Journalismus: Am Beispiel Ploog


al

Nachwuchsspieler
Beiträge
605
Punkte
43
Ort
Österreich
Vorausschickend: Ich teile jede Kritik an Ploog (jenen Vergleich mit dem Propagandaminister des 12 Jahre dauernden 1000jährigen Reiches ausgenommen), er ist inkompetent, lobhudlerisch, wirklich unerträglich. Dennoch beleuchtet der Fall Ploog eine Schwierigkeit des Journalismus' im allgemeinen, der so nicht nur im Sport, sondern auch in Kultur und Politik auftritt.

Gemeint ist die fast zwangsläufig sich ergebende enge Verbindung zwischen Berichterstatter und den Protagonisten, über die geschrieben wird. Ploog erzählte etwa davon, dass er Sturm im Trainingslager besuchte, Interviews führte etc. Daraus ergibt sich eine persönliche Beziehung, die es fast unmöglich macht, objektiv - vor allem - kritisch zu berichten. (Ich kenne Ähnliches aus dem Bereich der Kultur: Man kann sich nicht mit einem Schriftsteller nachmittags zum Kaffee setzen und am Abend eine Kritik verfassen, die dessen letztes Elaborat der Papiermülltonne überantwortet.) Die Konsequenz aus dieser Schwierigkeit bestünde darin, bei allen Kontakten auf größtmögliche Distanz zu achten.

Das aber gleicht der Quadratur des Kreises: Der Journalist ist auf den Sportler, Politiker, Künstler angewiesen, auf mögliche "Exklusivinterviews" etc. Darauf zu verzichten können sich eventuell ganz große Blätter leisten: Der "Spiegel" wurde etwa von Helmut Kohl jahrelang ignoriert, hat kein einziges Interview erhalten (weil sich der Altkanzler "schlecht" behandelt fühlte). Durch die vertragliche Bindung von Boxpromotern und Fernsehsendern wird dieses Problem zusätzlich verstärkt: Sodass schon der Auftraggeber (in unserem Fall der ZDF) Interesse daran haben wird, das Gezeigte als großen Erfolg zu verkaufen. (Das scheint auch der Grund für die mittlerweile indiskutablen Kommentare des Herrn Preuss zu sein: Sam gegen Vidoz auf die Weise zu kommentieren, wie er das getan hat, ist nur als eine Art Auftragsjournalismus erklärbar; der Mann versteht zu viel vom Boxen, als dass ich ihm abnehmen würde, dass er sein Gestammel tatsächlich ernst gemeint haben könnte. Und das ist - wobei der gute Mann einfach eine "Type" ist, der sich vielleicht auch durchzusetzen versteht - der große Vorteil Werner Castors: Er braucht auf irgendwelche Befindlichkeiten seines Auftraggebers Eurosport so gut wie nie Rücksicht zu nehmen.)

Hier im Forum passierte beim Bericht von C. Hoffmann über Halmichs letzten Kampf etwas ganz Ähnliches: Waren sonst seine Berichte ausgewogen, kritisch (zumindest um Objektivität bemüht, die zu erreichen ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit ist - und, so nebenher, ist das gar nicht erstrebenswert: Man wäre dadurch wohl mit ziemlich langweiligen Ergüssen konfrontiert); schrieb er also ansonsten sehr gute, interessante Beiträge, geriet ihm der Abschiedskampf zu einer subjektiven Lobhudelei, die in mir beim Lesen den Gedanken aufkeimen ließ: Die kennen sich persönlich und haben so manch netten Kaffeeplausch miteinander. In der weiteren Diskussion hat sich dann genau das als richtig herausgestellt.

Beim Boxen kommt den VIP-Parties nach dem Kampf (wie etwa Vernissagen bei Künstlern) besondere Bedeutung zu: Man lernt einander kennen, scherzt, pflegt Kontakt, trinkt an der Bar. Und so kennt man sich untereinander, tauscht Nettigkeiten aus und Gefälligkeiten (was sich durchaus auch auf dort erscheinende Punkterichter erstrecken dürfte: Ich glaube, dass so manch sonderbares Urteil weniger durch bewusste Manipulation als eben durch diese Kontaktpflege zustande kommt) und hält zusammen: Kohl (diesmal der Klaus Peter und nicht der Helmut) plaudert ein wenig aus der Schule, verrät die einen oder anderen Interna hinter vorgehaltener Hand und der Journalist bedankt sich auf seine Weise: Indem er auf kritische Untertöne bezüglich Gegnerwahl etc. verzichtet.

Eine wirkliche Lösung sehe ich nicht. Allerdings wäre beim Boxen die vorher erwähnte größere Distanz zwischen Reporter und Sportler durchaus möglich: "Hintergrundberichte" über ach so wunderbar neue Trainingsmethoden oder die neueste blonde Begleiterin des großen Champions gehören ohnehin in den Boulevard. (Dergleichen ist auch in der Literatur möglich: Das Buch als solches bedarf keiner Ergänzung. Ob der Schreiberling seiner sitzenden Tätigkeit wegen von Hämorrhoiden geplagt wird oder ihm schon als Kind die gesammelte Werke Goethes auf den Kopf fielen, wodurch er seine tief innere Beziehung zur Literatur schicksalhaft zu entdecken meinte, sind entbehrlicher Balast.)

Ich poste das in einen Extra-Thread, sollte dies nicht gewünscht sein, bitte in Richtung Ploog verschieben.

al
 

BSE

Banned
Beiträge
238
Punkte
0
Entschuldigung, wenn ich das sage: Die Überschrift "Journalismus: Am Beispiel Ploog" ist irreführend - nein sogar falsch.
Ploog ist in seiner Funktion als über das Boxen Berichtender kein Journalist sondern Einpeitscher, Propagandist, Verkäufer, Hofnarr oder eventuell Kommentator. Basis von Journalismus sind Objektivität und journalistische Freiheit - es gibt sogar einen Ehrenkodex für Journalisten. Herr Ploog arbeitet für das ZDF. Das ZDF ist (noch) Mitveranstalter der UBP-Show. Man kann es im Vorspann lesen, wenn man will: Die folgende Sendung wird ihnen präsentiert vom ZDF und UBP - oder so ähnlich. Es geht hier also nicht um Journalismus oder um eine Berichterstattung. Es geht hier um den Verkauf eines Produkts. Herr Ploog ist nichts anderes als ein Verkäufer – ein Marktschreier.
Vermutlich macht ihm mangelnder Sachverstand, der Wunsch nach Anerkennung und Konfliktvermeidung um der eigen Karriere willen es ihm doppelt schwer, über einen Boxkampf im ZDF, als Journalist zu berichten. Er ist wohl nicht Manns/Journalist genug der Wahrheit Gehör zu geben. Aber welcher Verkäufer zählt schon die Mängel seines Produkts auf.
Solange die TV-Sender und deren Journalisten nicht die Größe haben kritisch über ihr eigenes Tun zu berichten bzw. eine Distanz zu ihren Produkten zu wahren, werden die Ploogs der Welt weiter „ploogen“, bis wir ihnen den Ton abstellen - was ich schon ziemlich lange mache.
 

ruuud

Nachwuchsspieler
Beiträge
204
Punkte
0
Ort
Hamburg
Das Problem bei den Boxsportübertragungen ist auf jeden Fall die enge Verquickung von Sendern und Boxställen. So werden ZDF & Co statt Beobachter/Berichterstatter zum Mitveranstalter - und schon ist der Interessenkonflikt da zwischen sachlichem, einordnenden Kommentar (der nicht emotionlos sein muss!) und dem Verkauf eines Produkts. Das hat BSE mE völlig richtig dargestellt. Hier noch ein Link zum Thema:

Quotenschlacht - Die Boxer und das Fernsehen
(Gab es auch mal einen Fernsehbeitrag zu.)

Aber was al beschreibt, ist auf jeden Fall auch zutreffend. Ich habe mal einen Kommentar eines Chefredakteurs einer Finanzzeitschrift gelesen, der meinte, dass es verlockend sei, sich mit den Protagonisten in ein Boot zu setzen. D.h. Negativmeldungen auszublenden. Nimmt man das strukturelle Problem der Vertragsgestaltung zwischen Sendern und Boxställen sowie diese "menschliche Schwäche" zusammen, die al beschrieben hat, dann sind wir irgendwann bei Ploog. Der hat mE besonders bei Felix Sturm jegliche Distanz verloren.
 

Lord Krachah

Bankspieler
Beiträge
10.725
Punkte
113
Vermutlich macht ihm mangelnder Sachverstand, der Wunsch nach Anerkennung und Konfliktvermeidung um der eigen Karriere willen es ihm doppelt schwer, über einen Boxkampf im ZDF, als Journalist zu berichten. Er ist wohl nicht Manns/Journalist genug der Wahrheit Gehör zu geben.

Ne, es ist genauso wie hier von al und von TonyJaa in einem anderen Thread richtig beschrieben, Ploog ist einfach viel zu nah dran. Ich erinnere mich noch genau an die Anfangszeiten von Ploog beim Boxen. Da war er eine echte Verbesserung: recht objektiv, durchaus mal kritisch und boxfachlich in Ordnung. Nun ist er einfach viel zu nah an den Boxern dran. Er kennt sie und er mag sie, da würde es uns allen auch sehr schwer fallen, negativ über die Leute bei denen man gerade privat Kaffee getrunken hat zu berichten. Manche hier stellen sich das sehr naiv vor, so als würde er irgendwie bestochen werden, um nette Sachen zu sagen. Natürlich dürfte er vom ZDF die generelle Anweisung haben, halbwegs wohlwollend zu berichten, um nicht das eigene Produkt schlecht zu machen, aber für diese Berichterstattung wie wir sie jetzt erleben, braucht es keine Bestechung, sondern ausschließlich Sympathie zu den Boxern. Vergleicht doch einfach mal seine Kommentare bei den Hauptkämpfen mit den Kommentaren zu den Kämpfen auf der Undercard bei Boxern, die er wohl nicht so gut persönlich kennt.
 

worldman

Nachwuchsspieler
Beiträge
2.062
Punkte
0
Kumpelei nicht nur aufs Boxen beschränkt:

- Pressekonferenzen bei der Nationalmannschaft: 80% der Fragen klingen etwa so: "Schweini, gehst du alleine in den Zoo oder nimmst du deinen Kumpel Poldi mit?"

- "Vernetzung" am Beispiel Kerners:
Dass Kerner anlässlich der zarten öffentlichen Kritik an seiner Werbung sofort massiv die Unterstützung seines Auftraggebers einforderte, mag auch daran liegen, dass er Kritik einfach nicht gewohnt ist. Da ist in der Regel seine gute Netzwerkerei vor. Dem doch ansonsten allseits kritischen Nachrichtenmagazin "Spiegel" kann man kaum etwas über Kerner entnehmen - weder im Guten noch im Schlechten. Spiegel-TV ist Produzent, also Geschäftspartner der Kerner-Sendungen. Auch den Wechsel am Mittwoch meldete "Spiegel-Online" zwar, hielt sich aber kommentierend auffällig zurück. Auch bei Sat1 bleibt Spiegel-TV Kerners Partner.

Eine Zeit lang war es sogar so, dass die Sendung im ZDF gleichzeitig von "Focus" als Sponsor präsentiert wurde und der Redaktionsleiter verwandtschaftlich mit der "Bild"-Redaktion verdrahtet war. So kann sich - wer selbst ständig öffentlich diskutiert, dennoch weitgehend gegen eine öffentliche Diskussion immunisieren. Kerner hat solche Techniken virtuos beherrscht.

http://www.stern.de/unterhaltung/tv/:Kerner-Sat1-Ein-Befreiungsschlag-ZDF/661792.html

- ARD :love: Team Telekom/Jan Ullrich:
"Jan Ullrich ist so gut, der braucht kein Doping."
Hagen Boßdorf schreibt die Biographie für Ullrich, während er gleichzeitig noch die Tour kommentiert.
 
Oben