Mir tun die Arme und Beine noch vom Schleppen meines Bruders Möbel am Wochenende weh, also zurück von dessen Umzug bin ich wieder zuhaus und schau mir entspannt die HBO-Übertragung vom letzten WE an.
Zuerst Berto und Trabant.
Von Körpergröße und Armlänge tun die beiden sich nicht viel. Doch Berto, das Muskelpaket, hat nach dem Wiegen mal von 146 auf 158lb druff gepackt, während Trabant mit 150lb deutlich weniger in den Ring bringt.
Im Gegensatz zu Michael Buffer haben die HBO-Kommentatoren den Namen des Gastes aus Deutschland wenigstens gelernt.
1. Runde Berto
Schnell wird klar, wer die schnelleren Hände hat. Nunja, Berto ist allgemein sehr schnell, nicht nur im Vergleich mit Trabant. Von jenem kommt in der ersten Runde nur der ein oder andere zaghafte Jab herüber geschoben. Berto trifft zwar nicht sonderlich klar, aber bringt das Gesicht seines Gegners zum Röten. Er ist der deutlich aktivere in jenem Durchgang.
Halbwegs interessant: Berto trägt Grant-Handschuhe, Trabant hat die von Everlast an, wie auch manch anderer Sauerland-Boxer (Povetkin, Abraham, früher Beyer)
In der Ringpause kann man schon erkennen, wie sich die alten Narben um Trabants linkes Auge schon röten.
2. Runde Berto
Berto macht deutlich mehr, während Trabant abwartend guckt und viel mit seiner Doppeldeckung pariert. Nach gut einer Minute geht aber mal ein linker Haken durch.
Doch auch Trabant hat mal nen guten Moment, als er ne gute halbe Minute später Berto an den Seilen hat und nen guten Körperhaken unterbringt.
Im weiteren Verlauf bringen beide Boxer ab und an ihre Schlaghand unter, doch eindrucksvolle Aktionen kommen nicht so recht zustande.
Eine knappere Runde als die erste, aufgrund der höheren Aktivität dürfte sie aber doch an Berto gegangen sein.
3. Runde Berto
Trabant startet nicht schlecht in die Runde. Ein ordentlicher Jab, ein guter Körperhaken. Das sieht für ihn für den Moment nicht schlecht aus.
Doch nach gut einer Minute bringt Berto ein paar Haken ins Ziel und erzielt erstmals Schlagwirkung. Noch einige Male bringt Berto den rechten Aufwärtshaken, der Trabants Kopp nach hinten schleudert. Doch der Berliner steckt die Schläge weg.
Sehr deutliche Runde für Berto, der auch variiert und seinen Gegner mal lockt, mal offensiv angreift.
4. Runde Berto
Berto überlässt Trabant wieder den Anfang der Runde, doch Trabant bringt nur wenige Aktionen zu sammen. Irgendwie wirkt er doch ein wenig ängstlich ... beinahe so als wolle er garnicht richtig angreifen, sondern nur gut über die Runden kommen.
Das klappt natürlich nicht unbedingt besser, wenn man es seinem Gegner gestattet sich zu entfalten und jener ein für das Weltergewicht durchschnittliches Tempo geht.
Es dauert nicht lange, da kommt wieder die Berto-Show. Trabant bringt zwar nun hin und wieder seine Rechte ins Ziel, aber das sieht nie eindrucksvoll aus, da Berto durch die Schläge locker durchmarschiert.
Berto bringt insgesamt deutlich mehr zusammen.
5. Runde Berto
Trabant kombiniert nun zwar etwas mehr, aber die Mehrzahl der Treffer bleibt auf Bertos Seite, trotz dessen, dass Trabant mit seiner Doppeldeckung sich vor schlimmerem bewahrt. Aber dies scheint ihn schon anzustrengen, kurz vor Ende der Runde schüttelt er seine Arme aus ... das ständige Hochhalten braucht auch seine Kraft. Trabant schaltet kurz auf Meidbewegung um ... so geht das Treffermeiden vielleicht auch nen Moment.
Sei's drum, Trabant bleibt zu passiv ... er wirkt im Vergleich zu Berto harmlos.
6. Runde Berto
Trabant wirkt weiter steif ... Berto "fließt". Trabant blutet über dem linken Auge und zeigt am Ende der Runde Wirkung. Wie schon in der dritten Runde fühlt sich vielleicht manch Punktrichter wieder genötigt, diese Runde 10:8 zu werten.
So wie Trabant boxt hat er keine Chance gegen Berto ... für einen Punktsieg kann es eigentlich nicht mehr reichen und ein vorzeitiger Sieg ist undenkbar. Da kommt es auch nicht verwunderlich, dass der Kampf seinen Abbruch findet.
Dass auf der Sauerland-Homepage die Sache eher pro-Trabant dargestellt wird (überraschend, unglücklich, zu Unrecht) ist nicht verwunderlich. Wenn der Abbruch des Ringrichters war, dann aufgrund einer zu klaren Unterlegenheit. Im Sinne der Gesundheit des Boxers ging der Abbruch vollkommen in Ordnung.
Und wenn Trabant selbst aufgegeben hätte, so kann ichs ihm auch nicht verübeln. Er hat hart eingesteckt und war chancenlos. Da ist es manchmal besser, wenn ein Boxer selbst einsieht, dass er um seiner Gesundheit willen die unrühmliche Aufgabe wählt
Verdienter Sieg für Berto, Glückwunsch. Er bleibt ein interessanter Mann, der unterhaltsam boxt. In der ebenso interessanten Welter-Gewichtsklasse wird er sicherlich ein Wörtchen mitreden.
Und bei der Siegerverkündung weiß Buffer dann auch, dass der Boxer der blauen Ecke "Mischell" und nicht "Maikell" heißt.
Trabant ... ob er sich ordentlich verkauft hat? Naja ... er konnte Berto nie fordern, er war für jenen kaum eine größere Bedrohung als ein Sandsack. Aber was solls, wie schon vorher gesagt, viel verlieren konnte Trabant eh nicht.
Nun gehts zurück nach Deutschland, zurück auf die Aufbauschiene, vielleicht wieder in Richtung eines EBU-Titels. Für die Weltspitze wird es wohl nie mehr reichen.
Und wenn nicht als Boxer weiter, dann vielleicht als Trainer wie unlängst Dzemski? Sonst bleibt ihm ja nicht viel ... auch nicht finanziell.
BTW: Wieviele Cuts gäbe es wohl wenn Gatti und Trabant aufeinandertreffen würden?
Nun Williams-Quintana.
Bei HBO überschlägt man sich im Vorfeld nahezu im Bejubeln von Williams.
Williams hat sich nach dem Wiegen auf abgefahrene 164lb raufgefuttert. Das ist nicht viel weniger als Taylor und Pavlik bei deren erstem Aufeinandertreffen.
1. Runde Quintana
Quintana bewegt sich gut und bringt immer wieder seine Linke ins Ziel. Williams Führhand hängt mächtig tief. Genausosehr wie die Rechtsauslage und die enorme Körpergröße für einen Weltergewichtler Vorteile bringen können, scheinen sie bei Williams auch Schwächen hervorzurufen. Wie oft trifft ein Rechtsausleger schon auf einen anderen? Quintana wühlt sich rein und Williams kommt auf kurzer Distanz mit seinen langen Armen manchmal nicht hinterher.
Rallystreifen als Frisur und Ziegenbart haben bislang keinen Erfolg gebracht.
2. Runde Quintana
Quintana lässt Williams richtig schlecht aussehen. Immer wieder findet er gut ins Ziel. Williams wirkt beinahe so, als hätte er den Kampf und seinen Gegner wenig ernst genommen, er kommt bislang nicht mit Quintana zurecht und schlägt auch deutlich weniger als sonst (trotzdem gutes Tempo von beiden).
3. Runde Quintana
Eine knappere Runde, bei der Williams so langsam besser in den Kampf findet. Doch Quintana landet die klareren, besseren Treffer.
4. Runde Williams
Auch eine knappe Runde. Williams kann seinen Jab nun etablieren, doch Quintana trifft weiterhin mehrmals mit der Schlaghand. Eine knappe Runde, mit etwas WM-Bonus und Bonus für die Gestaltung der Runde geb ich sie mal Williams.
5. Runde Williams
Quintana überlässt Williams etwas die Kontrolle und macht nun deutlich weniger als zu Beginn des Kampfes. Vielleicht eine kleine Pause?
6. Runde Quintana
Nun kommt wieder mehr von Quintana, aber auch Williams bringt seine Linke ab und an gut unter. Knappe Runde.
Was Quintana vielleicht lassen sollte ist, sich nach einem Trennkommando umzudrehen. Das könnte nicht nur den Unmut des Ringrichters auf ihn ziehen, sondern dem Gegner auch nen Überraschungsangriff ermöglichen, wenn er diesen aus den Augen lässt.
7. Runde Quintana
Quintana hat mehr Hände im Ziel, gönnt sich aber nun auch ein paar Defensiv-Leichtsinnigkeiten.
8. Runde Williams
Williams profitiert von seiner Workrate und sicher sich den achten Durchgang.
Allerdings hat er sich nen Cut über dem linken Auge abgeholt, um den sich sein Cutman kümmern darf. Mit fehlenden Zeigefingergliedern und einem langen Nagel am kleinen Finger ist das garnicht so einfach.
9. Runde Quintana
Wieder mehrere harte Treffer von Quintana, der diese Runde dank der besseren Endphase für sich entschieden haben sollte.
10. Runde Quintana
Sehr gute Runde für Quintana.
11. Runde Quintana
Wie Runde 9, zunächst ausgeglichener, aber Quintana mit den härteren Treffern und der besseren Enphase. Williams' Cut beim rechten Auge blutet stark. So gut sein Hirn die harten Treffer auch wegsteckt, seine Haut schaffts nicht. Der Cut ist auch Anfang der zwölften Runde noch ordentlich am bluten.
12. Runde Quintana
Williams braucht eigentlich den KO, aber Quintana lässt ihn dazu nicht kommen, er ist auch in der letzten Runde der bessere und hat auch einfach mehr Saft im Tank.
Gesamt: 117:111 Quintana
1-2 Runden kann man es wohl knapper sehen, aber am Quintana-Sieg sollte es meiner Ansicht nach keine Zweifel geben.
P.S.: Lob an Max Kellerman, der den Kampf klarer bei Quintana gesehen hat, als seine HBO-Kollegen.
P.P.S.: Lederman hat mal wieder Käse gepunktet. In den mittleren Runden war er etwas zu pro Williams und die elfte und zwölfte an Williams? Also neee... das hatte was von "Falls Williams trotzdem den Sieg kriegt, dann brauchen wir ne Lederman-Scorecard für ihn, damit wir ihn weiter hypen können."
HBO sollte sich vielleicht mal nach nem neuen Punktzettel-Männchen umschauen ... ich krieg so langsam das Gefühl, dass in letzter Zeit jede zweite Scorecard von Lederman schlecht ist.