneingang. Hierfür braucht Vettel jedoch ein stabiles Heck ... weshalb er gerade 2011 und 2013 schneller war als Webber.
2012 startete Webber besser in die Saison, bis man im Laufe des Jahres bei RedBull den Coanda-Auspuff weiter entwickelte.
Auch jetzt hat Vettel mit dem RedBull ein wenig zu kämpfen, während Ricciardo besser klar kommt.Man wird bei RedBull erneut schauen, dass man am Heck an Abtrieb gewinnt ... und dann sieht's für Vettel wieder besser aus.
Schumacher hatte beispielsweise einen sehr speziellen Fahrstil. Irgendwo auf YouTube habe ich mal ein Video gesehen, bei dem Telemetrie-Daten von Schumacher und Verstappen verglichen wurden. Mit seiner Art zu fahren konnte Schumacher einfach viel mehr Zeit aus dem Benetton holen. Als er ging hatten Alesi und Berger so ihre Schwierigkeiten mit der Fahrbarkeit des Benetton, der noch auf den von Schumacher gefahrenen Vorgängern basierte.
Als Zweifelsfreie Nr. 1 in seinen Teams wurden die Fahrzeuge auch durchaus in der Richtung weiterentwickelt, dass sie Schumacher gefielen ... und er holte dann das Maximum heraus.
Nur zu Beginn seiner F1-Karriere (1992) konnte ein Teamkollege mit ihm mithalten (Martin Brundle) ... und natürlich später, als er Rosberg im Mercedes quasi "gleichberechtigt" war.
Nicht nur wegen der unterschiedlichen Stärke der unterschiedlichen Boliden, sondern auch weil ein jeweiliger Renner unterschiedlich gut zum Fahrstil eines Piloten passen kann, lässt sich sehr schwer sagen, welcher Pilot der schnellste ist.
Nichtsdestotrotz kann man sagen, dass es Piloten gibt, die sehr schnell sind (z.B. Alonso, Hamilton, Vettel, Hülkenberg, Rosberg ... aber auch Raikkönen, Grosjean, Bianchi und so weiter) ... und dass es welche gibt, die eher hinterherhinken (Chilton, Ericson, Gutierrez). Abgesehen davon gibt es aber Punkte, in denen sich die Fahrer unterscheiden (Zweikampfstärke, Rennintelligenz, Material schonen, auf Kommando pushen/Abstände halten, Fahrfehler), welche nicht direkt vom Fahrzeug abhängen ... und hier lässt sich dann schon eine Aussage treffen, welche Fahrer stärker und welche schwächer sind.
Es geht ja um gute oder schlechte Fahrer ... und nicht nur um schnelle und langsame.
Oder anders: interessiert es überhaupt, ob Alonso rein theoretisch schneller wäre als Vettel, wenn sie eh in verschiedenen Autos sitzen? Da könnte man sich genauso gut fragen, ob er der bessere Sänger ist.
Es kann einem interessieren ... muss es aber nicht.
Wie schon erwähnt, selbst wenn Vettel und Alonso im gleichen Boliden säßen, heißt das nicht, das der eine oder der andere Pilot schneller ist.
Ich schätze, dass Alonso einen Ferrari schneller um die Strecke bewegt als Vettel.
Aber ich glaube, dass Vettel den RB9 schneller um die Strecke schickt, als Alonso es könnte.
Selbst in anderen Formel-Serien fällt der Vergleich schwer. Die meisten Formel-Rennserien fahren ja mit Einheitsautos.
IndyCar, Super Formula, GP2, World Series by Renault ... also die anderen nächstschnellsten Formel-Autos (nach der Formel 1) ... alle fahren da mit Dallara-Chassis'. Nungut ... bei den IndyCars gibt es 2 Motorenlieferanten.
Aber selbst in diesen Rennserien gibt es Unterschiede zwischen den Rennteams. Manche sind immer wieder vorne mit dabei (trotz wechselnder Fahrer) ... manche fahren immer wieder hinterher. Teilweise platziert sich ein guter Fahrer plötzlich viel weiter vorne, wenn er innerhalb einer Einheitsserie das Team wechselt.
Klar ... der Fahrer macht viel aus. Ein dressierter Affe kann einen Formel1-Wagen nicht fahren ... das musste auch Niki Lauda einsehen, obgleich er gegenteiliges behauptete.
Aber die Komponente Fahrzeug und Team wird sich nie wegdiskutieren lassen (außer vielleicht beim Kart-Sport). Bei der Formel 2 hat man dies versucht. Hier gab es Einheitsautos und keine Teams im klassischen Sinne. Aber selbst die besten Piloten dort (z.B. Robert Wickens) schafften es nicht in die Formel 1.
Mal wirkt die Komponente Fahrzeug schwerer ... mal weniger. Entsprechend fällt auch die Anerkennung für die Piloten aus. Tom Kristensen kann noch so oft in Le Mans gewinnen und meinetwegen auch verschiedene Boliden fahren ... das Lob wird dort immer eher an den Hersteller gehen.
Als Schumacher und Häkkinen duellierten, war da eigentlich jemals der Fahrer das Zünglein an der Waage? Oder determinierte das Material den Ausgang? Und wäre das gut oder schlecht?
Häkkinen und Schumacher waren beide schnelle Piloten. Sie sahen neben ihren Teamkollegen stark aus und waren auch in den Nachwuchsserien stark unterwegs.
1990 trafen Häkkinen und Schumacher beim Formel-3-Rennen in Macao aufeinander. Häkkinen als Meister der britischen Formel 3, Schumacher als Meister der deutschen Formel 3. Die beiden fuhren dem Rest des Feldes auf und davon.
Häkkinen schied damals aus, als er Schumacher in der letzten Runde überholen wollte, aber dieser im gleichen Moment nach rechts zog, als Häkkinen aus dem Windschatten fahren wollte. Häkkinen flog ab, Schumacher siegte ohne Heckflügel.
Natürlich wird Häkkinens WM-Titel 1998 auch dem McLaren-Team zugeschrieben, dass damals ein Top-Auto auf die Strecke brachte (nach mehreren schwächeren Jahren).
Nichtsdestotrotz brauchten McLaren und Ferrari beide starke Fahrer, um jeweils um die WM kämpfen zu können. Coulthard und Irvine guckten sich das 1998 nur aus der Distanz an.
Irvine hatte 1999 seine Chance, weil Schumacher verletzt war und Häkkinen diverse technische Defekte plagten.
Starke Fahrer allein reichen natürlich nicht. Sonst hätten Villeneuve und Frentzen 1998 nicht den Erfolgen von 1997 nachtrauern müssen.