Ich dachte, Linke stehen für Toleranz und so. Muss mich getäuscht haben, sollte nicht so viel denken.
WAMS: Im Juni vor einem Jahr haben sie dann aufgehört. Was haben Sie dann gemacht?
Klopp: Wenn sie so wollen, habe ich mein Leben umgestellt – und etwa Sport in den Alltag aufgenommen. Ich hatte noch nie ein Sixpack und brauche auch kein Sixpack, aber ich mache Sport, um den ganzen Körper zu stärken. Da ist alles dabei, vom Tennis, Padel, Seilspringen bis hin zu Kraftübungen. Ein paar Freunde und ich haben uns in die Hand versprochen, aufrecht ins Alter zu gehen. Ich bin 1,94 Meter groß, und nur wenige bekommen es hin, damit im hohen Alter gerade zu stehen. Älter werden wir alle, aber es gibt ein paar Dinge, auf die man Einfluss nehmen kann. Ich hatte damals keinen Tag, an dem ich faul herumlag. Doch als der tägliche Stress plötzlich nicht mehr da war, hat mir mein Körper richtig einen mitgegeben. Ich würde sagen, dass ich 23 Jahre lang nicht krank war, selbst als ich Corona hatte, ging es mir nicht schlecht. Aber nach dem EM-Eröffnungsspiel, das ich noch im Stadion verfolgt habe, lag ich flach. Ich konnte nicht mal meinen Kopf heben. Ich habe mich gehasst. Ich war so heiß auf das Leben – und konnte knapp drei Wochen nichts machen. Zum EM-Finale war ich wieder fit.
WAMS: Als wieder erste Bilder von Ihnen auftauchten, wirkten Sie durchtrainiert und fit.
Klopp: Schauen Sie sich mal Bilder von der Zeit an, als ich in Dortmund aufgehört habe. Vier Monate später habe ich in Liverpool angefangen und hatte 16 Kilo weniger drauf. Alles durch Sport und eine gute Ernährung. Ich habe bestimmt 70- bis 80-mal jeweils zwei Stunden Tennis gespielt. Doch wenn ich gearbeitet habe, habe ich auf nichts geachtet, was links und rechts neben mir passiert. Ich habe gegessen, was da war – und nicht darauf geachtet, was oder wann ich esse. Ich war in einem Tunnel, aber nie bei mir selbst. Inzwischen achte ich mehr auf mich. So blöd es klingt, doch ich habe aufgehört, das zu machen, was ich eigentlich immer wollte. Aber es hat mich zu sehr aus dem normalen Leben geholt – und ich hatte letztlich kein normales Leben mehr. Was auch immer das normale Leben ist: Mein Auto kannte drei Wege, den zum Stadion, zum Trainingsgelände und nach Hause. Wir hatten in Liverpool viel Besuch, das war schön. Aber ich hatte so gut wie keine Zeit für den Besuch. In den vergangenen vier Wochen beispielsweise war ich auf zwei Hochzeiten. Das war ich in 23 Jahren nicht. Soll ich Ihnen was sagen?
WAMS: Bitte.
Klopp: Zuletzt sagte hier und da schon mal einer zu mir: Mensch, du setzt dich bestimmt bald wieder auf die Bank. Mein Gefühl sagt mir: Nein. Ich habe meinen Job geliebt. Doch ich vermisse nichts.
WAMS: Dann war es auch ausgeschlossen, dass sie sich bei RB Leipzig übergangsweise auf die Bank setzen?
Klopp: Natürlich. Das war von vorneherein die Abmachung mit Oliver (Mintzlaff; d. Red.). Da geht es um meine Rolle, die ich bei Red Bull habe, in der ich nicht das Damoklesschwert bin, das über unseren Trainern schwebt. Frei nach dem Motto: Ich sage dir, wie es geht, und wenn du es nicht verstehst, mache ich es selbst. Das wird niemals passieren. Bei Red Bull hat man mich nicht als möglichen Trainer geholt. Ich soll meine Erfahrungen weitergeben, die ich als Headcoach und Manager gesammelt habe, und soll jüngeren Kollegen helfen, sich zu entwickeln. Dabei wollen wir Trainer aus den richtigen Gründen verpflichten und, wenn denn auch mal sein muss, uns aus den richtigen Gründen wieder von ihnen trennen. Und dabei geht es mir einzig um die sportliche Entwicklung und nicht darum, wie das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.