Ich finde, dass Löws Zeit vor 2014 häufig zu unkritisch gesehen wird.
Man muss natürlich hauptsächlich Löw die Entwicklung nach 2006 anrechnen. Er hat die Impulse von Klinsmann im Verband und der NM perfekt weitergeführt. Das hat zu teilweise wirklich überzeugenden Spielen und besonderen Ergebnissen (auch gegen größere Mannschaften) geführt. Er hatte aber auch immer einen Anteil am Scheitern, wenn es denn dann kurz vor Schluss doch nicht klappte.
2008 würde ich da noch ausnehmen, weil das noch der Beginn der Entwicklung war.
2010 aber hat er gegen Spanien vor dem Spiel quasi gesagt, dass man nicht gewinnt, wenn alles normal läuft. So hat er dann auch spielen lassen. Niemand hätte ihm und der Mannschaft ein Ausscheiden gegen diese Spanier übel genommen, aber das Team das vorher so grandios aufspielte, hat er komplett enteiert und so spielen lassen, dass es irgendwie mit viel Glück aber ohne Plan, außer die Spanier irgendwie aufzuhalten, reichen sollte. Danach hat er das auch nicht wirklich hinterfragt und dort schon das erste mal gezeigt, wie wenig er sich Kritik stellt.
2012 war es ähnlich gegen Italien. Kroos der Pirlo bis zum italienischen Strafraum verfolgen musste, um dessen Kreise einzuschränken. Wieder wollte er irgendwie den Stärken des Gegners beikommen. Schon damals hatte er übrigens deutlich bessere und gestandenere Spieler zur Verfügung als 4 Jahre zuvor.
Ich war zu diesem Zeitpunkt schon dafür ihn abzusetzen. Er hatte viel erreicht, aber diese Aktionen waren für mich derart frustrierend, weil ich doch einfach nur sehen wollte, wie diese Mannschaft ihren Stiefel durchzieht, egal wer da kommt. Dann hätten sie ja scheitern können, erhobenen Hauptes. So fühlte ich mich und die Mannschaft um die Chance betrogen, es auf ihre Art zu versuchen.
2014 dann der Titel. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, er wäre trotz Löw errungen worden. Die Verletzung von Mustafi, die damit verbunden Umstellung von Lahm auf rechts. Das Freak-Spiel gegen Algerien, das zweite Freak-Spiel gegen Brasilien. Neuer gegen Frankreich kurz vor Ende. Boateng und Schweinsteiger im Finale. Da kam schon viel zusammen. Löw hatte aber seinen Anteil und vieles, was er und sein Team sich vorgenommen und überlegt hatten, ging auch auf.
2016 war eigentlich gar nicht so viel anders verlaufen. Man hat gegen Italien und auch gegen Frankreich große Spiele geliefert. Diesmal lief es dann aber eben in die andere Richtung und man konnte die Franzosen dann nicht schlagen.
Trotz allem wäre spätestens dann der Zeitpunkt gewesen aufzuhören. 3 EM-Turniere, 2 WM-Turniere. Immer weit gekommen und einmal den größten Titel errungen. 10 Jahre Nationaltrainer. Viel aufgebaut, einige entscheidende Fehler gemacht, aber immer auf hohem Niveau.
Dann zeigte sich aber, was im ganzen Verband, aber vor allem eben in der NM falsch lief und läuft, bis heute. Bierhoff und Löw hatten das Ruder übernommen und sich in eine Lage manövriert in der sie entscheiden konnten, was passiert. Sie hatten die letzten 10 Jahre der NM, was eine Ewigkeit in diesem Job und eine gleichzeitige enorme Entwicklung im Weltfussball insgesamt bedeutet, geprägt. Wer sollte darauf folgen? Wer sollte sie entlassen? Denn es war klar, dass man wenn dann beide und ihr ganzes Gefolge hätte entlassen müssen, denn alle hingen zusammen.
Man tat es nicht. Bierhoff und Löw bekamen aber nicht mehr die Kurve, hatten ihr Pulver längst verschossen. Nicht nur, dass die Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht mitgegangen werden konnten. Löw schaffte es auch nicht mehr die Grundlagen beim Turnier sicher zu stellen und wiederholte Fehler aus den Jahren vor 2014. Er wirkte in seinen Entscheidungen zunehmend plan- und hilfloser. Was geblieben war, war fehlende Selbstkritik, bzw. die richtigen Schlüsse daraus. Auch nach dem Turnier blieb die Planlosigkeit.
So kam es wie es kommen musste und man spielte auch bei der EM dieses Jahr wieder ausrechenbar und ideenlos. Pläne gingen nicht auf und/oder wurden nicht angepasst. Das letzte Spiel war dann bezeichnend für die letzten Jahre. Der krampfhafte Versuch irgendwie zu bestehen, aber nicht mehr der Ansatz,die eigenen Stärken der Spieler und des Teams in den Vordergrund zu stellen. Man war wieder nur mittelmäßig und so ging es dann zuende.
Mein Fazit zu Löw:
Er hat viel erreicht, vor allem die spielerische Entwicklung in den ersten Jahren ist ihm anzurechnen. Die Mannschaft war in den Turnieren voll da, aber es gab auch immer wieder Spiele, die nur knapp gut gingen. Vor allem aber die Entscheidungen in den Spielen gegen die größten Gegner waren mir oft ein Dorn im Auge. Dennoch gab es den Titel 2014 und dadurch hatte er sich mMn auch noch die EM 2016 verdient.
Am besten wäre es wohl gewesen, man hätte vorher schon gemeinsam entschieden, dass dies das letzte Turnier wird. Was danach kam ware letztendlich 5 mehr oder weniger verschwendete Jahre. Für ihn selbst, aber auch für die Spieler. Zudem konnte er keinen Umbruch einleiten. Die Perspektive muss nun sein Nachfolger in gut einem Jahr schaffen.