Brasilien liegt in Trümmern, es muss ein totaler Neuaufbau her.
Neben dem emotionellen Druck, der das Team letztlich lähmte, ist auch mangelndes Talent ein Grund für das Versagen. In allen Generationen hatte BRA mehrere Weltklassespieler im kreativen, offensiven Bereich. Pele, Garrincha, Zico, Socrates, das waren Spieler, welche die ganze Welt faszinierten. Sie standen für das jugo bonito, das schöne Spiel. Aber nachdem die legendäre Mannschaft der 80'er Jahre titellos blieb, stellte der brasilianische Fußball sein Spiel um. Man passte sich dem europäischen Stil an, mit mehr Athletik und taktischer Disziplin. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, durch die vielen Legionäre, die seit dem Bosman-Urteil in Europa ihr Heil suchen. Mit Romario, Bebeto, Rivaldo, Ronaldo und Ronaldinho hatte man weiterhin außergewöhnliche Individualisten, heute sehe ich nur noch Neymar als den genialen Fußballanarchen, der Rest sind dem internationalen (europäischen) Standard angepasste Spieler. Ich bin kein Experte, was die brasilianische Nachwuchsförderung angeht, aber vielleicht sollten die Fummler und Trickser wieder höher gewertet werden.
Als Fußballromantiker wünsche ich mir, dass sich Brasilien, jetzt in der Stunde der historischen Niederlage, wieder auf seine Wurzeln beruft, das jugo bonito, diese außergewöhnliche, den Brasilianern ureigene Art, Fußball zu spielen.
Selbst ohne das gestrige Match, hatte die Selecao spielerisch nicht viel zu bieten, da kamen außer Emotionen keine Impulse, die den Weltfußball irgendwie inspirieren. Ich habe deren Fußballkultur immer bewundert und hab ihnen auch diesmal viel Erfolg gewünscht (außer gestern, versteht sich), aber wenn ich ehrlich bin, hat sich die Mannschaft bei dieser WM nicht viele Sympathien erspielt.
Vielleicht findet nach diesem Erdbeben der brasilianische Fußball wieder zurück zu seiner wahren Identität, dem unbekümmerten, tänzerischen und kreativen Spiel, welches die Welt schon immer in den Bann zog.
Wenn Brasilien die richtigen Schlüsse zieht, so wie Deutschland nach '98 und 2000, dann sind sie in zehn, zwölf Jahren besser denn je.
Umso wichtiger ist es, daß unsere Mannschaft die Chance jetzt nutzt und sich selbst belohnt.