Nach meinen Annahmen zur Gehaltsstruktur des Würzburger Teams jetzt meine Einschätzungen zu den Spielern bzw. zu der Mannschaft.
Vorab Respekt an Dirk Bauermann. Er hat sich mit diesen Personalentscheidungen für einen durchaus risikoreicheren Weg entschieden. Im Gegensatz zu anderen Vereinen und Trainern, die dann eher in der gleichen Liga abwerben oder zumindest auf Spieler mit BBL-Erfahrung setzen, geht DB sicherlich bewusst den schwierigeren und unsicheren Weg undsetzt auf viele unbekannte Spieler. Das macht nur jemand, der von seiner Einschätzung und seinem Handeln absolut überzeugt ist. Natürlich spricht hier auch seine Erfahrung für ihn. Und … man darf sein Netzwerk nicht unterschätzen. Es wird nicht viele Trainer geben, die über so viele Kontakte über die deutschen Grenzen hinaus verfügen. Es bleibt aber trotzdem natürlich immer noch eine Unsicherheit, ob das Projekt denn dann auch so funktioniert.
Ihm wird ja immer wieder mal gerne vorgeworfen, dass er mit seiner Spiel- und Denkweise antiquiert ist und keinen modernen Basketball spielen lässt. Vielleicht sollten diese Kritiker erstmal selbst definieren, was sie überhaupt unter modernen Basketball verstehen.
Zumindest ist diese Spielerauswahl und deren Zusammenstellung nämlich alles andere als veraltet. Auf den ersten Blick fällt ein sehr starker und extrem flexibler Backcourt auf. Ich behaupte jetzt auch mal, dass es der stärkste ist, den wir bislang in Würzburg gesehen haben. Wenn ich jetzt noch den schnellen und variablen Libkevicius von der 3 dazu nehme, haben wir hier 5 extrem vielseitige Spieler, die neben einer gehörigen Offensivpower, Variabilität und viel Spielintelligenz, vor allem auch defensiv richtig Druck machen können.
Auf den großen Positionen war ich anfangs etwas skeptisch. Bis auf Kresimir nur junge Spieler. Sicherlich mit genügend Entwicklungspotential, aber noch fast keine Erfahrung auf höherem europäischen Niveau, was man der BBL mittlerweile in jedem Fall bestätigen muss. Mich überzeugen mittlerweile vor allem die beiden Spieler auf der 4 und DB hält sich hier vor allem auch für Anderson und Loncar einige Optionen offen. Ich sehe definitiv auch kein Reboundproblem mehr. Wo es noch etwas zwicken könnte, ist das Pick and Roll. Für Dirk Bauermann ist diese Spielvariante eine wichtige offensive Waffe und weder Loncar noch Kratzer haben hier überragende Fähigkeiten. Das wird sicherlich in der Vorbereitung ein Schwerpunkt sein. Vielleicht wird sich hier DB mit den beiden Vierern etwas ausdenken.
Cliff Hammonds:
Ich denke, über ihn muss man nicht viel schreiben. Er wird das Hirn dieser Mannschaft sein und das Tempo auf beiden Seiten des Courts vorgeben. Als absolutes Vorbild wird er auch mit seinem Einsatzwillen überzeugen und das Team mitziehen. Er ist sicherlich nicht überragend, aber er kann eben einfach vieles gut. Für unsere Verhältnisse und Budget sicherlich das Optimum.
Abdul Gaddy:
Könnte für mich ein Steal werden. Gaddy hat mal in der amerikanischen Nationalmannschaft (U18 glaube ich) gespielt. Das sollte bei diesem Basketballland eigentlich schon genug über sein Talent aussagen. U.a. zwei Jahre in der Serie A (Bologna) bestätigen dies. Für mich der flexibelste Spieler von allen Guards. Bin gespannt, ob er auch seine guten Assistwerte halten kann. Eigentlich war er für mich schon der starting PG. Mit 1,93 Meter hat er eine gute Größe und kann auch schon mal bis zur 3 verteidigen. Ob er mit dem Pick and Roll eine seiner Stärken ausspielen kann, bezweifle ich bei unserem vorhandenen Frontcourt allerdings etwas.
D.J. Richardson:
Auf ihn freue ich mich am allermeisten und bin sehr gespannt, ob er seine teilweise sehr guten Zahlen aus Finnland (u.a. MVP und bester Ausländer) und Belgien in der BBL bestätigen kann. Überragende 3er Quote, aber auch ein sehr, sehr guter Zug zum Korb. Hier kann er auch seine Schnelligkeit und Athletik ausspielen. Hier frage ich mich bei einem 26 jährigen Spieler mit seinem Talent schon, warum er mit seinen Qualitäten bislang noch nicht über die finnische und belgische Liga hinaus gekommen ist (soll nicht despektierlich klingen). Unser ehemaliger Spieler Lamont Ulmer ist hierfür ja ein weiteres Beispiel.
Mo Stuckey:
Zu ihm muss man nicht viel sagen. Ich wünsche ihm in dieser Saison mehr Ausgeglichenheit. Ihm sollte die wohl geplante guardlastige Spielweise entgegen kommen.
V. Lipkevicius:
Seine Rolle wird unter Bauermann eine sehr wichtige sein. Der Trainer wird auf seine Variabilität und seine große Erfahrung bauen und vertrauen. Er wird im Team eine zentrale Rolle spielen und mit die meiste Spielzeit sehen. Litauische Basketballschule … er kann also alles. Grundsolide und professionelle Einstellung, Defense, gute 3er Quote, solider Wurf, Zug zum Korb und für seine Größe auch sehr guter Rebounder. Ich freue mich auf ihn.
Felix Hoffmann:
Wird wieder der glue guy des Teams sein, was alleine schon seine Verpflichtung gerechtfertigt und natürlich können wir wieder mit Einsatz bis zum Umfallen rechnen. Wird sich die Spielzeit mit Lukas Wank teilen müssen.
Lukas Wank:
Es war richtig, ihn zu halten. Hat für mich großes Talent und auch das bessere Gesamtpaket wie Ugrai. Deutlich beweglicher und agiler und vor allem ein guter Verteidigerund Rebounder. Ob er allerdings in dieser Konstellation (wenig Spielzeit) den nächsten Schritt machen wird, bezweifle ich leider etwas.
O. Olisevicius:
Der nächste Spieler mit „Verdacht“ auf einen Steal. Sehr moderner Powerforward, der im ersten Moment mit 2 Meter etwas klein wirkt, aber sehr viel durch Beweglichkeit und Schnelligkeit ausgleichen kann. Er ist auf jeder Position des Courts gefährlich und bietet dem Trainer dadurch viele Optionen.
Ryan Anderson:
Für mich die wichtigste Verpflichtung, um die Reboundschwäche des letzten Jahres zu beenden. Sehr gute Größe für einen PF, der aber dafür noch sehr viel Beweglichkeit und Schnelligkeit aufzuweisen hat. Gutes Gesamtpaket und vor allem auch von außen einsetzbar. Ein guter Rebounder ist immer auch ein guter Verteidiger. Das ist für mich neben seinen vorhandenen offensiven Qualitäten ein ganz elementarer Punkt.
Kresimir Loncar:
Ich habe gehört, dass er mit DB sehr gut klar kommt und viel von ihm hält. Er wird in dieser Saison nochmal richtig Gas geben und eine wichtige Rolle im Team übernehmen. Natürlich können wir aufgrund seines Alters keine Wunderdinge mehr von ihm erwarten, aber seine Erfahrung wird den vielen jungen Spieler (u.a. Kratzer) sehr helfen. Ich nehme an, er wird der Kapitän werden und neben Hoffmann das Team zusammen halten.
Leon Kratzer:
Über seine Verpflichtung habe ich mich sehr gefreut. Er ist zweifelsohne einer der talentiertesten jungen deutschen Spieler und hat jetzt in Würzburg hervorragende Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln und den nächsten Schritt zu machen. Vor allem Kresimir und der neue Co-Trainer Stephen Arigbabu werden ihm da eine große Hilfe und Unterstützung sein. Man muss allerdings schon feststellen, dass er eher ein klassischer Brett-Center ist, der fast ausschließlich unter dem Korb agiert. Dafür ist vor allem sein Pick and Roll noch sehr ausbaufähig. Ich bin sehr gespannt auf seine Rolle und Entwicklung.
„ Ich habe keine Angst vor dem Würzburger Kader“, war eine Stimme aus dem Forum.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn man uns unterschätzt. Mir ging es dabei am Anfang wie vielen anderen auch. Keine bekannten „Kracher“, sondern neue unbekannte Spieler aus keinen überragenden Ligen. Überraschung, kritisches Abwägen, ja vielleicht sogar etwas Enttäuschung? Je länger ich mir diesen Kader anschaue, die einzelnen Spieler etwas tiefer und genauer beurteile und mögliche taktische Spieloptionen durchspiele, desto überzeugter bin ich von der Zusammenstellung. Auf 10 Positionen sind wir extrem gleichwertig und tief besetzt und somit wird auch immer entsprechende Qualität von der Bank kommen. Es wird ein Team sein, dass überragenden Einsatz zeigen und in der Defense Maßstäbe setzten wird. Die Trainer haben zudem mit diesen Spielern (fast) alle Möglichkeiten, vorne schnellen und variablen Basketball zu spielen. Bei den erstgenannten Punkten (Defense und Intensität) mache ich mir keinerlei Sorgen. Ob aber auch die Offense so funktionieren wird, daran wird sich dann letztendlich DB messen lassen und vor allem zeigen müssen, ob an dem Vorwurf seiner„antiquierten“ Spielweise was dran ist, oder nicht.
Wir sind gespannt!