Ich bin morgen (also am Freitag) zwar noch beim Hockey und beim ersten Leichtathletik-Abend, aber hier schonmal ein paar Eindrücke meinerseits.
Auch wenn ich durch und durch aus dem Fußball komme, ist die Faszination Olympia bei mir vorhanden seit ich 2000 in Sydney das erste Mal mit acht Jahren die Spiele verfolgen konnte. Vor Ort bei Olympia war immer eine Art Lebenstraum, die sich nun mit Paris wohl kaum mehr einfacher gestalten konnte. Ursprünglich hatte ich mit Begleitung sieben verschiedene Events geplant (alle letzten November beim Start gekauft), da meine Begleitung aus verschiedenen Gründen in der vergangenen Woche passen musste, habe ich mich noch einmal in einen kleinen Kaufrausch begeben, sodass ich am Ende meiner Tour voraussichtlich zwölf verschiedene Sportarten gesehen habe (darunter zwei Volleyball-Sessions). Mein Fokus lag dabei nicht auf Medaillen-Entscheidungen, sondern auf einer möglichst großen Bandbreite und dementsprechend nahezu immer die günstigeren Tickets. Nur einmal habe ich über 100 Euro für eine Karte bezahlt (115 um genau zu sein).
Ich bin am Sonntagmorgen aus Düsseldorf mit dem Auto nach Paris gereist. Möglichst früh, um einem befürchteten Chaos aus dem Weg zu gehen, was allerdings ausblieb. Mit einer kurzen Pause war ich schließlich um 12.30 Uhr nach ziemlich genau fünf Stunden Fahrt an meiner Unterkunft, die im Süden von Paris liegt, bzw. offiziell gar nicht mehr Paris ist, sondern in Chatillon. 680 Euro haben wir für fünf Nächte bezahlt, als wir vor ca. zwei Monaten buchten - zu dem Zeitpunkt noch geplant zu zweit. Ein ziemlich guter Kurs, der aber wohl mittlerweile spontan auch noch günstiger hätte klappen können. Im Endeffekt hatte es sich dennoch bezahlt gemacht, das Buchen der Unterkunft monatelang aufgeschoben zu haben
Denn vor einem Jahr waren die Preise wesentlich höher, es gibt da ja einige Artikel gegenwärtig dazu, dass sich einige Anbieter verzockt haben und Paris sogar weniger Touristen hat als sonst, weil die Nicht-Olympiazuschauer gegenwärtig komplett fernbleiben.
Tickets für den Sonntag hatte ich keine, dennoch wollte ich mich schon einmal in die Stadt begeben nach zwei Stunden auf dem Zimmer entspannen und Olympia schauen. Für mich war es ohnehin meine Paris-Premiere und später traf ich mich noch mit einer Freundin, weshalb es mal relativ ziellos los ging. Nachdem ich mich erst einmal mit der Metro auseinandergesetzt habe, stieg ich einfach mal spontan am Invalidendom aus - was eine hervorragende Idee war. Denn hier finden ja vor malerischer Kulisse vor dem Invalidendom die Wettkämpfe im Bogenschießen statt und just in dem Moment liefen die Medaillen-Entscheidungen des Mixed-Teamwettbewerbes - und von außerhalb konnte man tatsächlich über die Leinwand das Geschehen im Inneren mit verfolgen - das machten noch mehrere Hunderte Leute an der Mauer vor dem Invalidendom, darunter zahlreiche Mexikaner, die sich inbrünstig über ihre Bronzemedaille freuten. Das hat die Vorfreude auf die kommenden Tage natürlich nicht verringert. In der Folge dann ein bisschen spärliches Sightseeing, zumindest sich mal den Eiffelturm aus der Nähe anschauen etc.
Ursprünglich hatten wir für den Montag keine Besuche beim Sport geplant. Da ich aber nun wie gesagt (weitestgehend) alleine unterwegs war, konnte ich für den Montag natürlich auch noch ein bisschen zuschlagen. Resale und offizielle Tickethomepage hatte ich bereits tagelang immer wieder gecheckt und so konnte ich am Sonntag ein Resale-Ticket für 55 Euro beim Boxen am Montagvormittag schießen - als ich das besagter Freundin erzählte, tat sie es mir gleich, sodass wir uns am nächsten Vormittag dort trafen. Angesetzt war das Spektakel für 11 Uhr, offiziell hieß es immer, man soll 1,5 Stunden vorher da sein - das ist aber absolut nicht nötig, der Einlass hat eigentlich überall hervorragend funktioniert. Ich neige dennoch dazu, frühzeitig vor Ort zu sein und zudem musste man ja eh erst einmal mit der Metro klarkommen (wobei das Paris-Transport-App, die für die Spiele entwickelt wurde, da wirklich extrem stark half!). Boxen findet wie bereits von meinem Vorredner erwähnt in der Arena Nord in Villepinte statt, fast schon nahe des Flughafens CDG. War erst einmal ein Stück, aber ich kann wirklich nichts ansatzweise negatives über die Metro bzw den Nahverkehr in den letzten Tagen sagen - das hat alles bockstark funktioniert und wenn ich mir dieses System in Paris oder auch in London und die unzähligen riesigen Bahnhöfe anschaue, habe ich echt immer das Gefühl, dass Berlin im Prinzip ein Dorf ist.
Ich habe ja absolut keine Ahnung vom Boxen und schaue das auch privat eigentlich nie und es gehört auch bei Olympia nicht so wirklich zu meinen Favourite-Sportarten, aber ich war dennoch sehr gespannt. Bei uns waren es in der Session acht Kämpfe, zunächst drei Frauenkämpfe, danach fünf Männerkämpfe (alles in niedrigeren Gewichtsklassen, bis auf die letzten beiden Schwergewichts-Kämpfe, unter anderem mit dem Deutschen Nelvie Tiafack, der verdient gewann. Da waren ein paar nette Fights bei, mir wurde im Boxen-Thread u.a. der Kampf des Usbeken Abdullaev empfohlen, den ich auch in der Tat gut fand. Heute verlor er allerdings offenbar gegen den Kanadier Sanford, den ich auch am Montag noch gesehen hatte. Auch der Ungar Richard Kovacs war mit seinem Rumgetänzel recht...unterhaltsam.
Nach zweieinhalb Stunden war die Session vorbei und es ging mit der kompletten Halle Richtung Bahn...es war voll und eng, aber es funktionierte auch hier alles gut. Kernfrage für mich war nun, wie ich meinen weiteren Montag verbringe? Für den Abend hatte ich bereits über den offiziellen Ticketverkauf eine Karte für 24 Euro fürs Rugby gekauft, aber auf einen toten Nachmittag hatte ich auch keine große Lust, denn ich war jetzt endgültig im Olympia-Fieber. Also mal kurz Resale und Ticket-Homepage gecheckt und bei letzterer gesehen, dass es noch Restkarten für den Kanuslalom um 15.30 Uhr gibt (wohlgemerkt, es war da ca 13.30 Uhr). Und auch wenn ich grundsätzlich sonst keine Medaillen-Entscheidungen dabei hatte, war der Reiz, mal ein Finale zu sein, natürlich trotzdem da. Und so kaufte ich für 115 Euro spontan ein Ticket, Kategorie C, in der billigeren Kategorie war nichts mehr frei. Ich hatte mir zwar bereits ein Kanuslalom-Ticket für Mittwoch 15.30 Uhr gesichert, aber da hätte es mit meinem Anschlusstermin beim Badminton pünktlich knapp werden können - beim Rugby ging ich davon aus, dass das pünktlich klappen sollte. Dementsprechend verkaufte ich das Kanuslalom-Ticket für den Mittwoch über den Resale wieder (das hat übrigens auch bei allen Karten, die ich letztes Jahr doppelt gekauft hatte, problemlos und extrem flott geklappt).
Ich musste dann allerdings relativ zügig und spontan nach Vaires-sur-Marne, was tatsächlich auch eine ganze Ecke außerhalb liegt. Dort angekommen musste ein 20-minütiger Fußmarsch zur Venue herhalten, generell war die Wegeführung aber auch immer überragend gut beschildert und ohnehin überall unzählige Volunteers, die einem den Weg weisen. Ich dürfte so gegen 15 Uhr vor Ort angekommen sein und es ist durchaus nicht unwichtig, zu betonen, dass es spätestens ab Montag in Paris irrsinnig warm wurde. Die Sonne ballerte wirklich krass, ich bin zugegebenermaßen eher die Kategorie ziemlich schneeweiß und dementsprechend ist zu große Hitze nicht wirklich meine Welt. Und wie man sich vorstellen kann, sitzt man beim Kanuslalom auf einer relativ steilen Tribüne mitten in der Sonne - diese Schwitzerei sollte zum Dauerzustand der nächsten Tage werden. Aber auch hier gebührt ein großes Lob: Es waren immer überall ausreichend Wasserspender vorhanden, die frei nutzbar waren. Generell fand ich es wahnsinnig bemerkenswert, dass man problemlos seine Getränke und (!) Speisen in jede Wettkampfstätte mitnehmen konnte. Da ging es nicht nur um Wasser. Aber Wasser war wirklich der wichtigste Faktor in diesen Tagen, ich weiß nicht wie oft ich alleine am Montag beim Kanuslalom wieder unter den Wasserhähnen stand und mich komplett mit Wasser im Gesicht und am Kopf beträufelte. Die Hitze machte einigen Leuten zu schaffen, von der Tribüne musste auch eine bewusstlose Frau gebracht werden, deren Kreislauf es nicht mehr aushielt.
Generell fand ich die Kanuslalom-Venue aber erst einmal echt beeindruckend - vor Ort natürlich noch nie gesehen (am liebsten wäre ich reingesprungen)...und von oben auf der Tribüne konnte man auch rüber zur Kanu/Ruderregattabahn blicken. Meine Karte erwies sich ohnehin als ziemlich hervorragender Platz, denn ich saß ideal mit direktem Blick auf das Ziel. Insgeheim hatte ich natürlich die Hoffnung, dass sich Sideris Tasiadis seine nächste Olympia-Medaille schnappen kann, nach dem Halbfinale war er immerhin Dritter (die Stunde zwischen HF und Finale) wurde aufgrund der Temperaturen von extrem vielen Leuten ausschließlich unterhalb der Stahlrohrtribüne verbracht. Tasiadis brachte zwei fehlerfreie Läufe runter, doch am Ende reichte es nur zum vierten Platz - der Slowake (oder Slowene?) auf Bronze hatte bei seinem Lauf wohl das nötige Quäntchen Glück, normalerweise hätte Tasiadis ihn schlagen müssen. Bitter. Dafür wurde ich Zeuge einer der wohl verdientesten Goldmedaille überhaupt, denn Lokalmatador Nicolas Gestin hatte einfach in beiden Läufen einen unfassbaren Vorsprung. Er hätte sich im Finale beinahe drei Strafen erlauben können und hätte immer noch gewonnen - wenig verwunderlich, dass das Publikum vollkommen ausrastete und wirklich für eine sensationelle Atmosphäre sorgte. Das hat echt unfassbar Bock gemacht - aber Zeit für die Siegerehrung hatte ich keine, da ich den Fußmarsch zum Bahnhof zurücklegen musste und mich auf dem Weg zum Stade de France machen musste.
Auch dorthin war von der Bahnstation ein ordentlicher Fußmarsch nötig, dennoch kam ich wieder einmal pünktlich an. Als Groundhopper und Stadionenthusiast natürlich ein Erlebnis, auch wenn ich es natürlich ohne Fußballspiel nicht offiziell abhaken kann - aber meine Fresse, was für eine überragende Schüssel. Und ich staunte nicht schlecht, als ich realisierte, was für eine irre Party um das Stadion herum stattfand - Rugby wird in Frankreich einfach auch absolut gelebt, zwei Tage vorher gewannen ja die Männer Gold und heute waren die Frauen dran mit ihren Viertelfinalspielen.
Zugegebenermaßen holt mich Rugby jetzt auch nicht so irre ab, ich hatte ein bisschen was vom Männer-Wettbewerb im Stream geguckt, was ich ok fand. Vor Ort muss ich aber sagen, dass ich die Sportart dann doch ein bisschen weird fand
Sieht einfach etwas seltsam aus, wenn auf einem kompletten Fußballplatz nur sieben Personen pro Team rumrennen. Mir wirkte auch einiges zu zufällig auf dem Platz - aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn das Highlight sollte ja noch anstehen mit dem Duell zwischen Frankreich und Kanada. Es war das vorletzte Spiel des Abends (von insgesamt sechs Partien) und was soll ich sagen - die Atmosphäre war auch hier brutal, erst recht bei den erfolgreichen Versuchen der Franzosen. Aaaaaber...dann kam Kanada als Spielverderber ins Spiel. Die hatten nämlich wenig Bock auf Partystimmung und zeigten eine echt starke Defensivleistung - und gewannen das Spiel letztlich nicht unverdient und zum Entsetzen der Franzosen. Das war schon krass - da fielen echt Zehntausende Menschen in eine Schockstarre, wie als wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM ein Spiel in der 119. Minute verliert.
Das abschließende Spiel zwischen Australien und Irland habe ich mir dann geschenkt, weil der Tag irre lang war, ich platt war und einen ordentlichen Heimweg vor mir hatte - und einfach unbeschreiblich durchgeschwitzt gewesen bin, wie ich es selten erlebt habe. Aber das sollte noch schlimmer werden in den Tagen danach.
Soviel erst einmal zu Sonntag und Montag. Ich mache dann irgendwann weiter