Für mich war Joe Frazier so etwas wie die Keimzelle für mein Interesse an dem Boxsport.
Ich war sechs Jahre alt, als Joe Frazier Ali im Thrilla von Manilla zum dritten Mal entgegen trat. Ich wurde damals von meinen Eltern so erzogen, dass die Zeiten, die ich vor dem Fernseher verbringen durfte, sehr begrenzt waren.
Boxen und jede andere Form von Gewalt kam für meinen Vater, der durch sein Heranwachsen im zweiten Weltkrieg sehr geprägt wurde, nicht in Frage.
Umso mehr wunderte ich mich, dass ich mitten in jener Nacht sanft aus meinem Tiefschlaf gerissen und ,noch schlaftrunken, von meinem Vater auf die Fernseh-Couch gehievt wurde.
Das alles kam mir wie ein Traum vor: Nachts vor dem Fernseher, und dann auch noch Boxen! Als kleiner Junge hatte ich das Gefühl, etwas ganz Besonderem beiwohnen zu dürfen und verfolgte den Kampf mit der ungläubigen Begeisterung, zu der wohl nur Kinder fähig sind.
Die Jahre darauf war Boxen im Fernsehen natürlich wieder tabu, aber wann immer ich Leute über Boxen diskutieren hörte, erwähnte ich stolz, dass ich den großen Ali gegen Joe Frazier live gesehen hatte.
Erst viel später beschäftigte mich der Boxsport wieder, als in den späten Achzigern mit Mike Tyson, wieder eine ähnlich charismatische Gestalt im Schwergewicht auftauchte.
Bis dahin hatte ich Frazier immer als den Junior Partner des GOAT betrachtet. Aber als ich mir die Kämpfe dann genauer anschaute, wuchs meine Bewunderung für Smoking Joe. Ich liebe die kleinen Schwergewichte, die ihre Reichweitennachteile durch bedingungslose Härte und ständigen Druck auf den Gegner wettmachen.
In den Kämpfen gegen Ali zeigte Frazier einfach eine fantastische Ausdauer und legendären Kampfgeist. Sein Stil ist nicht so catchy wie der eines Ali, aber für mich ist er technisch mindestens gleichwertig. Frazier brachte sich permanent in Position, ließ Ali keine Luft zum Atmen und fand am Mann stets sein Ziel. Die Dynamik, wenn er mit dem linken Haken reinsprang, war spektakulär.
Diese Hingabe, die die Mythen des Boxsports erst entstehen lässt, gibt es im aktuellen Schwergewicht nicht einmal mehr andeutungsweise, weshalb mich diese Gewichtsklasse auch überhaupt nicht mehr interessiert.
Mit Frazier verbindet mich eine sehr schöne Erinnerung an meinen Vater, der vor einem Monat ebenfalls gestorben ist.
Das alles macht mich traurig.