Problematisch finde ich bei der Neubewertung (die ich grundsätzlich durchaus begrüsse), dass dann doch im nu Programme geschrieben werden, bei denen robots u.ä. Millionen von Klicks generieren. Sowas gab es ja schon häufiger, auch Plattenfirmen und/oder Agenturen haben youtube-Klicks durch Proggies oder "studentische Dauerklickhilfskräfte" in der Vergangenheit mehr als oft genug manipuliert.
Oder glaubt auch nur ein Mensch diese Märchen, dass Bands wie die Arctic Monkeys etc wirklich nur durch völlig unabhängige Mund-zu-Klick Propaganda gaaaanz ohne Labelunterstützung plötzlich in die Öffentlichkeit kamen und erst dann gesignt wurden?
Selbst auf wirklichen Indieportalen, wo nicht-kommerzielle Musik für lau bereitgestellt wird, von Bands ohne Label - also das, wo meine Band auch seit Jahren umhergeistert - werden Charts durch gefakte Klicks und Downloads massivst manipuliert. Obwohl es eigentlich um nichts, maximal ums Ego geht, werden Himmel und vor allem Hölle in Bewegung gesetzt, um zu manipulieren.
Warum soll das gerade bei youtube, wo jetzt dann akute Chartrelevanz (und damit echtes Geld) be- oder entsteht, anders sein?
Ausgerechnet bei youtube?
Wie soll denn der Algorithmus aussehen, der Manipulationen verhindert? Das ginge doch nur, wenn man sich bei jedem youtube-Besuch einloggen muss und für jeden Account Echtdaten hinterlegt werden müssen. Das aber widerspricht essentiell dem Grundgedanken von Youtube. Denn damit ginge ja auch zwangsläufig einher, dass entweder
a) ein Video von ein und demselben Benutzer nur nach einer bestimmten Zeit einzweites Mal angeschaut werden kann
oder aber
b) Seitens youtube eine Überwachungssoftware hermüsste, die pro account nur ein Ansehen pro x Stunden wertet
In jedem Fall fände eine dauernde Überwachung des Userverhaltens unter Klarnamen bzw Echtdaten statt. Und diese Daten gingen nicht nur direkt an Media Control etc, sondern auch natürlich an Google als Inhaber. Super für die, nicht ganz so super für uns User.
Die Daten werden natürlich auch schon jetzt gespeichert und unseren IPs zugeordnet, klar, evtl auch Nutzerprofilen (wenn man eins hat) - dann aber auch Nutzerprofilen mit echten Namen dahinter. Heyheyhey, kein Wunder, dass youtube, respektive Google da mitmacht. Das ist ja bares Addressgeld, was da generiert wird - und davon nicht wenig. Und selbst wenn "nur" eine Zwangsanmeldung mit E-Mail-Adresse vonnöten wäre, sind die Millionen von neuen E-Mail-Adressen für Google zig Millionen Euro wert.
Natürlich kann man auch die rein anonymen Klicks werten, das ist dann wie ein TED im Fernsehen, bloß ohne Anrufgebühren. Wohin das führt und was die Plattenfirmen, sprich die Contentindustrie davon hält, muss ich wohl keinem erklären.
So wird das Ganze evtl gestartet, so bleiben wird es definitiv nicht da gebe ich Brief und Siegel.
Was als Mehrbeteiligung der User daherkommt, wird als weitere Beschränkung der Anonymität und Freiheit im Netz enden, ganz sicher, zu 100 %. Es führt zu noch mehr Personalisierung der Userdaten, nicht etwa zu mehr Einfluss durch nichtkommerzielles "Liken" oder anklicken. Es führt dazu, dass unsere Daten noch mehr wert sind und nutzt am Ende vor allem Google, die diese Daten z.B. eben wieder an die böse Contentindustrie verhökern. Und da schließt sich dann der Kreis.
Das bedeutet ja nicht, dass eine Mehrbeteiligung von Online-Portalen schlecht ist. Das ist gut, keine Frage. NUr geht das eben zu Lasten der Anonymität, anders ist das von Google und Musikindustrie definitiv nicht gewünscht - und anders ist das mMn auch nicht wirklich möglich. Dumm ist dabei, dass man sich bei youtube zwangsläufig mit dem Datenteufel schlechthin, also eben Google, einlassen muss.
Ich arbeite in eben jenem Bereich (also Onlinemarketing) und allein die Vorstellung, welchen Kundendatenmehrwert eine Chartsbeteiligung von youtube letzten Endes bedeutet, hinterlässt bei mir schon einen herben Beigeschmack.