Muhammad Ali's Abschied


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Ich finde es etwas kritisch, Ali in eine Reihe mit Lincoln zu stellen, gerade von der historischen Komponente. Der Vergleich mit Parks, trifft es schon eher. Ali war ein Produkt seiner Zeit, einer Zeit, welche für die Schwarzen in Amerika ein neues Selbstverständnis und eine absolute Emanziptation von weißen Obrigkeit bedeutete.

Dieses Emanszipation kam im wesentlichen von der breiten Masse, welche nicht mehr bereit war gesellschaftliche Repressionen zu tragen. Vertreten wurde diese Gruppe aber von einigen schwarzen Akademikern, deren bedeutsamste sicherlich Martin Luther King und Malcolm X waren. Sie waren die inhaltliche Komponente einer gesellschaftlichen Reform, die halt nahezu jeden amerikanischen Schwarzen etwas angehen musste - so auch Muhammad Ali!

Ali hatte das Schicksal zu eben dieser Zeit Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Ein Weltstar, ein (zunächst einmal sportlich) faszinierende Persönlichkeit. Dieser Weltstar war nun einmal schwarz und an dem Punkt, wo er die gesellschaftlichen Umwälzungen nicht ignorieren konnte, die in den späten 60er Jahren stattfanden. Alis größte politische Leistung fand genau hier statt, die Verweigerung des Kriegsdienste war später nur eine weitere Komponente - Ali entschied sich FÜR die Bürgerrechtsbewegung, für eine Person des öffentlichen Lebens, welches die weiße Presse spiegelte, ein mutiger Schritt. George Foreman schwenkte bei den olympischen Spielen später brav die amerikanische Flagge, Joe Frazier konnte und wollte sich nicht positionieren, aber Ali - der amtierende Weltmeister der späten 60er Jahre sagte: "Ja, ich bin ein Schwarzer und ja, ich bin ein Anhänger der Bürgerrechtsbewegung"

Er wurde unweigerlich so zur Gallionsfigur, denn er wurde - anders als King und Malcolm X - auch außerhalb der schwarzen Fangemeinde, gar außerhalb Amerikas bewundert. Er trug die Problematik der Rassentrennung und Repression in die weite Welt und in die relativ unproblematischen Bezirke Nordaamerikas hinaus: Das half der Bewegung ungemein!

ABER: Anders als ein Lincoln, der Jahre zuvor, die Abschaffung der Sklaverei als notwendig erkannte und der sich gegen zahllose Widerstände durchsetzte und anders als MLK und MX, welche beide für ihren Kampf mit dem Leben bezahlten, war Ali einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort, wo er eine durchaus mutige Entscheidung traf. Ganz ähnlich kann man von Rosa Parks sprechen. Die historische Dimension verändert sich nicht, aber die Intention ist eine andere. Auf der einen Seite springt jemand auf die Bewegung auf und wird durch eine Absurdität der Geschichte zu einer deren bedeutensten Figuren (Ali, Parks) - auf der anderen Seite kämpft jemand aus eigenem ideologischen Antrieb und von Anfang an, gegen einen gesellschaftlichen Missstand (Lincoln, King, Malcolm X). Dies sind - historisch betrachte - die größten Männer.

Hier in diesem Thread wurde Ali schon mit MLK und Mandela verglichen. Genau hier ist er aber nicht. Er ist ein großer Mann, ein großer Mann des Sports und damit des Entertainments. Da ist er der Größte! Mit Sicherheit! Aber politisch-historisch ist Ali zwar eine mutige Figur mit einer großen Bedeutung, aber weniger eine "große Person" gemessen am Kaliber eines MLK! Ich weiß, dass man die "historische Größe" zweier Menschen nicht vergleichen kann, ohne abwertend, abstrakt und unfair zu werden - aber Ali kann nicht als Figur der schwarzen Bewegung der späten 60er bezeichnet werden, ohne zu vergessen, dass er ein Sportler war. Ein Unterhaltungskünstler. Denn wenn man obiges behauptet, so wird einem Martin Luther King, der historisch sicherlich eine der bedeutensten Figuren der 20. Jahrhunderts ist Unrecht getan.

Ali war (und ist - zum Glück) ein großartiger Sportler, ein beeindruckender Mensch, eine faszinierende Persönlichkeit - aber er war nicht die Essenz der Bürgerrechtsbewegung. Hier verdrehen wir die Grenzen zwischen Entertaiment und der bitteren Realität der damaligen Zeit, der sich andere einfach direkter aussetzen mussten.
 

Sweet Scientist

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Ich finde es etwas kritisch, Ali in eine Reihe mit Lincoln zu stellen, gerade von der historischen Komponente. Der Vergleich mit Parks, trifft es schon eher. Ali war ein Produkt seiner Zeit, einer Zeit, welche für die Schwarzen in Amerika ein neues Selbstverständnis und eine absolute Emanziptation von weißen Obrigkeit bedeutete.

Dieses Emanszipation kam im wesentlichen von der breiten Masse, welche nicht mehr bereit war gesellschaftliche Repressionen zu tragen. Vertreten wurde diese Gruppe aber von einigen schwarzen Akademikern, deren bedeutsamste sicherlich Martin Luther King und Malcolm X waren. Sie waren die inhaltliche Komponente einer gesellschaftlichen Reform, die halt nahezu jeden amerikanischen Schwarzen etwas angehen musste - so auch Muhammad Ali!

Ali hatte das Schicksal zu eben dieser Zeit Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Ein Weltstar, ein (zunächst einmal sportlich) faszinierende Persönlichkeit. Dieser Weltstar war nun einmal schwarz und an dem Punkt, wo er die gesellschaftlichen Umwälzungen nicht ignorieren konnte, die in den späten 60er Jahren stattfanden. Alis größte politische Leistung fand genau hier statt, die Verweigerung des Kriegsdienste war später nur eine weitere Komponente - Ali entschied sich FÜR die Bürgerrechtsbewegung, für eine Person des öffentlichen Lebens, welches die weiße Presse spiegelte, ein mutiger Schritt. George Foreman schwenkte bei den olympischen Spielen später brav die amerikanische Flagge, Joe Frazier konnte und wollte sich nicht positionieren, aber Ali - der amtierende Weltmeister der späten 60er Jahre sagte: "Ja, ich bin ein Schwarzer und ja, ich bin ein Anhänger der Bürgerrechtsbewegung"

Er wurde unweigerlich so zur Gallionsfigur, denn er wurde - anders als King und Malcolm X - auch außerhalb der schwarzen Fangemeinde, gar außerhalb Amerikas bewundert. Er trug die Problematik der Rassentrennung und Repression in die weite Welt und in die relativ unproblematischen Bezirke Nordaamerikas hinaus: Das half der Bewegung ungemein!

ABER: Anders als ein Lincoln, der Jahre zuvor, die Abschaffung der Sklaverei als notwendig erkannte und der sich gegen zahllose Widerstände durchsetzte und anders als MLK und MX, welche beide für ihren Kampf mit dem Leben bezahlten, war Ali einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort, wo er eine durchaus mutige Entscheidung traf. Ganz ähnlich kann man von Rosa Parks sprechen. Die historische Dimension verändert sich nicht, aber die Intention ist eine andere. Auf der einen Seite springt jemand auf die Bewegung auf und wird durch eine Absurdität der Geschichte zu einer deren bedeutensten Figuren (Ali, Parks) - auf der anderen Seite kämpft jemand aus eigenem ideologischen Antrieb und von Anfang an, gegen einen gesellschaftlichen Missstand (Lincoln, King, Malcolm X). Dies sind - historisch betrachte - die größten Männer.

Hier in diesem Thread wurde Ali schon mit MLK und Mandela verglichen. Genau hier ist er aber nicht. Er ist ein großer Mann, ein großer Mann des Sports und damit des Entertainments. Da ist er der Größte! Mit Sicherheit! Aber politisch-historisch ist Ali zwar eine mutige Figur mit einer großen Bedeutung, aber weniger eine "große Person" gemessen am Kaliber eines MLK! Ich weiß, dass man die "historische Größe" zweier Menschen nicht vergleichen kann, ohne abwertend, abstrakt und unfair zu werden - aber Ali kann nicht als Figur der schwarzen Bewegung der späten 60er bezeichnet werden, ohne zu vergessen, dass er ein Sportler war. Ein Unterhaltungskünstler. Denn wenn man obiges behauptet, so wird einem Martin Luther King, der historisch sicherlich eine der bedeutensten Figuren der 20. Jahrhunderts ist Unrecht getan.

Ali war (und ist - zum Glück) ein großartiger Sportler, ein beeindruckender Mensch, eine faszinierende Persönlichkeit - aber er war nicht die Essenz der Bürgerrechtsbewegung. Hier verdrehen wir die Grenzen zwischen Entertaiment und der bitteren Realität der damaligen Zeit, der sich andere einfach direkter aussetzen mussten.

Sehr differenzierte Analyse und post mit Hintergrundwissen! :thumb:

Meine Absicht war die geschichtliche Dimension und timeline darzustellen. Es ging nicht um eine Gewichtung von Lincoln, Parks und Ali. Was aber in deinem post nicht richtig erkannt wurde, ist Lincolns Rolle in der Erkämpfung der Rechte von Schwarzen. Lincoln war nicht der Erretter der Schwarzen. Im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 ging es nicht um die Abschaffung der Sklaverei um der Schwarzen willen. Die Nordstaaten der USA hatten sich wirtschaftlich so entwickelt, dass eine große Lücke zu den landwirtschaftlich ausgerichteten Südstaaten eklatant entwickelt hatte. Die Plantagenbesitzer brauchten die Arbeitsklaven und stellten sich traditionell gegen Industrialisierung. Deshalb entwickelte sich die Tendenz zur Segregation und letztlich Abtrennung von den USA.

Lincoln ging es primär darum das Land zusammenzuhalten und andererseits darum die schwarzen Arbeitskräfte des Südens auch für den Norden nutzbar zu machen. Diese beiden Ziele waren seine primäre driving force, um den Kampf gegen Lees Truppen aufzunehmen. Man sollte ihn hier deshalb nicht zum großen Schwarzenrechtler und Hero des schwarzen Mannes stilisieren. Seine Bedeutung, geschichtlich gesehen, ist also nicht ein viel wichtiger Vorläufer als Parks oder King, Malcolm X zu sein, sondern. wichtig ist hier zu sehen das die Motive seiner "Taten" ökonomisch und landespolitisch initiiert sind.

Insofern sind Ali und Lincoln nicht miteinander zu vergleichen. Alle anderen Aspekte deines posts...d'accord.

p.s. Lincoln bezahlte seine unfreiwillige Hilfe für die Schwarzen auch mit dem Leben. Booth erschoss ihn im Theater in Washington gleich nach dem Ende des Civil Wars...
 
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Devil

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Der Unterschied zu Lincoln ist aber , dass Ali ja überhaupt kein Politiker war , sondern eigentlich nur ein Boxer. Ali war der einzige schwarze Boxer/Sportler seiner Zeit, der ganz radikal klar gemacht hat, dass schwarze Menschen keine Menschen zweiter Klasse. Für das Selbstbewusstsein und Wahrnehmung farbiger Menschen war das unglaublich wichtig. Wenn sich ein Weißer so benommen hätte , wäre er schon stark kritisiert worden, aber bei einem Schwarzen war das ein Riesenskadal. Das war schon eine Revolution. Dazu kommt noch seine Kriegsdienstverweigerung und seine gnaz klare Meinung zu Vietnam. Von Aussgagen wie "zur rechten Zeit am rechten Ort" halte ich nicht sehr viel .Was war denn mit seinen Zeitgenossen? Hätten die nicht auch zur rechten Zeit am rechten Ort sein können?
 

Flöpper

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Der Unterschied zu Lincoln ist aber , dass Ali ja überhaupt kein Politiker war , sondern eigentlich nur ein Boxer. Ali war der einzige schwarze Boxer/Sportler seiner Zeit, der ganz radikal klar gemacht hat, dass schwarze Menschen keine Menschen zweiter Klasse.

tommie-smith-john-carlos.jpg


Für das Selbstbewusstsein und Wahrnehmung farbiger Menschen war das unglaublich wichtig. Wenn sich ein Weißer so benommen hätte , wäre er schon stark kritisiert worden, aber bei einem Schwarzen war das ein Riesenskadal. Das war schon eine Revolution. Dazu kommt noch seine Kriegsdienstverweigerung und seine gnaz klare Meinung zu Vietnam. Von Aussgagen wie "zur rechten Zeit am rechten Ort" halte ich nicht sehr viel .Was war denn mit seinen Zeitgenossen? Hätten die nicht auch zur rechten Zeit am rechten Ort sein können?

Seine schwarzen Zeitgenossen waren keine Schwergewichtsweltmeister...
Wollte damit auch seine Leistung nicht schmälern, aber die Differenz zu Leuten wie MLK aufzeigen...

Was Lincoln angeht stimmt das natürlich, @ Sweet Science. Es war auch nicht meine Intention ihn als uneigennützigen Helden der Anti-Sklaverei Bewegung darzustellen. Dennoch wusste er wie gefährlich und riskant seine Entscheidung ist und hat sich gegen den Zeitgeist gestellt. Wobei man Vergleich da dennoch ziemlich hinkt, da hast du recht!
 

Tim B.

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Man sollte mal bei aller Glorifizierung nicht vergessen, daß Ali im Prinzip einfach ein Narzisst war. Er hat nichts für eine größere Sache gemacht, er hat alles nur für sich getan. Mir ist nicht bekannt, daß er sich gegen den Vietnamkrieg stark gemacht hätte, bevor er gedraftet wurde. Auch sind mir keine nennenswerten Bürgerrechtsaktionen seinerseits bekannt.
Er wurde mehr oder weniger instrumentalisiert. Daß er eine Identifikationsfigur für die Schwarzen wurde, ist dabei eher Zufall. Seine sozio-kulturelle Bedeutung würde in sich zusammenfallen, wenn er ein weißer Junge gewesen wäre.

Martin Luther King hat aktiv eine ungeheure Leistung vollbracht. Vom Montgomery Bus Boycott bis zum March on Washington.
Nelson Mandela hat für seine politische Überzeugung 27 Jahre im Gefängnis gesessen und den Kampf von dort aus weitergeführt.
 
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