1. Deutschland hat mich am meisten überrascht. Mit der Mannschaft, den Fans, der Stimmung im ganzen Land. Das war weltmeisterlich, auch ohne Titel. Mir ist nationaler Taumel suspekt, aber Deutschland hat sich selbst sehr sympathisch präsentiert. Das Echo findet man in internationalen Foren, so viel Respekt, Achtung und Sympathie habe ich über Deutschland noch nie gelesen. Mein persönliches Highlight, die Figo-Rufe des deutschen Publikums nach seiner Einwechselung zu seinem letzten Auftritt. Ein toller Gastgeber.
2. "Defense wins championships", Spieler des Turniers für mich Cannavaro als Stereotyp dieser Spielweise. Im Endspiel waren die beiden besten Abwehrreihen, das glücklichere Team hat gewonnen. Den schönsten Fußball hat Deutschland gezeigt und ich sage das mit aller gebotenen Objektivität.
3. Juve ist trotz des Finales nicht die beste Vereinsmannschaft der Welt. Vielleicht sollte man die Champions League in WM-Jahren auch kürzen, viele Teilnehmer schienen mir doch sehr ausgepowered. Vielleicht auch zu satt, am Talent von Ronaldinho oder Deco zweifelt wohl niemand der bei Fußballverstand ist.
4. Exoten bleiben Exoten. Speziell die afrikanischen Teams bleiben eine Enttäuschung, selbst wenn sie mit Superstars gespickt sind wie die Côte d'Ivoire. Korea, Japan, USA, Ghana, Australien, vermutlich werden sie nie einen Blumentopf gewinnen. Und letztlich sind auch die europäischen Teams aus der "zweiten Reihe" eine Enttäuschung, Niederlande, Tschechien, Portugal, zum großen Triumph wird es wohl nie reichen.
5. Die Schiedsrichter haben sich gemessen an der Spielezahl sehr ordentlich präsentiert, nichtsdestotrotz wurde zu viele Spiele durch strittige Entscheidungen entschieden. Vielleicht ist es mal an der Zeit technische Möglichkeiten wahrzunehmen und weniger entscheidend auf Spiele einzuwirken.
6. Das Bundesverdienstkreuz für "raffke" Sepp Blatter ist eine Schande für diesen Orden. Ebensowenig möchte ich Politikerpack sehen, wie es sich im Erfolg einer Mannschaft sonnt um Popularität abzugreifen. Das korrupte Pack soll sich aus dem Sport heraushalten, ebenso alle, die den Sport politisieren wollen. Nichtsdestotrotz fand ich die ehemalige FDJ-Vorsitzende für Agitation und Propaganda, vulgo Zonen-Angie, teilweise putzig. So sehr ich sie politisch ablehne, menschlich hat sie selbst mich gerüht. Ein weiterer Grund keine Politiker bei Sportveranstaltungen zuzulassen, es sei den sie sind seit langem involviert.
7. Spanien ist und bleibt ein Drama. Als zweifelsfrei beste Liga der Welt, wieder einmal eine "spanische" Vorstellung. Man wird sie zu Punkt 4 sortieren müssen. Da lobe ich mir die Bundesliga, bei allen bekannten Schwächen. Selbst im Finale war man präsent.
8. Die Trainer. Respekt gebührt unzweifelhaft Klinsmann und Scolari, sie haben aus nicht wirklich Weltklasseteams zwei starke Mannschaften geformt die fast um den Titel gespielt hätten. Lippi dafür, dass er unitalienisch spielen ließ und Klinsmann letztlich ausgecoacht hat (und Weltmeister wurde). Domenech kann ich nicht bewundern, mit Trezeguet hätte Frankreich den Titel imho geholt, er war für mich zu ängstlich. Ebenso wie sich Parreira vorhalten lassen muß, mit dieser Ausnahmeauswahl versagt zu haben. Pekermann fast noch schlimmer, er wurde verdient durch 11m-Schießen entfernt.
9. Die Berichterstattung. Der gemeine Zuschauer sollte Schmerzengeld bekommen und nicht zahlen (GEZ). Beckmann im Finale schlimmer als eine Wurzelbehandlung. Einfach nur grausam. Doch letztlich nicht schlimmer als der Rest, die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ton aus war fast immer die beste Wahl. Ebenso der Zirkus den das ZDF veranstaltete. Lichtblicke imho nur die Lierhaus (und sei es wegen dem äußeren) und Netzer, der so trocken rüberkommt, als sei er prädestiniert dafür die Olive in den Martini von Bond zu werfen. Seine Kommentare sind jedoch wenigstens kompetent und sachlich.
10. "Die Welt zu Gast bei Freunden", was für ein Marketingmist, ebenso wie das Logo, was für mich wie eine Ansammlung von XTC-Tabletten aussieht, ein schwachsinniger Slogan. Und doch muß ich attestieren, dass es 100%ig gepaßt hat. Es war ein großartiges Fest und zumindest ich habe ein paar Freunde in der ganzen Welt gefunden. Dafür großen Respekt und meinen Dank an den Macher der ganzen Angelegenheit. Beckenbauer hat den Fußball-Olymp erklommen, Weltmeister als Spieler, Weltmeister als Trainer und Weltmeister einer der besten Weltmeisterschaften aller Zeiten. Er ist wahrhaftig der "Kaiser".