Natürlich ist das allgemeine Niveau bei Deutschlands Amateurboxern niedriger als beispielsweise in Kuba, Russland etc. Dennoch gibt es selbst in Deutschland genug Amateurboxer, die fintieren und taktieren. Das Amateurboxen pauschal zu wilden Schlagwechseln zu degradieren ist oberflächlich und wird der Schwere dieses Sports nicht gerecht.
Viele Aktionen laufen ineinander über, erscheinen hektisch oder wild. Dennoch basiert die Mehrheit auf Finten und vorbereitenden Handlungen. Es gibt sogar sportwissenschaftliche Untersuchungen, die sich intensiv mit Finten im Amateurboxsport beschäftigt haben und selbst ein „durchschnittlicher“ Kampf bei der Olympiade kam auf ca. 100 und mehr Finten pro Runde. Was also oft wie ein wilder Schlagwechsel scheinen mag, ist das Ergebnis unzählig einstudierter Bewegungsabläufe, Aktionen, Boxschulübungen u.s.w.
Eine „gewöhnliche“ Führhand beispielsweise wird ja nicht „solo“ geschlagen, sondern sie sollte immer auch aus Beinarbeit, Schulterbewegung, Gewichtsverlagerung u.s.w. bestehen, um es kurz auszudrücken. Spitzenboxer arbeiten dabei sogar noch mit kombinierten Finten, indem sie mit den Augen, den Handschuhen etc. versuchen zu täuschen. Ergo fintiert man bereits, wen man einen Schlag bringt.
Klar, bei der 4x2 Rundendistanz wird ein Kampf anders aufgebaut als bei der 3x3 Rundendistanz, was Taktik und Finten angeht. Die Aktionen scheinen planloser, schneller, dichter, dennoch sind Taktik und Finten deshalb nicht aus dem Fight genommen. Wen dem so wäre, dann hatte das Amateurboxen das Niveau einer gewöhnlichen Schulhofrauferei, was definitiv nicht stimmt.