Da wir ja alle solange Radsport-Entzug erleiden mussten und erst seit ein paar Wochen wieder das Spektakel auf der Straße genießen können, mache ich mal wieder eine kleine Teamvorschau für die Tour.
B&B Hotels - Vital Concept
Das Team von Ex-Profi Jerome Pineau ist zum ersten Mal bei der Tour dabei und geht mit zwei bekannten Namen des französischen Radsports ins Rennen. Pierre Rolland konnte die Tour schon drei Mal in den Top10 beenden (1x 8., 2x 10., das letzte Mal liegt aber auch schon 5 Jahre her). Rolland wird eher auf Etappen gehen, von denen er schon zwei gewinnen konnte sowie möglicherweise ein Auge auf das Bergtrikot werfen. Bryan Coquard stand schon dreimal auf den Podium einer Tour-Tagesetappe und wird sich auf die Sprints fokussieren. Anfang August gewann er vor Viviani und Colbrelli die Auftaktetappe der Route d'Occitanie, zudem wurde er hinter Demare zweiter der französischen Meisterschaften - die Form sollte stimmen. Coquard ist auch in anspruchsvolleren Gelände zu Hause, was ihm durchaus zu einem Kandidaten für Grün machen könnte - wenn es Sagan nicht gäbe. Der Rest des Teams besteht aus erfahrenen Helfern wie Gautier und Reza sowie Leuten, die vor allem zu Beginn der Tour immer wieder attackieren werden. Interessantester Mann hier wäre noch Quentin Pacher, der ganz gut über die Berge kommt.
Team Sunweb
Mit Plouay-Sieger Matthews und Kelderman fehlen zwei der großen Namen im Aufgebot des deutschen Teams Sunweb. Als Kapitän wird Tiesj Benoot die Mannschaft anführen, der sich wohl auf Etappensiege konzentrieren wird. Der Belgier ist ein herausragender Allrounder, der insbesondere im hügeligen Terrain zu den besten der Welt gehört. Möglicherweise schlägt schon in der ersten Woche seine Stunde. Im Sprint liegen die Hoffnungen auf den jungen Cees Bol, der u.a. von Nikias Arndt unterstützt wird. Mit Kragh Andersen hat Sunweb noch ein weiteres heißes Eisen im Aufgebot, der hervorragend in die Saison gestartet war (3. Omloop Het Nieuwsblad, Etappensieger bei Paris-Nizza im Zeitfahren). Gespannt sein darf man auf das Tourdebüt vom 22-jährigen Schweizer Marc Hirschi, der bei der Dauphine in den Bergen schon was zeigen konnte.
NTT Pro Cycling Team
Ohne Mark Cavendish (der ja 2020 für Bahrain fährt), aber dafür mit Giacomo Nizzolo einer der heißesten Eisen aktuell im Peloton ist NTT am Start 5. bei Mailand - San Remo, Sieger der nationalen Meisterschaften in Italien und in dieser Woche noch der Erfolg in Plouay bei der Europameisterschaft im Sprint vor Demare und Ackermann. Nizzolo wird in den Sprints zu den Mitfavoriten zählen. Mit Walscheid und Gibbons hat man zwei endschnelle Anfahrer für Nizzolo mit dabei, dazu kommt Routinier Edvald Boasson Hagen. Auf schwierigeren Gelände liegen die Hoffnungen zum einen auf dem Klassikerspezialisten Valgren, zum anderen auf Kreuziger und Pozzovivo. Der Tscheche wurde letztes Jahr noch Gesamt-16., musste aber die Dauphine aufgeben. Pozzovivo könnte in den Bergen mal attackieren, ich erwarte aber nicht so viel.
Total Direct Energie
Auch beim Team von Bernadeau liegen die Hoffnungen bei einem italienischen Sprinter, hier auf Bonifazio, der im Frühjahr eine Etappe bei Paris-Nizza gewann und nach dem Restart eine Podestplatzierung bei der Route d'Occitanie vorzuweisen hat. Ansonsten wird es wieder heißen - Attacke! Bekanntester Name im weiteren Aufgebot dürfte Lilian Calmejane sein, der 2017 eine Etappe der Tour gewann und durchaus wieder die Möglichkeit haben wird in den mittelschweren Etappen was herauszuholen. Man wird die Trikots der Truppe sehr oft in den Spitzengruppen sehen.
Israel Start-Up Nation
Beim Tourdebüt der israelischen Truppe fehlt noch Chris Froome, der erst zur neuen Saison wechseln wird. So wird Dan Martin die Mannschaft anführen, der 2017 schon Gesamt-6. wurde. Das wird er nicht wiederholen können, ist der Ire doch gerade erst von einem Sturz bei der Dauphine wieder fit geworden. Martin wird wohl eher auf Etappensiege gehen, da dürfte es einige für ihn passende Tage geben. Besondere Beachtung dürfte Guy Niv finden, der erste Israeli, der bei der Tour starten wird. Niv fuhr letztes Jahr auch schon den Giro (und beendete ihn). Die deutsche Fraktion bilden Altstar Andre Greipel und der Roubaix-Zweite des Vorjahres, Nils Politt. Ob der Gorilla mit 38 noch bei den Sprints mithalten kann, ist eher fraglich, dafür dürfte Politt genügend Freilauf bekommen, um eine Etappe abzuschießen. Dafür wird auch der Belgier Ben Hermans in Frage kommen, zuletzt 9. der Lombardei-Rundfahrt.
Mitchelton - Scott
Adam Yates, Tour-Vierter 2016; Esteban Chaves, Giro-Zweiter und Vuelta-Dritter 2016 sowie Bergfloh Mikel Nieve - auf ansteigenden Gelände muss man mit Mitchelton rechnen. Kann Yates vor seinem Wechsel zu Ineos nochmal wie vor 4 Jahren auftrumpfen? Die Form bei der Dauphine (Gesamt-17.) lässt Fragen offen. Dafür könnte Chaves mal wieder eine bessere Rolle spielen, mit dem vierten Platz bei der Burgos-Rundfahrt und dem 11.Gesamtrang bei der Tour de Pologne lässt die Form hoffen. Sollte es für die Gesamtwertung nicht reichen, wird man aber für Etappensiege gut gerüstet sein. Daneben stehen auch noch Daryl Impey (Etappensieger 2019 in Brioude) und Luka Mezgec (2. Bretagne Classic hinter Matthews) im Aufgebot, mit denne auch zu rechnen ist.
Lotto Soudal
Letztes Jahr gewann Caleb Ewan drei Etappen, dieses Jahr ist eine ähnliche Anzahl das Ziel. Der endschnelle Australier gewann in der Vorbereitung eine Etappe bei der Tour de Wallonie, wurde dazu einmal Zweiter und beendete Mailand - Turin ebenfalls auf den zweiten Rang. Degenkolb wird ihn hierbei unterstützen und ggfls. selber in die Sprints gehen, falls Ewan Probleme bekommt. Neben den Sprints ist Lotto mit Thomas De Gendt und Philippe Gilbert herausragend für Ausreißversuche ausgestattet, De Gendt gewann 2019 in St.Etienne und 2016 auf dem Ventoux.
Astana
Die Kasachen kommen mit einer sehr interessanten Truppe nach Frankreich. Miguel Angel Lopez Moreno feiert sein Tourdebüt, der Giro- und Vuelta-Dritte von 2018 ist einer der besten Kletterer im Peloton und mit Rang 5 bei der Dauphine zeigt er eine gute, wenn auch nicht hervorragende Form. MA Lopez war im übrigen bei allen Grand Tours, die er zu Ende fuhr, nie schlechter als Platz 8. Sicherlich ein heißer Kandidat für die Top5, wenn nicht sogar aufs Podium. Zwar fehlt Fuglsang, aber mit Fraile (Etappensieger 2018 in Mende), Routinier Luis Leon Sanchez, Lutsenko und den Izagirre-Brüdern hat er hervorragende Helfer. Ansonsten mal Harold Tejada im Auge behalten, der Landsmann von Lopez wurde bei der Mont Ventoux-Challenge 6. und gilt als starker Kletterer.
Morgen geht's dann weiter...