Hier ein interessantes Interview mit Gomez!!
Das große Interview mit Juan Carlos Gomez
Juan Carlos Gomez, seines Zeichens Ex-Weltmeister im Cruisergewicht und kubanischer Lebemann, hat sich nach einer Phase großer privater Turbulenzen 2005 im Universum-Boxstall zurück gemeldet und in diesem Jahr zwei Siege im Schwergewicht gefeiert. Am 15. Oktober wird der charismatische und spektakuläre 32-jährige Boxstilist in Düsseldorf auf Oliver McCall treffen, einen ehemaligen Weltmeister im Schwergewicht.
Interview von Fabian Weber
Fotos von Andre Boge
Boxing.de: Juan, Du hast acht Jahre durchgehend (1995 bis 2003) für Universum geboxt. Dann warst Du plötzlich verschwunden – in Richtung USA. Später kamst Du wieder zurück, um dann erneut zu verschwinden. Jetzt stehst Du vor mir. Müssen wir Sorge haben, dass Du Dich bald wieder in Luft auflöst oder können die deutschen Boxfans jetzt permanent mit Dir rechnen?
Juan Carlos Gomez: Die deutschen Boxfans können nun sehr lange mit mir rechnen. Denn ich bin fest entschlossen, für den Rest meiner Boxkarriere in Deutschland zu bleiben. Ich habe mir früher viel heraus genommen. Aber ich bin schließlich nicht der Größte und mehr darf ich mir wirklich nicht erlauben. Ich möchte dem gesamten Team von Universum Box-Promotion sehr danken, dass ich eine neue Chance bekommen habe. Ich war damals in die USA gegangen, zum Team Freedom. Aber ich bekam dort keine Kämpfe angeboten. Peter Kohl und Peter Hanraths wussten von meinen Problemen. Ich bin nun sehr dankbar, zurück in Deutschland zu sein.
Du bist gebürtiger Kubaner, der jedoch nach Deutschland flüchtete, von wo er in die USA flüchtete, um dann wieder nach Deutschland zurückzukehren. Kann man in einfachen Worten erklären, was Dein derzeitiger Status ist?
Das ist wirklich sehr kompliziert. Durch meine überstürzten Ein- und Ausreisen habe ich vor einigen Jahren mein Recht auf die Deutsche Staatsbürgerschaft verwirkt. Ein Termin war damals bereits von Universum arrangiert worden, und ich hätte damals nach acht Jahren Aufenthalt Deutscher Staatsbürger werden können. Aber ich habe den Termin sausen lassen und bin in die USA ausgerissen. Mein derzeitiger Status ist, dass ich kurz vor der amerikanischen Staatsbürgerschaft bin. Meine Greencard befindet sich in der Verhandlung. Für Deutschland habe ich ein Papier mit Aufenthaltsgenehmigung, allerdings nur befristet. Aus diesem Grund muss ich bald wieder in die USA reisen, um meine Angelegenheiten dort endgültig zu klären. Ich habe eine Wohnung in Santa Monica bei Los Angeles.
Im Cruisergewicht galtest Du als unbesiegbar. Du warst drei Jahre lang WBC-Weltmeister. Wie schwierig ist es, jetzt mit Boxern im Ring zu stehen, die 20 kg schwerer sind als Deine früheren Gegner?
Ich hatte im Schwergewicht ja noch gar nicht so viele Kämpfe. Meine Erfahrung im Schwergewicht ist nicht so groß wie meine Erfahrung im Cruisergewicht. Und ich hatte bislang auch noch keinen wirklich starken Gegner. Den habe ich jetzt zum ersten Mal vor mir am 15. Oktober in Düsseldorf – Oliver McCall. Das wird eine ganz große Nummer. Es werden sich zwei Ex-Weltmeister der WBC gegenüberstehen: Der Ex-Champion im Cruisergewicht gegen den Ex-Champion im Schwergewicht. Im Ring kann es nur einen Sieger geben. Im Ring gibt es nur: Mich, mich und noch mal mich. Oliver McCall ist meine Gelegenheit, weiter nach oben zu kommen. Ich will eine Riesenshow zeigen und mein Bestes geben. Ich hoffe, dass im Ring alles so klappt wie ich es mir vorgenommen habe. Ich will es mir selbst und den Zuschauern beweisen.
Wie ist der Kontakt und die Zusammenarbeit mit Deinem Trainer Michael Timm?
Die Boxfans wissen, dass ich Training oft nicht ernst genommen habe. Diesmal hatte ich eine lange und harte Vorbereitung. Dank meinem Trainer Michael Timm bin ich diesmal in Topform. Er hat mir auch mental sehr geholfen. Wir können sehr gut miteinander reden und er versteht meine Probleme. Er hat mir klar gemacht, dass ich meine Probleme, auch die mentalen, nur lösen kann, wenn ich regelmäßig zum Training komme. Wenn ich weg bleibe, löst sich nichts von allein. Es ist wirklich schön, dass mich das Universum-Team mit offenen Armen empfangen hat als ich wiederkam. Sie haben gesagt, dass sie sich freuen, dass ich wieder da bin, denn ohne mich gab es nicht mehr so viel Spaß. Mein Erfolg lag immer in meinen Händen. Vielleicht hätte ich längst Weltmeister sein können. Doch nun bin ich zurück. Am 15. Oktober ist Showtime und ich werde mein Bestes geben. Es stehen zwei Ex-Weltmeister im Ring und da kann alles passieren.
Nach 37 Siegen in Folge hast Du vor einem Jahr überraschend gegen den Kubaner Yanqui Diaz Deine erste Niederlage erlitten. Wie konnte das passieren?
Durch das Hin- und Her mit meinem Management und meinem Standort war meine Konzentration dahin. Ich war unzuverlässig und habe praktisch überhaupt nicht trainiert. Und nun ist es ja so, dass jeder Boxer zwei Hände hat, mit denen er zuschlagen kann. Ich habe am Anfang des Kampfes nicht aufgepasst und wurde von einer vollen Rechten getroffen. Vermutlich habe ich gegen den schlechtesten Gegner meiner ganzen Karriere verloren. Heute kann ich wieder darüber lachen. Diaz hat natürlich meinen makellosen Kampfrekord kaputt gemacht. Ich habe so viele Kämpfe gewonnen und nun halt einen verloren. Es ist nicht mehr zu ändern.
Oliver McCall hat vor zehn Jahren den damaligen Weltmeister Lennox Lewis ausgeknockt. Wie stark, denkst Du, ist er heute noch?
Er ist heute älter, reifer und hat mehr Erfahrung. Er kommt ganz sicher nicht nach Deutschland, um zu spielen. Er will zurück an die Spitze. Und genau das will ich auch. Ich will diese Chance nutzen. Wenn ich noch mal Weltmeister werden möchte, dann muss ich diese Hürde nehmen. Ich möchte in die Geschichte der Weltmeister eingehen. Ich weiß, ich bin gut genug, und ich bin auf dem Weg. Jetzt muss ich es beweisen.
Was ist Deine Meinung zu den vier Weltmeistern im Schwergewicht: Vitali Klitschko [WBC], Lamon Brewster [WBO], John Ruiz [WBA], Chris Byrd [IBF]?
Ich respektiere Vitali Klitschko als den wahren Weltmeister. Er hat damals gegen Lennox Lewis eine große Leistung gebracht. Lamon Brewster hat sich gesteigert. Er hat inzwischen mehrfach bewiesen, dass auch er ein Champion ist. Seine Leistung gegen Luan Krasniqi war großartig. Die beiden anderen – Ruiz und Byrd – sind für mich keine Weltmeister sondern Witzfiguren. Nehmen wir John Ruiz. Er wurde als Weltmeister von Halbschwergewichtler Roy Jones besiegt. Nachdem Jones den Titel niederlegte, hat der Verband Ruiz den Titel wieder geschenkt. Dann hat er ihn gegen James Toney, einen anderen Halbschwergewichtler, verloren. Aber man fand heraus, dass Toney im Kampf gedopt war, und schon wieder wurde der Titel Ruiz zurückgegeben. John Ruiz ist ein echtes Glückskind.
Hast Du eine Botschaft an die amtierenden Weltmeister?
Gern. Ich rufe generell alle Weltmeister auf, gegen mich eine freiwillige Titelverteidigung zu machen. Ich bin bereit, ich bin hungrig, und ich brauche das Geld. Jetzt ist meine Chance, zu beweisen, was ich kann. Ich möchte endlich an das ganz große Geld kommen und nicht mehr für ein paar Euro kämpfen. Welcher Profiboxer kämpft denn bitte für Ehre und für den Sieg? Es geht allen ums Geld und so ist es auch bei mir.
Dein Stallgefährte Luan Krasniqi wurde von WBO-Champion Lamon Brewster besiegt. Wie hast Du den Kampf erlebt?
Ich war in der Color Line Arena und habe mit meinem Stallgefährten mitgefiebert. Für Luan ist das natürlich sehr sehr schade. Aber wenn zwei starke Männer im Ring stehen kann immer Alles passieren und so hat er nun seine Chance verloren. Trotzdem war es zunächst eine sehr reife Leistung von Luan. Er hatte sich gut vorbereitet und anfangs auch sehr klug geboxt. Nur einen Fehler hat er gemacht: Er wurde zu mutig und wollte eine Show für das Publikum liefern. Er hat vergessen, dass ein einziger Schlag zwischen Sieg und Niederlage entscheiden kann. Er war nach Punkten in Führung und hätte einfach nur den Jab benutzen und den Sieg nach Hause bringen können. Luan hätte es verdient gehabt, Weltmeister zu werden. Es gibt auf der einen Seite viele schlechte Boxer, die Weltmeister werden. Auf der anderen Seite gibt es viele sehr gute Boxer, die es nie werden.
Nach Luan Krasniqi wird nun der Russe Nikolai Valuev voraussichtlich einen WM-Kampf in Deutschland bekommen. Deine Meinung zu dem 2,13m-Mann?
Valuev ist kein Boxer sondern ein Mutant. Ich reihe mich freiwillig in eine Liste ein, um gegen dieses Monster boxen zu dürfen. Vitali Klitschko und Lamon Brewster würden Valuev in der ersten Runde flachlegen. Und ich würde das auch wirklich gern tun.
Dein Wunschgegner unter den Weltmeistern ist sicherlich Vitali Klitschko?
Wäre das nicht toll: Ein Kampf zwischen Vitali Klitschko und Juan Carlos Gomez? Und ich gewinne? Es wäre meine größte Herausforderung. Wobei ich den härtesten Kampf meines Lebens bereits gewonnen habe: Ich habe es geschafft, von Kuba zu fliehen. Dreimal wollte ich mit einem Boot in die USA flüchten und jedes Mal waren wir gescheitert. Dann kam ich schließlich nach Deutschland. Vitali wäre mein Favorit. Er ist der wahre Champ und es wäre die Erfüllung meines Traumes, wenn ich ihn besiegen könnte. Ich bin auf dem Weg dorthin und auch zu Eliminationskämpfen bereit. Wir können auch gern einen dreifachen Eliminator machen, zum Beispiel zwischen Sinan Samil Sam, Oleg Maskaev und mir. Warum soll ich an diesem Eliminator nicht teilhaben können? Ein Kampf zwischen Vitali Klitschko und mir wäre Das Fernsehereignis in Deutschland. Ich boxe vorher auch gern erst gegen Wladimir Klitschko und schlage ihn K.o. Dann kommt doch immer sein großer Bruder, um ihn zu rächen.
Du hast vor kurzem Deine Heimat Kuba besucht. Wie hast Du das erlebt?
Es war ein unvergessliches Erlebnis. Ich war im Januar zum ersten Mal seit zehn Jahren auf Kuba. Meine ganze Familie hat mich empfangen. Wir sind in unser Heimatdorf Mariel gefahren und haben eine riesige Party gegeben. Das ganze Dorf war eingeladen, es waren sicherlich 5.000 Menschen auf dem Fest. Wir hatten unter anderem 300 Kästen mit Bier gekauft und Berge von Essen. Rindfleisch bekommt man leider kaum auf Kuba. Dafür hatten wir jede Art von Geflügelfleisch. Ich war mit 50.000 Euro nach Kuba gereist und nach acht Tagen war mein gesamtes Geld alle. Aber das war in Ordnung, denn ich war so glücklich. Im Mai wollte ich wieder nach Kuba reisen, doch sie haben mich am Flughafen abgeblockt und nicht hinein gelassen.
In welchem Land fühlt sich der verlorene Weltensohn Juan Carlos Gomez am wohlsten?
Nach meiner ersten Freude über meine Rückkehr nach Kuba geschah nach einigen Tagen etwas eigenartiges. Ich vermisste Deutschland so sehr. Ich vermisste alles, was ich mit Deutschland und Hamburg verband, vor allem meine Ruhe. Auf Kuba wurde ich von allen Menschen, meinen Eltern, Verwandten und Freunden mit unzähligen Fragen bedrängt und überschüttet. Es waren zehn Jahre Fragen. Ich konnte sie gar nicht alle beantworten, denn es waren so viele Dinge in meinem Leben passiert: Fragen nach meiner Boxkarriere, meinen Reisen, meinen Kindern und so weiter. Es war ausgeschlossen, das alles nachzuholen und allen Menschen immer wieder die gleichen Geschichten zu erzählen. Am zehnten Tag bin ich zurück nach Deutschland gereist. Es war schön, Kuba wiederzusehen. Sogar riesig schön. Aber ich war auch sehr froh, wieder zurück in Hamburg zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder auf Kuba zu leben.