Ich glaube, man kann das momentane Desinteresse der Amerikaner an den Klitschkos nicht alleine an ihrem Kampfstil festmachen. Es wurde ja schon angesprochen, dass da viele Ursachen eine Rolle spielen:
- Die USA sind ein Riesenland, die Menschen gucken generell weniger über den Tellerrand und nehmen Europa und den Rest der Welt viel weniger wahr. Das gilt auch für den Sport.
- Der US-Boxsport blickt auf eine Erfolgstradition zurück, von der alle anderen Länder nur träumen können. Wer große Ringschlachten von Robinson, Frazier, Ali, Tyson und Co. erlebt hat, der ist nun mal extrem anspruchsvoll und verliert dementsprechend bei Darbietungen á la Wladi- Ibragimov schnell die Lust an den beteiligten Protagonisten und will sie auch nicht mehr sehen.
- In den USA ist Sport generell stark "vershowt". Speziell von Boxern wird erwartet, dass sie schon im Vorfeld möglichst martialische Sprüche klopfen. Leise, höfliche Boxer gelten drüben schnell als Spaßbremsen.
- Die amerikanische Kultur spielt eine Rolle und spiegelt sich auch im Boxsport wieder: Wer es in den USA zu etwas bringen will, der muss sich den Arsch aufreißen. So sind auch die Erwartungen an die kämpferische Einstellung und den damit verbundenen Wusch nach sozialem Aufstieg extrem hoch. Die Amerikaner haben größten Respekt vor "Kriegern", die bereit sind, für ihren Erfolg alles zu tun. Harte Jungs aus den Ghettos, die im Ring durch die Hölle gehen, um einen Gegner in den Ringstaub zu schicken, entspechen dem "amerikanischen Traum" - ukrainische Zermürber mit Doktortiteln nicht.
- Der amerikanische Boxsport steckt generell in einer Krise, und aus dem Amateurbereich kommt seit Jahren immer weniger nach. Der Verband USA Boxing schafft es nicht, junge Menschen für den Boxsport zu begeistern und zu verhindern, dass sie in andere Sportarten abwandern, die finanziell lukrativer erscheinen. Während im Football und Basketball ständig starke Talente nachrücken, trocknet das Boxen in den Staaten immer mehr aus.
- Boxen ist in den USA ein reines PPV-Event und fristet dort als solches im TV auch zunehmend ein Nischendasein. Die Zuschauer überlegen es sich - gerade in Zeiten der Rezession - lieber zwei Mal, ob sie für den Kampf eines Russen gegen einen Usbeken ein paar Greenbacks extra auf den Tisch legen.
Die meisten dieser Probleme haben die Klitschkos weder verursacht, noch werden sie sie lösen können. Was der US-Boxsport dringend braucht, ist eine Blutauffrischung, vor allem im HW. Die Leute sind doch nicht blöd. Die wissen auch, dass sie mit Chambers, Arreola und Konsorten nicht mehr ganz oben mitmischen können. Es müsste schon ein neuer "Tyson" kommen, der dann gegen die Klitschkos antritt, um das zu ändern!