Ich kann die Schadenfreude über die Probleme von Kohls Box-Galaxis zwar nachvollziehen, teilen tue ich sie allerdings nicht!
Es steht natürlich außer Frage, dass bei Universum schon seit längerem Sand im Getriebe ist. Meiner Meinung nach sind viele Probleme hausgemacht, und wenn auch noch Pech dazu kommt, ist die Krise halt schnell da (vieles ist dazu schon geschrieben worden, aber ich dachte, ich fasse das ganze noch mal aus meiner Sicht zusammen – natürlich nicht als Promoter oder als Boxer, sondern nur als simpler einfältiger Boxfan
):
Ich glaube, der größte Fehler von Kohl ist mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Boxpublikum. Kohl hat zweifellos sehr viel erreicht, er hat Universum an die Spitze geführt, einen lukrativen Vertrag mit einem ÖR-Sender an Land gezogen und Weltmeister im Dutzend hervorgebracht. Das verdient in jeden Fall Respekt und Anerkennung. Aber ich glaube, genau diese lange Erfolgssträhne ist letztendlich auch das Problem. Bei Universum haben sie gedacht, das geht immer so weiter. Nur ist Boxen halt – auch wenn die Puristen jetzt in den nächsten Papierkorb kotzen - nicht nur Sport, es ist auch in besonderem Maße Show und Unterhaltung und unterliegt damit stärker noch als andere Sportarten einem sich ständig wandelnden Publikumsgeschmack!
Beispiele?
Regina Halmich und das Frauenboxen (natürlich). Die Halmich war für Kohl ein Glücksfall. Sie war blond, und ihr Stil sah wild aus, aber ihr USP lag nun mal einzig und allein darin, dass sie eine Frau war. Das hätte vermutlich niemand wirklich interessiert, wenn nicht irgendwann mal einer auf die geniale Idee gekommen wäre, sie auf die „Killerplautze“ loszulassen. Brilliante Unterhaltung (ich hab’s jedenfalls genossen!). Sportlicher Wert? Natürlich gleich null. Ein „Rückkampf“ vor großer Kulisse war noch drin, aber ansonsten konnte man den Charakter des Spektakels einigermaßen erfolgreich in Halmichs WM-Karriere rüberretten, und danach war es das. Kronprinzessin Menzer (die wirklich gut boxen kann!) hatte keine Chance, mit ihrer Vorgängerin mitzuhalten. Trotzdem hat Kohl weiter das Frauenboxen gepusht und versucht, es über die vermeintliche K.O-Königin Susi Kentikian sogar noch auf einen anderen Sender auszudehnen. Der Erfolg fiel eher mau aus. Eine Überraschung ist das nicht.
Zsolt Erdei, Felix Sturm und die Wahl vieler Gegner. Warum Kohl in einer Zeit, in der fast jede Woche auf irgendeinem Sender boxen gezeigt wird (und das Publikum zwangsläufig die Möglichkeit hat, den sportlichen Wert zu vergleichen), würdigen Weltmeistern wie Erdei oder Sturm in fast schon beängstigender Monotonie chancenlose Opfer als Gegner serviert, ist mir bis heute schleierhaft. Erdei vs. Blades: elf (oder waren es zehn?) Runden einseitigste Demontage, und am Ende ein Abbruch. Erdei vs. Abron: eine zwölf Runden dauernde Einbahnstraßen-Schlafpille, bei der selbst Ploog am Ende Mühe hatte, nicht einzupennen. Sturm vs. Alcoba: ein zwölfründiger Boxwitz gegen einen Gegner, der zwar hochmotiviert war, dessen Fähigkeiten aber nicht mal ausreichten, um Sturm mehr als eine Runde zu klauen, obwohl der außer lustlosem Pitsch-Patsch aus der Doppeldeckung heraus kaum etwas gemacht hat. Und so weiter und so fort. Alle diese Kämpfe hatten einzeln und in ihrer Summe den Unterhaltungswert einer Butterblume auf einem Komposthaufen! Nicht mal einen Funken Restspannung konnte man erwarten, wie bei Arthur oder Wladi, wo man für das öde Ringgeschehen am Ende wenigstens oft mit einem mehr oder weniger spektakulären K.O. belohnt wird! Meine persönliche Empfindung war eine Mischung aus Langeweile und Mitleid. Langeweile über das im Ring Gebotene. Und Mitleid mit den Gegnern, die zwar alles gaben, aber nicht viel konnten. Will ich so etwas sehen? Ganz klar: nein! Wie heißt es so schön: Nicht der Titel macht den Boxer, sondern der Boxer den Titel! Das ZDF hat das irgendwann erkannt und die Reißleine gezogen. Und jetzt steht mit Sturm sogar einer der wichtigsten Aushängeschilder von Universum auf dem Absprung – vermutlich aus denselben Gründen!
Über die Mängel in der Aufbereitung der Kämpfe will ich hier nicht schreiben. Dafür gibt es ja einen eigenen Thread zum ZDF.
Dazu kam dann halt aber auch noch Pech bzw. individuelles Versagen der Boxer: Zum Beispiel mit Ruslan Chagaev. Endlich hatte Universum seinen HW-Weltmeister (und meiner Meinung nach einen würdigen, auch wenn er gegen Wladi kein Land sah!). Die geplante Titelvereinigung gegen Ibragimov wäre sicher eine tolle Sache geworden, aber Ruslan wurde krank, und der Kampf platzte. Vor dem Rückkampf gegen Valuev dann der Riss der Achillessehne. Beides kann man Universum nicht anlasten, aber als Folge kam eben ein wichtiges Zugpferd des Stalls nie mehr so richtig in Tritt. Das wiegt umso schwerer, da zwei weitere zukunftsträchtige Aushängeschilder von Universum ebenfalls böse Rückschläge erfahren haben: Dimitrenko und Alexeev. Beide bekamen jahrelang nur zweitklassige Aufbaugegner, knickten in ihrem wichtigen Kämpfen ein und hängen nun ebenfalls in der Warteschleife. Und mit „Jahrhunderttalent“ (ich hasse diese Bezeichnung) Brähmer lief es auch nicht wie geplant. Erst verhindert Kohl, dass Jürgen im SMW gegen Calzaghe antritt (wäre bestimmt ein toller Kampf geworden, auch wenn Brähmer verloren hätte!), dann schickt man ihn hastig eine Gewichtsklasse höher, wo Jürgen den WM-Kampf gegen Garay verbockt. Gut, das ist kein Drama, aber auch hier ging es Kohl um Sicherheit statt um große Kämpfe. Und wenn man jetzt liest, dass Brähmer gegen Kuziemski um eine Interims-WM boxen soll, beschleicht einen wieder das gleiche Gefühl. Hauptsache, Brähmer kriegt einen Titel. Das Wie scheint völlig egal zu sein. Und sollte Jürgen wirklich in Erdeis Fußstapfen treten sollte, befürchte ich auch in Sachen Gegnerwahl für die Zukunft nichts Gutes. Und das wäre schade. Denn Brähmer hat das Zeug für große Kämpfe. Aber das haben Erdei und Sturm auch. Ergebnis ist bekannt.
Fazit: Alle Promoter (und nicht nur Kohl) müssen sich mal ernsthaft fragen, was die Boxfans von ihrem Sport eigentlich erwarten. Nicht mal der größte Lokalpatriotismus kann eine so große Verbundenheit mit dem Heimboxer generieren, dass man ihm auf Dauer dabei zujubeln will, wie er einen überforderten Taxifahrer aus Argentinien nach Strich und Faden vorführt. Und nicht mal die kürzesten Röcke einer Boxerin können sportlichen Glanz im Ring ersetzten, wenn keine geeigneten Gegnerinnen vorhanden sind. Wenn die Qualität der Kämpfe (bei allen Promotern) nicht steigt, wird der Boxsport irgendwann auch in der Gunst des breiten Publikums abstürzen. Das große Turnier im SMW ist ein Schritt in die richtige Richtung (schade, dass Kohl nicht mitmacht und Balzsay teilnehmen lässt.). Überhaupt sollte man so etwas auch in anderen Gewichtsklassen mal anregen. Wie wär’s z.B. mit einem ähnlichen Turnier im Cruiser z.B. mit Adamek, Huck, Jones plus ein paar gute Prospects wie z.B. Alexeev und Frenkel? Das wär’ doch auch mal was!
Obwohl auch ich jetzt ziemlich auf Universum eingedroschen habe – ich würde mir ebenso wie Schlonski wünschen, dass es weiter geht bei UBP, mit einem andere Sender, vielleicht auch mit anderen Boxern, aber vor allem mit besseren Kämpfen. Und das heißt nicht zwingend, dass da immer ein Weltmeister im Ring stehen muss. Eine spannende Deutsche Meisterschaft zwischen zwei gleichwertigen Gegnern würde ich jederzeit auch gerne sehen. Von daher drücke ich allen bei Universum auch die Daumen, dass sie das Ruder jetzt rum reißen und die derzeitige Krise als Chance betrachten, ihre bisherigen Politik zu überdenken und ihren Stall neu auszurichten!