Die wundersame Wandlung vom lauten Peter zum stillen Herrn Neururer
Nach dem ersten Heimsieg über den FC Bayern München seit 19 Jahren übt sich der Trainer des VfL Bochum erfolgreich in Understatement
von Jens Bierschwale
Bochum/Berlin - Den Tag nach dem Triumph verbrachte Dariusz Wosz zu Hause auf dem Sofa. Das 1:0 gegen den FC Bayern München hatte den kleinen Spielmacher (1,69 Meter) des VfL Bochum derart übermannt, dass er gestern nur noch Faulenzen mochte. "Ein bisschen Füße hochlegen und Kaffee trinken, mehr geht heute nicht", sagte Wosz.
Die Erholung war dem 34 Jahre alten Kapitän zu gönnen, schließlich hatte sein Verein durch den Erfolg Tabellenplatz fünf behauptet und sich endgültig zu einem ernsthaften Anwärter auf einen UEFA-Cup-Rang gemausert. Doch die überraschende Platzierung entspricht offenbar nicht dem Selbstverständnis des derzeit besten Ruhrpottklubs. Trotz des ersten Heimsieges über den FC Bayern seit dem 11. Oktober 1985 geben sie beim VfL nach wie vor bescheidene Ziele aus. "Wenn wir am Ende einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, ist das schon sehr gut", sagt Wosz.
Es mag eine Marschroute der Bochumer sein, selbst im Erfolgsfall nicht zum Größenwahn zu neigen. Vielleicht folgen die Spieler aber auch nur ihrem Trainer, für den nach dem neunten Sieg im 20. Saisonspiel die Qualifikation für den UI-Cup realistische Zielsetzung bleibt. "So groß kann die Euphorie gar nicht sein, dass wir nun vom UEFA-Pokal reden", sagt Peter Neururer.
Vor der Partie gegen die Bayern hatte der Übungsleiter noch deutlich vollmundigere Töne angeschlagen: Seine Mannschaft habe keine Angst vor dem Rekordmeister, man heiße den Gegner herzlich willkommen, überhaupt sei dies doch ein Spiel "Spaß gegen Druck".
Es war reine Taktik, wie Neururer gestern zugab. "Damit wollte ich die ganze Aufmerksamkeit auf meine Person konzentrieren." Eine Strategie, die der Trainer schon häufiger gewählt hatte, die ihm jedoch nicht immer zum Vorteil gereichte. Acht Entlassungen dokumentieren dies. Doch in Bochum schätzen sie die regelmäßigen Selbstinszenierungen ihres Coaches. "Der Trainer nimmt uns so den Druck", sagt Wosz, "allerdings ist er dann auch derjenige, der von den Leuten auf die Fresse kriegt. Doch bisher haben wir ihn ja ganz gut geschützt."
Die bemühte Fürsorge hat auch noch den netten Nebeneffekt, dass die Bochumer ihre beste Platzierung seit 1997 erreichen können. Damals landeten sie auf dem fünften Platz und qualifizierten sich für den UEFA-Cup. Spielmacher Wosz war seinerzeit schon dabei, doch Parallelen zum größten Erfolg der Vereinsgeschichte mag er nicht ziehen. "Das Team von damals kann man mit dem von heute gar nicht vergleichen", sagt er. "1997 hatten wir einige Stars in der Mannschaft, heute sind wir als Team stark."
Selbst Wosz fordert für sich keine exponierte Stellung im VfL-Ensemble, denn er weiß nur allzu gut, dass er seinem Klub damit die größte Stärke nehmen würde. Deshalb achtet er auch gewissenhaft auf seine Kollegen, von denen analog zu Trainer und Spielmacher niemand den Triumph gegen Bayern überbewerten wollte.
Die Mitspieler taten gut daran, denn bei Zuwiderhandlungen hätte ihnen Ungemach gedroht. "Wenn ein Spieler sich jetzt hinstellt und sagt, wir ziehen in den UEFA-Cup ein, werden Rein van Duijnhoven und ich uns den Typen vorknöpfen", sagt Wosz.
Glücklicherweise konnte er gestern auf dem Sofa liegen bleiben