Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass gerade dieser Thread die Gemüter so erhitzt. Eigentlich ist der Vergleich zwischen Senna und Schumacher recht akademisch, weil sie ja leider nur sehr kurz gegeneinander gefahren sind, und zu einer Zeit als Schumachers Stern erst noch am Aufgehen war. (Dass er allerdings aufgehen würde, das wusste man, ebenso wie man es auch bei Prost und Senna schon sehr früh sehen konnte, dass da jeweils ein ganz besonderer Fahrer kam).
Ich muss sagen, ich war damals eher ein Prost-, als ein Senna-Fan. Allerdings hatte Senna schon einige Fähigkeiten, die sehr außergewöhnlich waren. Auf die Qualifying-Runde war er vielleicht der beste Fahrer, den es je gegeben hat. Er hatte unglaubliche Regen-Fähigkeiten, und auch seine Art, gleich in der Anfangsrunde "da" zu sein und praktisch von der ersten Kurve an am Limit zu sein, war phänomenal. Einige Rennen hat er faktisch in der ersten Runde gewonnen, weil er da oft mit 3-4 Sekunden Vorsprung heraus kam, und den Vorsprung dann nie mehr abgab.
Aber wie ich neulich in einem anderen Thread geschrieben habe: über das ganze Rennen war der Vorsprung zu Prost weit weniger deutlich. Es wechselte eigentlich von Rennen zu Rennen und hing letzlich von der Tagesform ab, die im Motorsport auch manchmal eine Frage der besseren Fahrzeugabstimmung ist...
In den beiden gemeinsamen Jahren bei McLaren hatte Prost nicht nur insgesamt jeweils mehr Punkte (wobei die Streichresultate-Regel 1988 natürlich legitim war und auch von 1950 bis 1990 durchgehend bestanden hat. Allerdings hat sie nur einmal den Ausschlag für die WM gegeben: eben 1988). Prost hatte zum Beispiel auch wesentlich mehr schnellste Rennrunden als Senna, der dafür im Qualifying absolut dominierend war. Ich würde auch sagen, dass die etwas höhere Ausfallrate von Senna nicht ganz zufällig war. Beide waren auf einem außerordentlichen Niveau, aber die Stärken von Senna waren vielleicht die auffälligeren.
Was die berühmte Kollision in Suzuka angeht, ist es auch interessant, wie sich das öffentliche Bild im Lauf der Jahre völlig umgedreht hat. Zunächst mal ist es völlig richtig, dass Senna nicht wegen der Kollision, sondern wegen des Anschiebens disqualifiziert wurde (und die Wikipedia ist übrigens in 98% der Fälle eine ziemlicht gute Quelle
). Richtig ist aber auch, dass die Öffentlichkeit damals fast einhellig Senna die Schuld gab. Senna war damals durchaus umstritten und wurde nicht zum ersten Mal für seine sehr "konsequente" Fahrweise kritisiert. Dazu kam 1989 auch noch, dass er im letzten Rennen (als über seinen Einspruch gegen die Disqualifikation in Suzuka noch nicht entschieden war) im strömenden Regen einem überrundeten Auto ins Heck knallte, was als erneuter Beweis für seine überzogene Fahrweise gesehen wurde.
Heute hat sich komischerweise die genau umgekehrte Lesart etabliert. Alle gehen davon aus, dass Prost der "Schuldige" ist und Senna geradewegs in die Falle hat laufen lassen, wovon Senna, der sehr zum Misstrauen gegen die halbe Welt neigte, ohnehin fest überzeugt war.
Ich denke die Wahrheit liegt ein wenig in der Mitte. Ich glaube nicht, dass Prost ihm eine Falle gestellt hat, aber Sennas Überholversuch (grandioses Bremsmanöver übrigens) war doch so, dass es ohne Nachgeben des anderen nicht gehen konnte. Und dazu war Prost einfach nicht bereit. Da war die Situation zwischen den beiden, die sich jeweils gegenseitig als unfäir betrachteten schon vorher zu sehr eskaliert.
Zurück zu Senna und Schumacher: ich könnte mir vorstellen, dass die Situation in mancher Hinsicht der mit Prost vergleichbar gewesen wäre. Bei Schumacher zum Beispiel ist das Qualifying nie die absolute Stärke gewesen. Aufs Rennen glaube ich, dass die beiden sehr nahe beeinander gewesen wären, und es deutete sich 94 ja auch an, dass Schumacher im Rennen durchaus gegen Senna gewinnen konnte (obwohl der im Quali eine Sekunde schneller war). Es wäre eine interessante Sache geworden. Traurig, dass es nicht dazu gekommen ist.