Mit der gestrigen Veröffentlichung der FIDE-Elo-Rangliste ist es dann quasi auch hochoffiziell, dass Firouzja an Wesley So vorbei gezogen und damit für das Kandidaten-Turnier qualifiziert ist.
Ein kleiner Überblick über das Teilnehmer-Feld des im April in Toronto stattfindenden Turnieres:
Ian Nepomniachtchi - Verlierer WM-Kampf 2023
Zum dritten Mal steht Nepo in einem Kandidatenturnier, als Verlierer der letzten Schach-WM diesmal automatisch. Seine beiden vorherigen Teilnahmen hat er jeweils als Sieger abgeschlossen. 2020 gewann er mit einem halben Punkt Vorsprung vor MVL. In der Schach-WM gegen Carlsen verbockte er mehrere Partien und verlor klar und deutlich.
2022 gewann der das Turnier erneut, diesmal mit solidem Vorsprung auf Ding Liren der zweiter wurde. Carlsen hatte vorher schon zu verstehen gegeben, dass er nur Lust auf die WM hätte, wenn Firouzja sein Gegner werden sollte. Sich erneut auf ein Match gegen Nepo vorzubereiten, den er 2 Jahre vorher klar geschlagen hatte ... daran hatte Carlsen kein Interesse. Nepo und Ding konnten jeweils drei Partien gewinnen, bevor Ding die vierte Partie im Tie-Break und damit die WM für sich entschied.
Nepo, der mit seiner Elo-Karrierehöchstwertung zur WM gereist war, war auch anschließend eher glücklos. Beim Turnier in Bukarest wurde er nach 3 Niederlagen vorletzter.
Beim World Cup schied er im Achtelfinale gegen Vidit aus, beim Sinquefield Cup wurde er immerhin 4ter. Besser lief es für Nepo seit der WM eher im Rapid und im Blitz, wo er häufiger im vorderen Bereich der Turniere zu finden war.
Magnus Carlsen - Sieger World Cup 2023
Als Gewinner des World Cup wäre Ex-Weltmeister Carlsen schon seit langem qualifiziert, aber ähnlich lange hat er schon durchblicken lassen, dass er bei dem derzeitigen Format nicht die Motivation hätte, an dem Kandidatenturnier teilzunehmen. Carlsen hat mehr Luft auf Rapid und Blitz oder auch Turniere, bei welcher man sich nicht so explizit auf einen einzelnen Gegner vorbereitet ... wie eben beim World Cup. Auch Chess960 scheint ihn zunehmend zu interessieren.
Letztlich braucht man mit seiner Teilnahme wohl nicht rechnen.
Rameshbabu Praggnanandhaa - Zweiter World Cup 2023
Mit Siegen gegen Nakamura und Caruana hat sich Pragg beim Weltpokal in das Finale gespielt. Auch wenn er dieses im Stechen gegen Carlsen verlor, so hat er so doch seit langem seine Teilnahme im Kandidatenturnier sicher. Pragg wurde während des World Cup 18 Jahre alt und wurde einst nach Karjakin als zweitjüngster Spieler zum Großmeister (mittlerweile ist er der bei seiner Ernennung zum Großmeister fünftjüngste). Schon länger gilt er als großes Talent und konnte dieses Jahr die 2700-Marke knacken, wodurch er in die Top30 der Weltrangliste vorstieß. Hier ist er einer von 5 Indern, nicht weit platziert hinter Ex-Weltmeister Anand, der gewiss für manch seiner deutlich jüngeren Verfolger ein Idol sein mag. Die USA ist die einzige andere Nation, für die derart viele Spieler in den Top30 spielen.
Mit seinem Turniersieg in Budapest und beim Grand Swiss konnte er seine Elo-Wertung weiterausbauen. Dies gelang ihm auch im Rapid, als er dritter beim Tata Steel Chess in Indien wurde.
Fabiano Caruana - Dritter World Cup 2023
Caruana ist nun schon seit längerer Zeit ein Teil der Weltspitze. Seit 2016 ist Caruana bei jedem Kandidatenturnier dabei. Damals wurde er Zweiter hinter Karjakin, gegen den er damals die Turnier-entscheidende Partie in der letzten Runde verlor. Zwei Jahre später verlor er erneut eine Partie gegen Karjakin, gewann jedoch das Kanditatenturnier, bevor alle klassischen Partien in der Schach-WM zwischen ihm und Carlsen Remis endeten. Danach setzte sich Carlsen im Tie-Break durch, als er alle drei Schnellschachpartien in Folge gewann. Bei den Kandidatenturnieren 2020 und 2022 wurde Caruana jeweils 4ter und 5ter. Beim letzten Kandidatenturnier lag er anfang mit Nepo an der Spitze der Tabelle, verlor jedoch im weiteren Turnierverlauf den Anschluss.
Dieses Jahr läuft es für Caruana bislang wieder besser und er konnte sein Rating im klassischen Schach wieder über die 2800-Marke bringen.
Wäre er nicht schon längst qualifiziert, dann wäre er als klarer Gewinner des FIDE Circuit ins Kandidatenturnier eingezogen. Die Grand Chess Tour, die US-Meisterschaften und sein mittlerweile dritter Sieg des Sinquefield Cup ergeben ein rundes Jahr für Caruana. Das rückt ihn natürlich auch wieder in den engeren Favoritenkreis.
Nicat Abasov - Vierter World Cup 2023
Eine ganze Weile hatte die FIDE den Herausforderer des Schachweiltmeisters in einem KO-Format auserkoren. Nach Anand gegen Gelfand ging man (wieder) über zu einem Kandidatenturnier in Rundenform. Zu sehr war die Tagesform vielleicht ein Einflussfaktor bei einem KO-Turnier, als dass es passend wäre, dass ein solches über den endgültigen WM-Herausforderer entscheidet.
Nichtsdestotrotz, mit dem Weltpokal entscheidet seit langem ein Turnier im KO-Format über mehrere Qualifikanten des Kandidatenturniers. Diesmal sind es - wie zuletzt 2013 - derer drei Spieler, die so in das Turnier gelangen. Durch den wahrscheinlichen Rückzug von Magnus Carlsen ist somit Nicat Abasov als Viertplatzierter des Weltpokals als Teilnehmer beim Kandidatenturnier vorgesehen.
Man kann Abasov die Teilnahme durchaus gönnen und das Erreichen des Halbfinales im Weltpokal war gewiss ein großer Erfolg ... aber letztlich wir er beim Kandidatenturnier der klare Außenseiter sein, mehr noch als Kirill Alexejenko beim Turnier 2020.
Abasov steht derzeit nicht unter den Top100 der Weltrangliste und seinen Platz erkämpft hat er sich gewissermaßen, indem er beim Weltpokal zwei Spieler der Top20 besiegen konnte, nämlich Vidit und Giri. Danach scheiterte er dann (wie auch Keymer und Gukesh vor ihm) an Carlsen.
Gerade Giri wird sich vielleicht denken "Hey ... das hätte mein Platz sein können", zumal sich dieser später mit seinem Abschneiden beim Sinquefield Cup und beim Grand Swiss noch den Qualifikations-Platz beim FIDE Circuit und den über die Elo-Wertung mehr oder weniger knapp verpasst.
Ich finde es gut, dass es beim Kandidatenturnier keine Wild Card mehr gibt und die Quali-Plätze über den World Cup nicht am Ende einer Nachrücker-Regelung stehen. Freilich wird die FIDE wohl weiter das "Problem" haben können, dass ein Spieler sich für das Kandidatenturnier qualifizieren kann und dann keine Lust hat, dieses zu spielen ... so wie nunmal Magnus Carlsen.
Dennoch, auch wenn die Komponente Glük und Zufall erfrischend sein kann (z.B. wo stehe ich im Turnierbaum, in welcher Form ist mein Gegner usw.), so ist es durchaus wahrscheinlich, dass Abasovs voraussichtliche Teilnahme am Kandidatenturnier eher Kritik als Lob am Modus aufwirft ... zumindest wenn Abasov im Turnier nicht für eine große Überraschung sorgen kann.
Santosh Gujrathi Vidit - Sieger Grand Swiss 2023
Lange führte Andrej Episenko die Rangliste im Grand Swiss an, bevor er in der letzten Runde gegen Anish Giri verlor und den undankbaren dritten Platz holte. Vidit genügte durch Episenkos Niederlage ein Unentschieden, um sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren. Durch seinen Sieg in der letzten Runde machte er aber zusätzlich noch den Turniersieg klar.
Wie schon in den letzten beiden Zyklen war das Grand Swiss erneut eine Möglichkeit sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren. Vidits Vorgänger in der Hinsicht - Wang, Firouzja, Caruana - waren bei den folgenden Kandidatenturnieren mäßig erfolgreich.
Das Schweizer System ist nicht frei von Kritik. Klar ... man braucht vielleicht auch ein wenig Glück, wenn es darum geht, gegen wen man am Anfang antritt. Doch je weiter das Turnier voranschreitet, umso mehr kristallisiert sich in diesem heraus, dass das Format versucht diejenigen gegeneinander spielen zu lassen, die vorher im Turnier den besten Verlauf hatten. Der Zufall wird so nicht größer geschrieben als z.B. bei einem Turnier im KO-System ... gleichwohl weiß man nur eingeschränkt im Voraus, gegen wen man in den künftigen Runden antreten könnte (das ist bei einem Turnierbaum wie beim World Cup etwas anders).
Vielleicht hat Vidit die Niederlage in der ersten Partie etwas geholfen, so dass er in den folgenden Runden gegen vermeintlich schwächere Gegner antrat. Er traf z.B. nicht auf Caruana oder Giri ... Episenko hingegen schon.
Dennoch, am Ende bleibt der Turniersieg nicht unverdient und der Platz im Kandidatenturnier damit legitim.
Hikaru Nakamura - Zweiter Grand Swiss 2023
Nakamura ist zum dritten Mal bei einem Kandidatenturnier dabei. Zusammen mit Caruana qualifizierte er sich 2016 über den FIDE Grand Prix für das Kandidatenturnier, wurde jedoch vorletzter.
2022 war er als Sieger des Grand Prix dabei. Ebenso wie Ding Liren verlor er seine Erstrunden-Partie, brachte sich jedoch mit vier gewonnenen Weiß-Partien wieder in Richtung Tabellen-Spitze. Nachdem Nepo bereits als Turniersieger feststand und es als recht unwahrscheinlich galt, dass Carlsen erneut gegen ihn antreten will, sah es sehr danach aus, dass Nakamura und Ding Liren in der letzten Partie um den zweiten Platz und damit die Teilnahme in der Schach-WM kämpfen. Nakamura hätte ein Unentschieden genügt, doch er kassierte seine zweite Niederlage mit schwarz im Turnier und fiel auf Platz 4 zurück.
Nakamura ist bekannt für sein angriffslustiges Spiel und - spätestens seit der Corona-Pandemie und dem noch populärer gewordenem Online-Schach - dafür, dass er einer der populärsten Schach-Streamer ist. Ich glaube es gibt auch kaum einen anderen Top10-Spieler, welcher derart viel Content auf diesen und jenen Video-Plattformen produziert.
Nakamura scherzte beim letzten Kandidatenturnier auch, dass zwei Wochen lang nicht "arbeiten" könne, denn schließlich könnte er in der Zeit mit seinen Online-Streams und -Videos wesentlich mehr Geld verdienen, als er wohl an Preisgeld beim Kandidatenturnier verdienen würde.
2015 hatte Nakamura einst ein Elo-Rating über 2800. Dieses sank um fast 180 Punkte, bis er 2020 und 2021 (natürlich auch Corona-bedingt) kaum Turniere spielte. Indes hat er sich den Ruf als einer der stärksten Bullet-Spieler erarbeitet.
In der (klassischen) Elo-Weltrangliste hat er sich in den letzten beiden Jahren wieder auf Rang 3 nach oben gearbeitet.
Während es - wie oben angedeutet - beim World Cup nicht so dolle lief, liefen das Qatar Masters (3ter-8ter) und das Norway Chess (1ter) durchaus ordentlich.
Nakamuras Ziel darf gewiss sein, nicht erneut in der letzten Partie die Teilnahme an der Schach-WM zu verpassen. Ansonsten kann er immernoch gut Geld im Netz machen.
Dommaraju Gukesh - Zweiter FIDE Circuit 2023
Gukesh ist der jüngste beim kommenden Kandidatenturnier. Er löste vor ein paar Jahren Pragg als zweitjüngster Großmeister ab.
Da dieses Mal drei Spieler über den World Cup qualifiziert sind, stand schon relativ früh fest, dass jemand auf den Erstplatzierten des FIDE Circuit nachrücken wird. Denn jene Wertung für das Abschneiden bei verschiedenen Turnieren war schon länger vom bereits qualifizierten Caruana klar angeführt.
Der FIDE Circuit ersetzt mehr oder weniger den FIDE Grand Prix, welcher langjährig über zwei Qualifikanten des jeweiligen Kandidatenturniers entschied. Dabei ermöglicht es der FIDE Circuit bei einer weit größeren Anzahl von Turnieren Punkte zu sammeln, sofern die Turniere gewisse Qualifikationsbedingungen erfüllen (Turniergröße, Turnierdauer, Elo-Schnitt der 8 stärksten Spieler, min. 3 Nationen außer bei nationalen Meisterschaften). Auch bei Rapid- und Blitz-Turnieren konnten ggf. Punkte gesammelt werden. Wieviele Punkte gesammelt werden entschied sich nach der Platzierung, nach der Turnier-Stärke und nach der Form des Turniers.
Die Rangliste im FIDE Circuit umfasst dann letztlich die in dieser Hinsicht nach ihrer Punktezahl 5 besten Turnier-Ergebnisse der jeweiligen Spieler.
Gukesh hatte schon ordentlich Punkte gesammelt. Das WR Chess Masters in Düsseldorf, das Viertelfinale im Weltpokal, das Norway Chess, das Turnier in Malmö und das Sharjah Masters brachten Gukesh zwar keine Turniersiege, aber doch reichlich Punkte.
Giri, Gukesh, So und Erigaisi hatten Anfang Dezember noch Chancen auf den Quali-Platz. Giri war dabei in bester Position, insbesondere durch seinen Turniersieg beim stark besetzten Turnier in Wijk aan Zee.
Jedoch holte Giri in Düsseldorf nicht allzu viele Punkte und weder beim Sinquefield Cup noch beim Grand Swiss gelang es ihm hinreichend Punkte zu sammeln, um seinen Platz im Kandidatenturnier zu festigen.
Gukesh und Erigaisi nahmen dankbar ihre Einladung zum relativ kurzfristig anberaumten "Chennai Grand Masters" an. Leinier Dominguez hoffte stattdessen darauf seine Elo-Zahl in Sitges verbessern zu können. Parham Maghsoodloo hatte in Chennai noch die theoretische Möglichkeit seine Elo-Zahl für einen Quali-Platz zu steigern. Mit Aronian war ein weiterer Spieler vertreten, welcher in der Elo-Rangliste vor Gukesh und Erigaisi steht.
Letztlich gewann Gukesh das Turnier und zog im FIDE Circuit an Giri vorbei (das wäre ihm auch mit einem 2ten Platz gelungen). Erigaisi blieb 5ter (das wäre auch mit einem Turniersieg so geblieben) und konnte nurnoch auf ein Spitzenergebnis bei der Rapid- und Blitz-WM hoffen (hat nicht ganz geklappt).
Giri und So schauten zu. Beziehungsweise So spielte um das Preisgeld in der Finalrunde in der Champions Chess Tour, was ihm im FIDE Circuit aber nicht nach vorne brachte.
Unterm Strich ist Gukesh zwar keiner der unter den Top20 der Weltrangliste steht, aber er hat sich seinen Qualifikationsplatz (mehr oder weniger dank Caruana) erarbeitet. Denn letztlich muss man für den Quali-Spot über den FIDE Circuit aktiv sein, braucht nicht nur 1-2 gute Turniere, sondern mehrere und das gegen ein Turnierfeld in dem auch starke Spieler sind.
Ob die Punkte-Wertung noch etwas poliert werden darf, das sei dahingestellt ... aber mir gefällt das besser als der FIDE Grand Prix, als Wild Cards ... und auch mehr als das was reicht, damit Abasov wohl dabei sein wird (zum Vergleich: Abasov ist auf Platz 49 im FIDE Circuit 2023).
Ich hätte nichts dagegen, wenn sich über den Circuit 2 Spieler qualifizieren würden (wie vormals über den Grand Prix). Die FIDE kriegt damit ihren Wunsch, dass die Qualifikation bis zuletzt spannend wird (zuletzt heißt in diesem Fall gar die Möglichkeit bei der Rapid- und Blitz-WM noch genügend Punkte zu sammeln). Das Turnier in Chennai kam zwar kurzfristig, aber Gukesh und Erigaisi spielten dort gegen Kontrahenten, die kaum Elo-Punkte zu verschenken hatten, aber dem Turnier ihre Wertigkeit gaben. Das hat einen anderen Wert als z.B. ein kurzfristiges Elo-Farming gegen in die Jahre gekommene Spieler.
Alireza Firouzja - Sechster Weltrangliste 01.01.24
Nachdem Ding und Nepo sich nicht qualifizieren brauchen und Carlsen und Caruana schon lange qualifiziert sind, stand nach dem zweiten Platz von Nakamura beim Grand Swiss fest, dass Firouzja gute Aussichten hat, sich über die Weltrangliste für das nächste Kandidatenturnier zu qualifizieren.
Erforderlich war dafür jedoch noch, dass er ein weiteres Turnier mit klassischer Zeitnahme spielt. Dies geschah beim Sinquefield Cup, den Firouzja im Vorjahr nach einem Sieg im Stechen gegen Nepo für sich gewinnen konnte, was damals für ihn auch den Sieg der Grand Chess Tour bedeutete.
Doch der Sinquefield Cup lief für Firouzja 2023 nicht so dolle. Er wurde nur vorletzter und verlor in der Elo-Rangliste mehrere Positionen. Anschließend gab er kund, dass dies nicht schlimm sei und ihm die Teilnahme am Kandidatenturnier ohnehin nicht soooo viel bedeuten würde. Ohnehin hielt sich schon länger das Gerücht, dass Firouzja davon schwärme seine Schachkarriere (bereits in vergleichsweise jungen Jahren) zu beenden und Modedesigner zu werden. Das Gerücht wird vielleicht auch nur durch seinen etwas auffälligeren Kleidungsstil kolportiert. Zuletzt sah man ihn beim Open in Rouen in einer 2.500-Dollar-teuren Prada-Jacke.
Apropos Rouen. Für den ersten Platz beim dortigen Schach-Turnier gab es ein Preisgeld von 700€.
Das Turnier war zwar schon länger geplant, aber Firouzjas Teilnahme kam eher kurzfristig, nachdem sein vorweihnachtlicher Elo-Schlussspurt nicht ausreichte, um in der Weltrangliste wieder an Wesley So vorbei zu ziehen.
Letztlich hat Firouzja die 700€ gewonnen und wurde mit 7 Punkten aus 7 Partien erster in Rouen. Sein stärkster Gegner dabei - und letztenendes auch jener durch dessen Bezwingen Firouzja sich die nötigen Elo-Punkte holte - war Gata Kamsky, momentan 133ster in der Weltrangliste und einst der Sieger des Weltpokals 2007 (schlug damals den 17-jährigen Carlsen im Halbfinale) was ihm den Platz im Kandidatenfinale gegen Topalow sicherte. Naja ... lang ists her.
Frühere Aussagen hin oder her, die 700€ in Rouen und die gleichzeitig erreichte Qualifikation für das Kandidatenturnier waren Firouzja letztlich dann doch wichtiger als die Rapid- und Blitz-WM.
In Sachen klassischer Turniere lief es für Firouzja - abgesehen vom GCT Turnier in Bucharest - dieses Jahr eher bescheiden. Der große Druck durch die vielen Vorschusslorbeeren vor dem letzten Kandidatenturnier (und dass Carlsen wenn dann nur gegen Firouzja interessiert gewesen wäre seinen WM-Titel zu verteidigen) machten es ihm damals nicht unbedingt leichter.
Dass sich Firouzja dank Unterstützung durch den französischen Verband den Quali-Platz über die Elo-Rangliste zurückmauschelt, nachdem er diesen scheinbar in St. Louis verspielt hatte ... das lässt die ganze Angelegenheit auch nicht in besserem Licht dastehen. Die FIDE kriegt so zwar Spannung bis zuletzt um die Quali-Plätze ... aber auch in einer Form, die sie sich wahrscheinlich nicht gewünscht hat ... obgleich Firouzjas Qualifikation legitim ist.
Am Ende darf man sich dennoch fragen, ob es nicht besser war als man von 2013 bis 2020 für die Qualifikation zu den Kandidatenturnieren die Elo-Ranglisten-Punkte über einen Zeitraum von 12 Monaten mittelte.
Gewiss, auch dann wäre Firouzja derjenige gewesen, welcher sich über die Elo-Rangliste für das Kandidatenturnier qualifiziert ... aber es hätte dieses ganze Schmierentheater nicht gegeben, dass Firouzja seinen Kandidatenturnier-Platz beim Sinquefield Cup verliert und später gegen vermeintlich schwache Spieler "zurückfarmt" ... begleitet von manch Kommentar von Wesley So.
Es ist keineswegs "nur" der Sieg über Gata Kamsky, welcher Firouzja die Teilnahme in Toronto einbringt ... aber letztlich war dies eine dafür entscheidende Partie, so dass manch einer am Ende eine gewisse Erwartungshaltung an Firouzja stellen wird und dass dieser zeige, dass er die Teilnahme wirklich "verdient" hat ... ob diese Einstellung nun gerechtfertigt sei oder nicht.